Erster Gipfel seit dem Brexit: Trump und Putin treiben EU und Großbritannien zusammen
Putins Ukraine-Krieg und US-Präsident Trump treiben die EU und Großbritannien wieder näher zusammen. Um welche Themen geht es beim heutigen Gipfel?
Brüssel/London – Am heutigen Montag (19. Mai) wollen sich die EU und Großbritannien beim ersten Gipfel-Treffen seit dem Brexit erstmals wieder näherkommen. Der britische Premierminister wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident António Costa, EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas und den mit Großbritannien befassenden EU-Kommissar Maroš Šefčovič im Lancaster House in London empfangen. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Doch ob der Rahmen allzu feierlich ausfällt, gilt vor dem Hintergrund des Wahlerfolgs der Rechtspopulisten von Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage bei den Kommunalwahlen in England als fraglich. Ein weiterer Grund für eine mögliche Zurückhaltung Großbritanniens könnte US-Präsident Donald Trump sein. Die Starmer-Regierung befürchtet, dass eine enthusiastische Annäherung zwischen der EU und Großbritannien bei Trump aufstoßen könnte.
Trump und Putin treiben EU und Großbritannien vor Gipfel zusammen
Gleichzeitig ist der US-Präsident ein Grund für die neuen Bestrebungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. Seine Infragestellung des transatlantischen Verhältnisses, der Ukraine-Krieg und die imperialistische Politik des russischen Staatschefs Wladimir Putin lassen die EU und Großbritannien wieder näherkommen.
Vor dem Gipfel zeigte sich Starmer, der bereits ein neues Abkommen mit der EU ankündigte, optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, dass wir wirklich große Fortschritte machen werden am Montag“, zitierte die dpa. Auch Kallas blickte voller Hoffnung auf den Gipfel. „Großbritannien und die EU müssen in diesen geopolitischen schwierigen Zeiten zusammenhalten“, sagte Kallas dem Tagesspiegel.
Die EU plant, einen Fonds von 150 Milliarden Euro aufzulegen, aus dem Mitgliedstaaten Rüstungsprojekte finanzieren können. London will, dass die heimische Rüstungsindustrie dabei von Aufträgen profitiert. Dafür könnte beide Parteien ein Verteidigungs- und Sicherheitspaket beschließen.
Gipfel zwischen EU und Großbritannien: Sicherheits- und Rüstungspolitik stehen auf der Agenda
Ein Abkommen würde britischen Waffenherstellern neue Aufträge bringen und die Rüstungsproduktion in der EU ankurbeln, sagte Kevin Craven, Geschäftsführer der ADS Group, eines britischen Branchenverbandes für Unternehmen aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung und Sicherheit, gegenüber der BBC.
„Eine der Herausforderungen für Rüstungsunternehmen in den letzten Jahren, seit dem Aufkommen der Ukraine, besteht darin, ihre eigenen Kapazitäten entsprechend der Nachfrage zu erweitern“, sagte Craven. Er schätzt, dass Großbritannien die Rüstungsproduktion der EU um ein Fünftel steigern könnte.

Der außenpolitische Sprecher der Liberaldemokraten, Calum Miller, sieht in einem Sicherheitspakt ebenfalls eine große Chance für die britische Rüstungsindustrie. Er fügt jedoch hinzu: „Ebenso wichtig ist, dass er eine neue strategische Chance für Großbritannien darstellt, Teil der laufenden Diskussion über die Aufrüstung unseres Kontinents zu sein.“
EU-Großbritannien-Gipfel: Starmer will Farage wenig Angriffsfläche bieten
Eine neue Vereinbarung könnte künftig „regelmäßigere Dialoge über Außenpolitik, Verteidigung und Sicherheit ermöglichen“, vermutete Jannike Wachowiak von der Londoner Denkfabrik „UK in a Changing Europa“ bei einem Pressegespräch. Folgende Bereiche könnten auch zum Thema werden:
- hybride Bedrohungen
- Cybersicherheit
- Nahe Osten
Starmer legt weiterhin großen Wert darauf, der konkurrierenden Farage-Partei möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Eine Rückkehr in den Binnenmarkt oder die Zollunion gilt als ausgeschlossen – obwohl das die Wirtschaft wohl am stärksten ankurbeln würde.
Wahrscheinlicher erscheint eine größere Flexibilität bei den Mobilitätsbestimmungen. Zwar lehnte Großbritannien einen Vorstoß der EU-Kommission im April ab. Dabei ging es darum, dass junge Menschen aus der Europäischen Union für eine begrenzte Zeit in Großbritannien studieren und arbeiten können. Inzwischen zeichnet sich eine Annäherung beider Parteien ab.
Vor Gipfel mit Großbritannien: EU sorgt sich
Aufseiten Brüssels gibt es weiterhin die Sorge, Großbritannien könne durch „Rosinenpicken“ Begehrlichkeiten bei anderen Partnern wecken, sich Privilegien zu verschaffen, ohne dafür Verpflichtungen einzugehen. Ohne Beiträge zum EU-Haushalt und Arbeitnehmerfreizügigkeit dürfen sich die Briten kaum Hoffnungen auf weitreichende Erleichterungen beim Marktzugang zur EU machen.
Erwartet wird, dass Starmer der EU bei der dynamischen Angleichung an EU-Regeln für Tier- und Pflanzenhygiene entgegenkommt. Das soll die Möglichkeit für ein Abkommen zur Lebensmittelsicherheit schaffen, die Bürokratie verringern und den Handel mit Lebensmitteln wieder erleichtern. Zudem werden Annäherungen in den Bereichen Energie und Emissionshandel vermutet. (Jan-Frederik Wendt)