Die E-Auto-Krise bremst den Ladesäulen-Ausbau aus – Experten in Sorge

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Eine für zwei: Diese Ladesäule wird gleich doppelt angezapft. © IMAGO / Michael Gstettenbauer

Mit einem Run auf die E-Autos sollte auch ein schnell wachsendes Netz an Ladesäulen einhergehen. Doch es läuft 2024 nicht wie von der Branche erhofft.

Düsseldorf – Die reinen Zahlen klingen erst einmal verheißungsvoll. Laut der Bundesnetzagentur umfasst das Ladesäulenregister in Deutschland mit Stand vom 1. März 103.226 Normalladepunkte und 25.291 Schnellladepunkte. Somit könnten gleichzeitig insgesamt 4,52 Gigawatt Ladeleistung bereitgestellt werden. Das Ladenetz wird also weiter ausgebaut.

Allerdings offenbar langsamer als in der Vergangenheit. So berichtet die Wirtschaftswoche, auf Nachfrage habe die Bundesnetzagentur einen „Zubau von 3150 Ladepunkten“ in den ersten beiden Monaten des Jahres angegeben. Im Vorjahreszeitraum seien es noch 4333 gewesen. Damit lässt sich ein Rückgang des Zubaus um 27 Prozent feststellen. Zwar wachse zumindest die Ladeleistung im Vergleich zum Vorjahr, doch dies ist demnach auf den technischen Fortschritt zurückzuführen.

Ladesäulen für E-Autos in Deutschland: Verkaufszahlen gehen laut Unternehmen zurück

In dem Bericht kommen auch Führungskräfte aus der Branche zu Wort. So stellt Mitgeschäftsführer Julian Krümpel von „Kortmann Beton“ aus dem niedersächsischen Schüttorf fest: „Die Verkaufszahlen gehen runter, weil weniger Ladestationen gebaut und weil Planungen reduziert, verschoben oder ganz storniert werden.“ Der führende Lieferant von Ladesäulenfundamenten in der Bundesrepublik verzeichnet demnach einen Rückgang von 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2023.

Der Trend ist aber nicht nur in Deutschland spürbar. Die italienische Firma „Alpitronic“ als führender Schnellladesäulenhersteller in Europa sagte dem Magazin zufolge, die Produktion werde zeitnah zurückgefahren. Statt des geplanten Umsatzwachstums von 80 Prozent werde nur noch „mit zehn bis 20 Prozent“ kalkuliert. Mitgründer und CEO Philipp Senoner sieht für das zweite Halbjahr ein stabiles niedriges Niveau, dies gelte auch für 2025.

Leere Parkplätze vor E-Ladesäulen
Gähnende Leere: Hier warten zwei Ladesäulen auf Kundschaft. © IMAGO / Lobeca

Neue Ladestationen für E-Autos in Deutschland: Experte erwartet für 2024 nur halb so viele wie im Jahr 2023

Erwähnt werden auch zwei Insolvenzen: Im April traf es den australischen Schnellladesäulen-Hersteller „Tritium“, im Juli dann „EnerCharge“ aus Österreich. Als Grund für die geringere Nachfrage sieht Senoner den schleppenden Verkauf von E-Autos und den Umstand, dass die Betreiber wohl aus Furcht vor möglichen Lieferschwierigkeiten im Zuge des ersten Hypes Ladesäulen auf Vorrat angeschafft haben und diese nun verbauen, anstatt weitere Geräte zu kaufen.

Wulf Schlachter, CEO der Beratungsgesellschaft „DXBe“, schaut ebenfalls mit Sorge auf den abgekühlten E-Auto-Markt. Anhand der bisherigen Zahlen prognostiziert der Fachmann für dieses Jahr nur 16.000 neue Schnellladestationen – das wären rund halb so viele wie 2023.

Ein Problem sei auch, dass die in der Vergangenheit eilig aufgestellten Ladesäulen nur schwach ausgelastet seien. „Um rentabel zu sein, müsste es 16 bis 18 Ladevorgänge pro Schnellladesäule und Tag sein“, betont Schlachter. Anhand der vorliegenden Zahlen infolge der E-Auto-Krise geht er davon aus, dass es in der Realität nur fünf bis sechs Ladevorgänge pro Säule und Tag sind.

Deutschland und die Ladestationen für E-Autos: „Ausbau wird komplexer, teurer und daher auch langsamer“

Wie viel Arbeit insgesamt noch vor der Branche liegt, verdeutlicht der Wissenschaftler und Unternehmer Günther Schuh im Interview mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Die Zielgröße von einer Million öffentlicher Ladepunkte wird sich nur als ausreichend erweisen, wenn das Ziel von 15 Millionen rein batteriebetriebenen Fahrzeugen verfehlt wird“, hält der Mitbegründer des Elektro-Fahrzeugherstellers „Streetscooter“ fest: „Sollte dieses Ziel bis 2030 erreicht werden, wären eine Million öffentliche Ladepunkte zu wenig.“ Um Standzeiten zu verkürzen, plädiert er für „Schnell- oder sogar HPC-Ladepunkte“.

Bei einer weiteren Trendwende könnte auch das Start-up „Numbat“ aus Kempten helfen. Die Allgäuer kombinieren Batteriespeicher und Schnellladestation, sodass letztere weniger von der Qualität des Stromnetzes abhängig sind.

„Die Low hanging fruits sind größtenteils erschlossen – also Standorte, die einfach, schnell und wirtschaftlich attraktiv umsetzbar sind, beispielsweise durch einfachen und guten Netzanschluss, weniger Baumaßnahmen durch kurze Kabelwege“, zitiert die Wirtschaftswoche das Unternehmen. Es werde „komplexer, teurer und daher eben auch in der Geschwindigkeit des Ausbaus langsamer“, neue Standorte zu erschließen. Davon lassen sich die Entscheidungsträger aber nicht entmutigen. Auch wenn wohl noch viel Überzeugungsarbeit nötig ist, um manche Bürger vom heißgeliebten Verbrenner wegzulocken. (mg)

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