Finnland und Schweden schlagen Alarm: Durch russische Schattentanker-Flotte droht Ölpest in der Ostsee

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Wegen der Sanktionen des Westens schickt Russland sein Öl auf rostigen Schattentankern um die Welt. Nun warnen die Anrainerstaaten der Ostsee vor einer Ölpest und verstärken die Kontrollen.

Schweden und Finnland warnen immer lauter vor den Gefahren der Flotte rostiger Tanker, die jeden Tag an ihren Küstengewässern vorbeifährt, beladen mit russischem Erdöl. Russland scheine bereit zu sein, „ökologische Verwüstungen“ durch die seeuntüchtigen Tanker in Kauf zu nehmen, sagte der schwedische Außenminister Tobias Billström dem britischen Guardian. Billström forderte bei einem Besuch in London diese Woche neue Regeln zum Umgang mit den Tankern, sowie Mechanismen zu deren Durchsetzung. Ziel müsse sein, eine Umweltkatastrophe durch die russische Schattenflotte zu verhindern.

Auch der finnische Grenzschutz hatte vor wenigen Tagen vor einer Ölpest durch die Flotte sogenannter Geistertanker gewarnt. Demnach passieren jede Woche 70 dieser Schiffe mit je rund 100.000 Tonnen Rohöl an Bord den finnischen Meerbusen, nachdem sie in russischen Ostseehäfen wie Ust-Luga beladen wurden. Die Schiffe fahren an den Küsten Finnlands, Estlands, Schwedens und Dänemarks vorbei, bis sie das offene Meer erreichen. Rund die Hälfte der russischen Ölexporte nimmt laut Guardian die Route durch die Ostsee. Später wird die heikle Fracht vielfach auf See umgeladen – etwa im Mittelmeer südlich von Griechenland – um die Herkunft des Öls zu verschleiern.

Russland umgeht mit Schattentankern die Sanktionen des Westens

Konkrete Informationen über die Tanker haben die Ostsee-Anrainer kaum, da diese wegen der Sanktionen keine EU-Häfen anlaufen dürfen. Viele schalten zudem ihre Signale aus und sind daher nur schwer zu orten. Der finnische Grenzschutz hat die Überwachung des Durchfahrtsgebiets nach eigenen Angaben daher bereits verstärkt. Vor zwei Wochen besprachen zudem die Außenminister des Kooperationsforums „Nordisch-Baltische Acht“ (NB8) – Dänemark, Estland, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen und Schweden – bei einem Treffen auf der schwedischen Insel Gotland unter anderem die Frage, wie mit der maroden russischen Flotte umzugehen sei.

„Wir werden alle betroffen sein, wenn es ein größeres Problem durch eine Kollision oder einen Ölaustritt aus einem dieser Schiffe gibt“, so Billström in dem Interview. Schweden hat bereits damit begonnen, die militärische Präsenz auf Gotland zu verstärken, das strategisch günstig mitten in der Ostsee liegt. Seit dem Nato-Beitritt des Landes sind mit Ausnahme Russlands sämtliche Staaten an den Ostseeküsten Mitglied der Allianz.

Wegen Ukraine-Krieg: Dubiose Ölhändler und rostige Schiffe transportieren russisches Rohöl

Dennoch bahnen sich die Geisterschiffe ihren Weg im Auftrag Russlands durch das „Nato-Meer“, und ihre Fracht spült große Mengen Geld in die Kriegskasse von Präsident Wladimir Putin. Die Geisterflotte entstand, nachdem die EU und die G-7-Staaten infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 Versicherungen für russische Schiffe und ihr geladenes Rohöl verboten hatten, sofern der Preis für das Öl oberhalb ihres Ölpreisdeckels von 60 US-Dollar pro Barrel liegt. Daher finden sich kaum noch seriöse Reedereien oder Ölhändler, die russisches Öl anfassen. Stattdessen beobachten Ölhändler seit 2022 den Kauf Hunderter alter Tanker durch undurchsichtige oder ungenannte Käufer.

Die Ostsee-Anrainer warnen vor maroden Schattentankern, die sanktioniertes russisches Öl transportieren: Je älter sie werden, desto wahrscheinlicher wird ein Leck (mit KI generiertes Symbolbild) © M. Litzka/DALL·E (KI-generiert)

400 Öltanker seien seit Kriegsbeginn auf die „dunkle Seite“ übergegangen, meint Elisabeth Braw, Expertin für Grauzonentaktiken beim Atlantic Council. Das seien etwa 20 Prozent der gesamten weltweiten Tankerflotte, schreibt sie unter Berufung auf die Ölhandelsfirma Trafigura. Diese Tanker transportierten auch Öl für andere sanktionierte Staaten wie Iran oder Nordkorea. Sie alle seien mindestens 20 Jahre alt.

Eine immer größer werdende Flotte uralter Tanker fährt also durch die Weltmeere, um russisches Öl zu jenen transportieren, die es immer noch haben wollen. Also zum Beispiel nach Indien und China. Russlands Ölexporte nach Indien sind seit Kriegsbeginn rasant gestiegen. Und 2023 ist Russland auch für China zum größten Öllieferanten aufgestiegen. Chinesischen Zolldaten zufolge lieferte Moskau im vergangenen Jahr die Rekordmenge von 107 Millionen Tonnen Rohöl in die Volksrepublik. Russlands Vize-Ministerpräsident Alexander Nowak erklärte im Dezember, dass 2023 praktisch der gesamte russische Rohölexport nach China und Indien gegangen sei.

Alte Tanker sind fahrende Zeitbomben

Expertin Braw sieht diese Tanker als Inbegriff einer hybriden Kriegführung: eine staatlich gelenkten Aggression unterhalb der Schwelle zu bewaffneter militärischer Gewalt. Die Flotte richte Schaden an, den betroffene Länder kaum bestrafen könnten. Nach einem Bericht der Financial Times lehnen russische Schiffe in dänischen Gewässern inzwischen regelmäßig Lotsendienste ab, was die Gefahr von Unfällen erhöht. Blockieren kann Dänemark solche Schiffe nicht, ohne selbst gegen internationale Seeregeln zu verstoßen.

Die Eigner der Schattentanker verschleiern laut Elisabeth Braw ihre Identität durch komplexe Arrangements. Viele dieser „Reeder“ seien neu und hätten nicht einmal eine Adresse. Neue Tanker lohnten sie für sie nicht. Da die Schiffe außerhalb der etablierten Seefahrtsstrukturen operieren, würden sie auch nicht gewartet, so Braw. So sind die Tanker gewissermaßen eine fahrende Zeitbombe: Je älter sie werden, umso wahrscheinlicher werden Unfälle oder Öllecks. Es ist verständlich, dass die Ostsee-Staaten beunruhigt sind.

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