Deutsche Konkurrenz für Amazon und Temu: „Nicht schlecht, wenn zwei kleinere sich zusammentun“

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Wieso die Fusion von Zalando und About You unproblematisch ist, deutsche Supermarkt-Ketten aber Sorgen bereiten: der Vorsitzende der Monopolkommission im Interview.

Es macht manchmal den Eindruck, als komme man nicht mehr um manche Marken oder Unternehmen drumherum. Google-Systeme: vorinstalliert auf dem Handy, Konten werden zudem mit vielen weiteren Produkten verknüpft. Facebook: kauft vermutlich gerade die nächste kleine App auf, um sie an Meta anzubinden. Aber auch im deutschen Online- und Einzelhandel sind solche Strukturen zu erkennen, Zalando hat zuletzt die Erlaubnis bekommen, mit dem Online-Shop About You zu fusionieren. Ist das wirklich in Ordnung? Der Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA hat mit Tomaso Duso gesprochen. Er ist Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte am Deutschen Institut für Wirtschaft und zudem Vorsitzender der Monopolkommission, die der Bundesregierung beratend zur Seite steht.

Herr Duso, aktuell kommt es immer wieder vor, dass größere Unternehmen kleinere Konkurrenten aufkaufen und mit diesen fusionieren. Wieso ist das vielleicht erstmal gar nicht so schlecht?

Wir sehen aktuell in vielen Märkten, dass die Konzentration steigt. Besonders in digitalen Märkten ist es so, wo Unternehmen als Plattformen organisiert sind. Und für eine Plattform, die zwei Marktseiten miteinander verbindet, ist es sehr wichtig, viele Kunden auf beiden Seiten zu haben. Je mehr Produkte oder Läden etwa bei Amazon aktiv sind, desto interessanter ist es für die Kunden. Je mehr Kunden es gibt, desto besser ist es für die Anbieter. Diese sogenannten Netzwerkeffekte führen dazu, dass Unternehmen größer werden. Sie wachsen auch, weil sie andere Unternehmen kaufen und integrieren. Und das muss nicht unbedingt schlecht sein. Diese großen Unternehmen sind oft effizienter. Das bedeutet, dass sie die gleichen Produkte günstiger anbieten können oder ein vielfältigeres Angebot haben.

Fusionen erlauben, um Unternehmen im Wettbewerb mit Amazon, Temu und Co zu halten

Was ist die Kehrseite davon?

Man muss aufpassen, dass immer genug Wettbewerb bleibt, dass diese Märkte nicht kippen. Irgendwann bleibt nur ein Geschäft, und dann gibt es keinen Wettbewerbsdruck mehr: Das nennt man Winner-takes-it-all-Dynamik. Um das zu verhindern, können Wettbewerbsbehörden wie das Bundeskartellamt beispielsweise bei Fusionierungen sagen: Das sehen wir als problematisch an. Unternehmen haben die Option, auf Kompromisse einzugehen und zu sagen: Okay, dann verkaufe ich einen Teil des Unternehmens, oder ich verpflichtet mich, Zugang zu dieser Infrastruktur zu geben.

Tomaso Duso, Vorsitzender der Monopolkommission und Leiter der DIW Abteilung Unternehmen und Märkte
Tomaso Duso ist am DIW Berlin Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte. Er hat zudem den Vorsitz der Deutschen Monopolkommission. © DIW/Florian Schuh

Bei jüngsten deutschen Fusionen – Zalando und About You oder Thalia und Bücher.de – gab es keine Bedenken?

Beide Fusionen wurden freigegeben, Zalando und About You von der Europäischen Kommission, Thalia und Bücher.de vom Bundeskartellamt. Beide ohne Auflagen. Zalando ist schon stark und eins der wenigen europäischen Start-ups, die es geschafft haben, sich auch außerhalb vom deutschen Markt zu etablieren. About You ist kleiner, aber erfolgreich. Die Kommission konnte dennoch innerhalb von wenigen Tagen feststellen, dass es in diesem Markt noch extrem viel Wettbewerb gibt: Amazon, ASOS, H&M, Zara. Die sind auf dem globalen Markt deutlich präsenter als Zalando. Hinzu kommen Billiganbieter wie Temu oder Shein, die immer größer werden

Fusionen sind also gut, um im Wettbewerb mit globalen Playern zu bestehen?

Genau. Wenn zwei global kleinere Unternehmen zusammenkommen, dann entsteht ein Unternehmen, das ein bisschen stärker ist in diesem Markt, in dem es oft dominante Player gibt. Dann ist es manchmal nicht schlecht, wenn zwei Kleinere sich zusammentun. Marktriesen wie Amazon Konkurrenz zu machen, ist schon tough. Da ist der Druck im Online-Markt so gigantisch, das schafft man nicht als sehr kleines Unternehmen. Bei Thalia und Bücher.de waren die Gründe, die Fusion zuzulassen, deshalb ähnlich. Das Online-Portal von Thalia ist nicht so stark im Vergleich zu Amazon. Bücher.de ist nochmal kleiner, hat aber relativ gut funktioniert und hatte viele treue Kunden, die vielleicht nicht unbedingt bei Amazon kaufen wollten.

Facebook kauft WhatsApp und Instagram: „Im Nachhinein ärgert man sich.“

Wie groß ist überhaupt der Einfluss, den europäische Wettbewerbsbehörden auf andere internationale Unternehmen haben?

Die Europäische Kommission war in der Vergangenheit tatsächlich immer viel aktiver als die amerikanischen Wettbewerbsbehörden, wenn es um Tech-Giganten wie Google, Apple, Amazon oder Microsoft ging. Sanktionen, wie etwa Strafen in Milliardenhöhe, sind für die Unternehmen oft Peanuts. Hinzu kommt, dass der Prozess langwierig und nicht sonderlich effektiv war. Deswegen hat die EU eine neue Regulierung geschaffen: den Digital Markets Act. Wir identifizieren Gatekeeper, also Unternehmen, die bei besonderen Diensten eine absolut dominierende Position haben. Und diese Gatekeeper haben eine Liste von Dingen, die sie nicht machen dürfen. In der Zolldiskussion mit US-Präsident Donald Trump war das jetzt wieder ein Thema. Trump wollte, dass diese Regulierung wieder geschwächt wird, weil sie hauptsächlich amerikanische Unternehmen trifft. Mal abgesehen von Zalando oder etwa dem chinesischen TikTok-Betreiber ByteDance.

Immer mehr Konzerne konzentrieren die Macht innerhalb von Märkten auf sich und Wettbewerb entfällt. © IMAGO/Imagebroker/mix1/Rust/NurPhoto/IkonImages

Wenn man auf Fusionen zurückschaut, auf Entscheidungen, wo das Okay gegeben wurde: Gibt es da Beispiele, wo – Stand heute – Wettbewerbsbehörden ganz klar eingeschritten wären?

Manchmal manövriert man sich in solche Situationen, weil man es nicht geschafft hat, in der richtigen Zeit zu erkennen, was für eine negative Auswirkung eine Fusion haben könnte. Zwei Beispiele, die jetzt in den letzten Jahren immer sehr stark diskutiert worden sind: Whatsapp und Instagram. Facebook hat beide Start-ups teuer gekauft, um potenzielle Wettbewerber vom Markt zu nehmen. Beide Fusionen wurden damals von unterschiedlichen Behörden in der ganzen Welt freigegeben. Im Nachhinein ärgert man sich in dem Fall sehr.

Edeka, Lidl, Rewe, Aldi: „Schaffen es, einen großen Teil des Kuchens für sich zu behalten:“

Und wenn der Blick mal abseits der Online-Märkte geht? 

Besonders im Einzelhandel haben wir eine steigende Konzentration seit 20 Jahren. Da gab es 2016 eine Fusion, die das Bundeskartellamt stoppen wollte, die der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel aber mit seiner Minister-Erlaubnis durchgewunken hat: Edeka und Tengelmann. Das Kartellamt hat damals gesagt: Diese Fusion sollte nicht stattfindet. Gabriels Argument war damals, dass es aber wichtige Aspekte gebe, die für eine Fusion sprechen, wie etwa die Sicherung von Arbeitsplätzen. Und das hat tatsächlich auch dazu geführt, dass dieser Markt konzentrierter geworden ist. Jetzt haben wir vier große Player: Schwarzgruppe, Edeka, Aldi und Rewe, die 85 Prozent des Marktes dominieren.

Davon spüren Verbraucherinnen und Verbraucher auch etwas?

Das ist genau die Frage, die man sich stellt. In den vergangenen paar Jahren, in denen die Inflation gestiegen ist, war es der große Diskussionspunkt. Man hat sich gefragt: Who is the bad man? Die Endverbraucherpreise sind natürlich gestiegen, aber die Kosten eben auch. Was wir beobachten ist, dass sich Margen innerhalb dieser Lieferkette verschieben. Der Einzelhandel schafft es, einen großen Teil des Kuchens für sich zu behalten.

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