Blutige Attacke auf Mallorca – doch was wirklich im Wasser lauerte, überrascht

Rote Flagge, alle müssen sofort das Wasser verlassen, überall Polizei, aufgeregte Rettungsschwimmer und Sanitäter, dazwischen verunsicherte Urlauber. Die Aufregung ist groß, als am Dienstagmittag am Strand der Playa de Palma am Ballermann plötzlich Hai-Alarm ausgelöst wird. 

Nur wenige Augenblicke zuvor war eine 85 Jahre italienische Urlauber mit einer klaffenden Wunde an der Wade aus dem Wasser getreten. Rettungsschwimmer und Augenzeugen sind sich schnell einig: Das war eine Haiattacke.

Ein Blauhai könnte die Urlauberin angegriffen haben, so zunächst die Vermutung. Diese Tiere kommen im Mittelmeer häufiger vor. In den vergangenen Monaten gab es mehrere Sichtungen der Tiere – auch zwei in direkter Küstennähe vor Mallorca.

Mallorca: Experten schließen Biss von Hai aus

Doch nach der ersten Aufregung häufen sich Zweifel. Denn niemand hat vor oder während der Attacke einen Hai gesehen. Und auch die Verletzungen am Bein der Frau deuten darauf hin, dass es wohl ein anderes Tier war. 

Mehrere Experten schließen mittlerweile aus, dass ein Hai die Frau angegriffen hat. Darunter auch Aniol Esteban von Marilles. Die Stiftung widmet sich dem Erhalt des Meeres rund um die Balearen und seiner Küsten. „Es war definitiv kein Hai“, so der Meeresbiologe im Gespräch mit FOCUS online. 

„Vielleicht war es ein Stachelrochen, der mit seinem Stachel zur Selbstverteidigung die Haut der Frau verletzt hat. Vielleicht war es eine andere Fischart, wie ein Bluefish (Anjova) oder ein Drückerfisch. Natürlich gibt es auch Quallen, die sehr schmerzhaft sein können. Es gibt mehrere mögliche Erklärungen. Aber ein Hai war es nicht.“

„Keine Fälle von Haiangriffen im Mittelmeer“

Doch wie hoch ist überhaupt die Gefahr, beim Baden rund um Mallorca auf einen Hai zu treffen? „Im Moment liegt das Risiko, dass Haie für Menschen beim Schwimmen im Mittelmeer darstellen, bei 0“, so der Haiexperte. „Es gibt praktisch keine Fälle von Haiangriffen im Mittelmeer.“

Dies liege auch daran, dass die Population von Haien im spanischen Mittelmeer zuletzt stark zurückgegangen sei. Und von den wenigen Haien, die es noch gibt, gehe keine Gefahr aus. 

„Die Haie wollen sich gar der Küste nicht nähern und falls jemand unter Wasser einem Hai begegnet, empfehle ich, ein Lottoticket zu kaufen. Denn es ist wahrscheinlicher, im Lotto zu gewinnen, als einem Hai unter Wasser zu begegnen.“ Jährlich würden viel mehr Menschen durch Wespen- oder Bienenstiche oder durch Hundeattacken sterben als durch Haie – und das um ein Vielfaches.

Besorgniserregend: Kaum Haie im Mittelmeer

Seine Botschaft laute des deshalb: „Im Mittelmeer sollte man sich eher Sorgen machen, weil es keine Haie gibt – und nicht, weil es welche gibt.“ Er hoffe, dass eines Tages der Moment komme, an dem es wieder so viele Haie gibt, dass man sich über ein Risiko für Badegäste Gedanken machen müsse. „Im Moment sind wir davon aber Lichtjahre entfernt“, so Esteban.

Und dennoch gab es nun den Vorfall mit der mutmaßlichen Fischattacke an der Playa de Palma. Entsprechend zeigen sich einige Urlauber verunsichert: „Es ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn man so etwas mitbekommt“, sagte etwa Nicole Stahl. Die Urlauberin aus Speyer traut sich vorerst nur mit den Füßen ins Wasser. 

Auch Giulliano Sanfilippo hat der Vorfall einen Schrecken eingejagt: „Man hat das jetzt natürlich immer im Hinterkopf, wenn man ins Wasser geht – denn schließlich wurde kein Tier gefunden und man weiß jetzt nicht genau, was da im Wasser rumschwimmt“, so der Tourist aus Kempen.

Unfälle kommen häufiger vor

Dass etwas beim Baden passiert, könne man nie gänzlich ausschließen, sagt auch Aniol Esteban: „Im natürlichen Gewässer zu baden, birgt immer ein gewisses Risiko. Es gibt giftige Tiere, Tiere, die verletzen oder beißen können – so ist die Natur.“ 

Das häufigste sei, dass man von einer Qualle gestochen wird, weil man ihr zu nahe gekommen ist. Oder jemand tritt auf einen Petermännchen-Fisch, der im Sand vergraben liegt. Oder auf einen Rochen, der auch einen Stachel hat.

„Oder jemand steckt den Finger in eine Felsspalte, in der sich eine Muräne oder ein Conger-Aal befindet und wird gebissen“, erklärt Esteban. Solche Unfälle kämen durchaus häufiger vor. Die Wahrscheinlichkeit eines Haiangriffs sei laut Statistiken dagegen praktisch gleich null.

Das größte Risiko: Ertrinken

„Das größte Risiko beim Schwimmen ist das Ertrinken. Das ist viel gefährlicher, etwa durch Kreislaufprobleme oder andere gesundheitliche Beschwerden, als der Angriff eines Meerestieres.“ 

Und wenn doch mal etwas passiert, dann liege dies eher daran, dass sich Badende einem Tier genähert oder es gestört hätten. Nicht, weil das Tier gezielt den Menschen angreifen wollte. „Tiere, die Menschen aktiv angreifen, gibt es im Mittelmeer praktisch gar nicht“, so der Meeresbiologe.

Sein Fazit nach der mutmaßlichen Fischattacke lautet deshalb: „Jedes Jahr baden Millionen Menschen im Mittelmeer und es passiert nichts. Ein Schwimmbecken ohne jegliches Leben ist viel gefährlicher als das Meer. Man muss also keine Angst vor dem Meer haben. Man sollte aber das Meer und die Natur respektieren.“