Europas Antwort auf die F-35: Revolutionärer Kampfjet setzt neue Maßstäbe
Bis 2045 will Europa seine eigenen Zukunfts-Kampfjets am Himmel haben. Großbritannien ist auf dem guten Weg; Frankreich droht wieder mit Alleingang.
London – „Die Konstruktion eines für Tarnkappenangriffe optimierten Kampfflugzeugs mit besserer Leistung als die F-35 ist nicht riskanter als die Konstruktion irgendeines neuen Flugzeugs“, äußerte Bill Sweetman im Januar 2024 gegenüber der Royal Aeronautical Society. Der Luft- und Raumfahrtspezialist ließ sich aus über den Bau des Global Combat Air Programme (GCAP) – ein multinationales Projekt unter der Leitung von Großbritannien, Japan und Italien zur Entwicklung eines neuen Tarnkappen-Kampfflugzeugs unter europäischer Leitung. Wladimir Putins Invasionskrieg in der Ukraine hatte angedeutet, dass die bisherigen Nato-Kampfjets in die Jahre gekommen sind. US-Präsident Donald Trump hat dann die letzten Zweifler überzeugt, dass Europa eigene Flieger benötigt.
Der neue britische Kampfjet unter dem Namen Tempest (Sturm) soll mit seiner Reichweite in Verbindung mit seiner Nutzlastkapazität die Luftkampffähigkeiten neu definieren. Dieses im Rahmen des Global Combat Air Program (GCAP) entwickelte Flugzeug der sechsten Generation könne den Atlantik ohne Auftanken überqueren und trage dabei eine Nutzlast von 4.500 Kilogramm, schreibt das Magazin Farmingdale Observer. „Dieses technologische Wunderwerk stellt einen bedeutenden Fortschritt in der militärischen Luftfahrt dar und positioniert Großbritannien an der Spitze der Luftverteidigungsinnovation“, lobt Famingdale-Autorin Rose Nixon.
Lehren aus Ukraine-Krieg: Die Maschine soll Maßstäbe setzen – in Reichweite, Nutzlast und Datenfusion
Die Maschine soll Maßstäbe setzen. In Reichweite, Nutzlast und Datenfusion; wie The War Zone-Autor Thomas Newdick berichtet, gingen die Konstrukteure davon aus, dass die Maschine ohne aufzutanken mindestens fast 5000 Kilometer weit fliegen können – das wäre die kürzeste Route über den Atlantik. Die weiteste liegt bei fast 7500 Kilometern. Darüber hinaus solle sie das Doppelte einer F-35 an interner Nutzlast, also an Waffenlast, tragen können. Die F-35 lädt etwas weniger als zweieinhalb Tonnen, die „Tempest“ soll etwas mehr als viereinhalb Tonnen Waffen bewegen können. Auch die geplanten Netzwerkqualitäten werden als bisher einzigartig angepriesen.
„Ich möchte nicht arrogant klingen, aber wessen Fähigkeiten brauche ich außer meinen eigenen, um ein Kampfflugzeug zu bauen? Deshalb bin ich bereit zu kooperieren und zu teilen. Ich bin nicht dagegen, aber ich bin derjenige mit den nötigen Fähigkeiten.“
Die Tempest markiere allerdings auch in anderer Hinsicht eine neue Dimension der europäischen Kriegsführung. „Historisch galt der Kauf von US-Ausrüstung ,von der Stange‘ für viele Luftstreitkräfte oft als die beste Strategie“, schreibt Joe Coles. Mit der US-amerikanischen F-35 scheint aber der letzte Kampfjet zum Schweizer Messer der Nato-Luftflotten zu werden, so der Autor der Royal Aeronautical Society. Zum „Kampfjet, den jeder will“ apostrophiert Aaron Spray den bis zu 80 Millionen Euro teuren Kampfjet und zitiert Justin Bronks im Magazin Simple Flying: „Trotz der höheren Betriebskosten hat sich jede einzelne Luftwaffe, die die F-35 direkt mit ihren europäischen und amerikanischen Konkurrenten vergleichen durfte, letztlich für die F-35 entschieden.“
„Ihre Einsatzfähigkeit in umkämpften Lufträumen ist einfach eine Klasse für sich“, so der Analyst des britischen Thinktanks Royal United Services Institute (RUSI) aktuell in Simple Flying. Diese „Klasse“ wird aber jetzt neu eröffnet, da die beiden Großmächte USA und China bereits Kampfjets der sechsten Generation in der Luft haben – zumindest testweise. Joe Coles kommt zu dem Schluss, dass ein eigener europäischer Kampfjet „nicht nur möglich, sondern sogar die einzige Option auf dem Markt sei“, wie der Journalist anhand seiner Gesprächspartner behauptet.
Trumps gefallener Star: F-35 nur noch scheinbar „Eckpfeiler des Kampfraums für 20 verbündete Nationen“
Das Magazin Newsweek berichtet aktuell, dass das Gebaren der US-amerikanischen Regierung Druck auf die bisherigen Verbündeten ausübe. In dem Punkt sind die Europäer sowie die Nato-Partner gespalten: Die eine Seite sieht keinen akuten Handlungsbedarf, die Gegenseite fühlt sich in ihrem Handlungsspielraum zumindest potenziell beschnitten. Und die Rüstungsschmiede Lockheed Martin sieht ihre Felle davonschwimmen: „Ein Sprecher von Lockheed Martin sagte, die F-35 sei ,der Eckpfeiler des Kampfraums für 20 verbündete Nationen und ermögliche Frieden durch Stärke im 21. Jahrhundert“, schreibt Newsweek-Autorin Ellie Cook. Lockheed Martin musste sich allerdings auch schon Boeing geschlagen geben – der Konkurrent baut die F-47, den Kampfjet der sechsten Generation der USA.
Allerdings wird auch Trumps geplanter Superflieger wohl in den Export gehen: Die Flugrevue schreibt, die F-47 soll in einer „um zehn Prozent abgeschwächten Version“ an „verbündete Nationen“ verkauft werden können. Diese zehn Prozent nähren die Kritik der Verbündeten – sie fürchten, mögliche Schwierigkeiten in der Nutzung der F-35 könnten sich in der F-47 potenzieren. Der europäische Kampfjet der Zukunft wird also von zwei Koalitionen angegangen: London, Rom und Tokio haben sich ebenso zum Global Combat Air Programme (GCAP) zusammengeschlossen wie Paris, Berlin und Madrid zum Future Combat Air System (FCAS). Wie Newsweek orakelt, soll die Tempest 2035 in Dienst gestellt werden und sein Pendant zehn Jahre später.
Die Frage wird sein, in welchem Ausmaß in diesen Dekaden noch bemannte Kampfjets gebraucht werden, beziehungsweise inwieweit sich die schon 2045 komplett überlebt haben werden. Des Weiteren bleibt spannend, inwieweit sich die beiden Konsortien ergänzen beziehungsweise inwieweit eventuell doppelte Arbeit geleistet wird. Oder einfach Geld verbrannt, wie Justin Bronk ins Kalkül zieht – der Analyst des britischen Thinktanks Royal Services Institute (RUSI) will den vollmundigen Ankündigungen der Leistungsfähigkeit mit Vorsicht begegnen, wie er gegenüber dem Journalisten Joe Coles klargemacht hat.
Zoff im Nato-Konsortium: Über FCAS scheinen sich dunkle Wolken zusammenzubrauen
Vor allem fürchtet sich Bronk davor, dass viel Geld hineingepumpt wird in ein Projekt, dass erst in 15 Jahren einsatzfähig sein wird ungeachtet den dann notwendigen Spezifikationen, die heute vielleicht noch keiner abschätzen kann. Anders ausgedrückt: Die heute topmodern anmutende Maschine könnte dann schon wieder ihrer Zeit hinterher fliegen. Zumal Russland auf beherrschbare Technik setzt und insofern frei agieren kann, bis der Westen mit seinem vermeintlichen technischen Quantensprung wird auftrumpfen können.
Bronk meint, hätte Großbritanniens Luftfahrtministerium Mitte der 1930er-Jahre auch dermaßen weit in die Zukunft hinein geplant, hätten die Briten keine Hurricanes oder Spitfires in den Zweiten Weltkrieg werfen können. Bill Sweetman sieht in der internationalen Kooperation einen riskanten, wenn auch notwendigen Weg. „Die Konstruktion eines für Tarnkappenangriffe optimierten Kampfflugzeugs mit besserer Leistung als die F-35 ist nicht riskanter als die Konstruktion irgendeines neuen Flugzeugs“, zitiert Joe Coles den Rüstungsjournalisten. Während der Tempest offensichtlich unbeirrt seine Kreise zieht, scheinen sich über dem zweiten Konsortium dunkle Wolken zusammenzubrauen.
Wie Defense News aktuell berichtet, hätte Éric Trappier die Zusammenarbeit mit Airbus bei der Entwicklung eines europäischen Kampfjets der sechsten Generation – FCAS – scharf kritisiert. Das Magazin zitiert den Geschäftsführer von Dassault Aviation mit einer Aussage gegenüber französischen Abgeordneten bezüglich anhaltenden Streits über die Arbeitsteilung der beteiligten Firmen; die Kooperation mit Airbus sei „sehr, sehr schwierig“, wie Defense News Trappier zitiert. „Irgendetwas funktioniert nicht“, soll Trappier in einer Anhörung des Verteidigungsausschusses der Nationalversammlung geäußert haben.
Kann Frankreich eigenen Tarnkappen-Kampfjet bauen? „Ich bin derjenige mit den nötigen Fähigkeiten“
„Aus französischer Sicht ist das Projekt sowohl Ausdruck europäischer Souveränität als auch wesentlicher Bestandteil nationaler Sicherheit und industrieller Interessen. In Deutschland geht diese strategische Bedeutung im Dickicht der Zuständigkeiten im Beschaffungsprozess unter“, hat Dominic Vogel bereits 2021 gewarnt. Der Analyst des deutschen Thinktanks Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) geht davon aus, dass neben der Komplexität auch unterschiedliche Wahrnehmungen über Aufgabenverteilung und Ausrichtung das Projekt gefährden. Frankreich war ja bereits aus dem gemeinsamen Flugzeugprojekt Eurofighter ausgestiegen.
Die Berechnungen zur Form des zukünftigen Flugzeugs seien abgeschlossen, „wir wissen, wie wir es herstellen und so schnell wie möglich flugfähig machen können“, sagte Trappier, wie ihn Defense News zitiert. „Ich wäre sehr dafür, die Dinge zu beschleunigen.“ Ihm zufolge scheine das aber schwierig, er bemängelt im Fachmagazin das wiederholt zwingende Abstimmen und den seiner Meinung nach schleppendem Fluss von Informationen durch Airbus.
Laut Defense News sollen die Politiker den Dassault-Chef gefragt haben, inwieweit sein Unternehmen das Projekt auch allein bewältigen und Frankreich ein Tarnkappenflugzeug entwickeln könne, worauf Trappier geantwortet haben soll: „Ich möchte nicht arrogant klingen, aber wessen Fähigkeiten brauche ich außer meinen eigenen, um ein Kampfflugzeug zu bauen? Deshalb bin ich bereit, zu kooperieren und zu teilen. Ich bin nicht dagegen, aber ich bin derjenige mit den nötigen Fähigkeiten.“