Lebensmittel seit 2020 wesentlich teurer – Welche Unternehmen daran am meisten verdienen
Die steigenden Lebensmittelpreise lassen Kassen von Großkonzernen und Händlern klingeln. Eine andere Gruppe gerät dagegen mehr und mehr unter Druck.
Düsseldorf – Lebensmittelpreise kennen seit einigen Jahren nur eine Richtung: hinauf. Das Statistische Bundesamt weist für das Jahr 2023 einen Preisanstieg von 12,3 Prozent für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke aus. Der Verbraucherpreisindex im Vergleich zum Jahr 2020 beträgt 130,3, für Nahrungsmittel allein sogar 131,4. Es ging also um fast ein Drittel nach oben.
Wie eine Analyse des Handelsblatt Research Instituts aufzeigt, profitieren von dieser Entwicklung Hersteller durch die Bank, bei Händlern jedoch nicht alle Gruppen gleichmäßig. Die Arbeit, über die das Handelsblatt (Artikel hinter einer Bezahlschranke) berichtet, beruht auf Bilanzen von 70 mittelständischen und großen Markenherstellern sowie den führenden Handelskonzernen in Europa.
Studie zu Lebensmittelpreisen: Mittelständische Unternehmen profitieren weit weniger
Demnach steigerten die 20 betrachteten Händler wie Rewe und Metro aus Deutschland, Tesco aus Großbritannien oder Carrefour aus Frankreich ihre Gewinne vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen um 3,8 Prozent. Für die 25 großen Markenartikler wie Nestle (Kitkat), Unilever (Dove) oder AB Inbev (Beck’s) wurden drei Prozent ausgewiesen.
Deutlich schlechter erging es den 25 untersuchten mittelständischen Produzenten mit weniger als einer Milliarde Euro Umsatz um Frosta oder Weleda. Diese verzeichneten für das Jahr 2023 zusammen 10,1 Prozent weniger Gewinn. Im Vorjahr waren sie die einzigen der drei Gruppen mit einem Minus.
Die Erklärung für die Unterschiede liefert Kai Hudetz, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IFH Köln: „Global agierende Markenartikler können bei den Preisverhandlungen anders als Mittelständler einen größeren Druck auf den Handel ausüben.“ Die Größenvorteile würden es ihnen ermöglichen, ihre Kosten zu drücken und die Effizienz zu steigern.
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Lebensmittelpreise in Deutschland: Handel gewinnt zunehmend an Macht
Mittelständische Unternehmen müssten dagegen den Großteil ihrer Erlöse in Deutschland erzielen und seien daher abhängiger von den vier großen Supermarktketten Aldi, Lidl, Edeka und Rewe. Als Beispiel wird Berentzen erwähnt, der Spirituosenhersteller macht drei Viertel seines Umsatzes in der Bundesrepublik und 80 Prozent davon bei den genannten Handelsketten.
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Die Analyse unterstreiche eine ausgesprochene Warnung der Monopolkommission, wonach der Handel in der Lebensmittellieferkette zunehmend an Macht gewinne und besonders kleinere Erzeuger immer geringere Preisaufschläge erzielen. Grundsätzlich seien die Lebensmittel in Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern günstig – auch wegen der Macht der Discounter.
Infolge eines Preiskampfes zwischen Händlern und Markenkonzernen waren einige Produkte zwischenzeitlich nicht erhältlich – etwa, weil die großen Unternehmen die Belieferung einstellten. Hier erwähnt das Handelsblatt den Abfüller Coca-Cola Europacific Partners. Dessen Chef John Galvin gibt sogar zu, „bewusst Absatzverluste in Kauf genommen“ zu haben.
Preisanstieg bei Lebensmitteln: Verbraucher können nicht auf Produkte des täglichen Bedarfs verzichten
Laut Werner Motyka, Partner der Beratung Munich Strategy, vertrauen diese Großkonzerne auf die Unverzichtbarkeit ihrer Produkte. „Zudem versuchen Markenkonzerne, ihren Absatz mit allen Mitteln von Marketing und Vertrieb anzuschieben“, erklärt der Experte.
In die Karten spielt den Unternehmen, die Nahrungsmittel und Getränke herstellen, dass die Verbraucher auf diese Produkte des täglichen Bedarfs nicht komplett verzichten können. Der Analyse zufolge schlagen sich die hohen Kosten nicht in der Bilanz nieder.

Höhere Lebensmittelpreise: Höchste Ebitda-Marge bei großen Markenkonzernen
Die sogenannte Ebitda-Marge – also das Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen – blieb demnach bei Handelskonzernen mit 6,2 Prozent ebenso konstant wie bei großen Markenkonzernen mit 17,8 Prozent. Die Verlierer sind die mittelständischen Produzenten. Bei ihnen sank das Verhältnis von operativem Gewinn zu Umsatz von 9,7 auf 8,9 Prozent.
Um die Rendite zu steigern, hat etwa Henkel margenschwache Marken mit einem Umsatzwert von 650 Millionen Euro eingestellt oder verkauft, heißt es weiter. Andererseits setzten Hersteller und Händler auf höhere Preise. Der ausgeschiedene Nestle-Chef Mark Schneider spricht mit Blick auf das Jahr 2022 von Preiserhöhungen von „historischem Ausmaß“.
So stiegen die Umsätze deutlich in den zweistelligen Prozentbereich. Trotz der nachlassenden Preisanpassungen 2023 ging es für die Erlöse im mittleren einstelligen Bereich nach oben.
Hohe Lebensmittelpreise ungerechtfertigt? Analyse gibt keine Hinweise auf die These
Auffällig ist die unterschiedliche Gewinnentwicklung: Große Produzenten steigerten diesen 2022 um fast 21 Prozent, 2023 jedoch nur noch um drei Prozent, bei Händlern fiel der Anstieg 2022 nur leicht aus, im Jahr darauf jedoch um fast vier Prozent. Erklärt wird dies damit, dass die Händler zunächst davon absahen, die Preiserhöhungen in vollem Umfang an die Kunden weiterzureichen, um diese nicht an die Konkurrenz zu verlieren.
Zunächst verzichteten die Händler also auf die Gewinne. Im vergangenen Jahr blockierten sie dann den Großteil der Preiserhöhungen der Produzenten und zogen die Regalpreise an – im Wissen, die Verbraucher haben sich an das höhere Preisniveau gewöhnt. Die Analyse gibt allerdings keine Hinweise darauf, dass sich Markenproduzenten und Händler durch ungerechtfertigte Preiserhöhungen bereichert hätten.
Entwicklung von Lebensmittelpreisen: „Globale Lieferketten von vielen Konflikten geprägt“
Beide Gruppen steigerten die Rohertragsmarge, die die Kosten für Produktion und Wareneinkauf ins Verhältnis zum Umsatz setzt, leicht, aber nicht auf das frühere Niveau. Bei den Händlern lag der Wert, der keine Ausgaben für Vertrieb, Verwaltung und Marketing beinhaltet, bei 19,5 Prozent, was ein Plus von 0,1 Punkten zum Vorjahr bedeutet. Die großen Konzerne verzeichneten sogar 43,5 Prozent, ein Plus von 0,5 Punkten. Bei den mittelständischen Unternehmen sank die Rohertragsmarge dagegen um 0,5 Punkte auf 34,4 Prozent.
Mit baldigen Preissenkungen ist nicht zu rechnen. Felix Ahlers, Chef des Tiefkühlherstellers Frosta, nennt die Kostensituation „extrem angespannt“. Weiter betont er: „Die globalen Lieferketten sind von vielen Konflikten geprägt. Und die Energiekosten insbesondere für Logistik und Produktion bleiben volatil.“
Sinken Lebensmittelpreise bald wieder? Vorerst sind moderate Erhöhungen zu erwarten
Die Kosten steigen zumindest weniger stark als zuvor, weshalb moderate Preiserhöhungen zu erwarten sind, heißt es in dem Artikel weiter. Auch die Verbraucherzentrale geht davon aus, dass die Preise der Jahre 2000 bis 2019 nicht mehr erreicht werden. Folglich müssten Bürger künftig einen größeren Anteil des ihnen zur Verfügung stehenden Einkommens für Lebensmittel ausgeben.
Von der Politik fordert die Verbraucherzentrale daher eine deutliche Anhebung des Regelbedarfs des Bürgergeldes sowie die Anpassung von dessen Berechnungsgrundlage, Sonderzahlungen für Menschen mit niedrigerem Einkommen, eine Beitragsreduzierung oder -befreiung für die Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen, Hochschulen bzw. für Geringverdiener in Unternehmen, öffentlichem Dienst und sozialen Einrichtungen, Null-Mehrwertsteuer bei Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten sowie eine Unterstützung der Einrichtungen, die Mahlzeiten für Bedürftige anbieten.
Die Bundesregierung verweist im Zusammenhang mit den steigenden Preisen auf drei große Entlastungspakete mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro sowie die zweite Stufe des Inflationsausgleichsgesetzes, von dem 48 Millionen Bürger profitieren würden. Außerdem kommen steuerliche Entlastungen für die Zukunft zur Sprache, darunter höhere Grund- und Kinderfreibeträge, höheres Kindergeld sowie ein höherer Sofortzuschlag für von Armut betroffene Familien oder solche mit geringem Einkommen. (mg)