Machtapparat Vatikan: Der nächste Papst braucht das, was Merz nicht hat
Die Fakten am Morgen
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Kaum hatten Christen weltweit die Auferstehung Jesu zu Ostern gefeiert, da folgte ihm sein irdischer Stellvertreter Papst Franziskus, 88. Welch ein Timing.
Gläubige und pietätvolle Menschen trauern seither um den bescheidenen und warmherzigen Pontifex, einen „wahren Freund der Menschen“ (Merkel) und „Versöhner“ (Scholz) im „unermüdlichen Einsatz für die Schwächsten“ (Merz).
Respektlosere Stimmen mutmaßen dagegen, der Vatikan-Besuch von US-Vize J.D. Vance, nur Stunden zuvor, habe den Papst überzeugt, sich das alles nicht mehr anzutun. Längst blühen auch die Spekulationen um Franziskus’ Nachfolger. Der Machtapparat Vatikan ist nun einmal so spannend, dass das Gerangel ums nächste Bundeskabinett dagegen wie ein Kleintierzoo wirkt.
In Rom nimmt man auch keine Rücksicht auf lästigen Regionalproporz und Frauenquoten. Hier machen das in spätestens 20 Tagen 137 U-80-Kardinäle unter sich aus, ohne Zeitlimit, abgeschirmt in angenehmem Ambiente, unter Michelangelos Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle. Der nächste Papst braucht das, was Schwarz-Rot im Bundestag fehlt: eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Doch da Franziskus viele Kardinäle aus weit entfernten Ländern ernannte, die einander nicht besonders gut kennen, könnte die Wahl dieses Mal länger dauern.
Wer wird der Nachfolger von Papst Franziskus?
Die heißesten Kandidaten für den Heiligen Stuhl sind:
Pierbattista Pizzaballa, 60, Franziskaner aus der Nähe von Bergamo, Patriarch von Jerusalem und einer der Jüngsten. Das kann für ihn sprechen – und gegen ihn.
Matteo Zuppi, 69, Chef der italienischen Bischofskonferenz. Einflussreich und bestens vernetzt.
Péter Erdö, 72, Primas von Ungarn, Erzbischof von Esztergom-Budapest und konservativer Kritiker von Franziskus’ Reformen.
Luis Antonio Tagle, 67, Ex-Erzbischof von Manila, Pro-Präfekt im Vatikan. Falls ein Asiat zum Zuge kommt, dann er.
Fridolin Ambongo Besungu, 65, Erzbischof von Kinshasa. Konservativ. Könnte der erste Papst aus Afrika werden.
Raymond Burke, 76, Ex-Erzbischof von St. Louis, Hardliner, Erzfeind von Franziskus, Wunschkandidat von Donald Trump. Chancen: gering
Jean-Marc Aveline, 66, Erzbischof von Marseille. Volksnah, würde Franziskus’ Vermächtnis fortsetzen. Das sieht nicht jeder positiv.
Jean-Claude Hollerich, 66, Erzbischof von Luxemburg, Jesuit und einer der einflussreichsten Männer im Vatikan.
Der Favorit heißt jedoch: Pietro Parolin, 70, machtbewusster Kardinalstaatssekretär aus der Nähe von Venedig, seit mehr als einem Jahrzehnt die Nummer Zwei im Vatikan. Er leitet das Konklave.
Es gilt: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal raus
Doch auch hier gilt der Spruch: „Chi entra papa ner conclave, ne risorte cardinale“ („Wer als Papst ins Konklave hineingeht, kommt als Kardinal heraus“). Es kann Überraschungen geben.
Keine Überraschung war, dass Papst Franziskus mit seinen Reformbemühungen – allzu menschlich – hinter den Reformerwartungen an ihn zurückblieb, zumindest aus deutscher Sicht: „Der Unvollendete“ wird er posthum bereits genannt.
Die katholische Kirche (soweit ich das als Protestantin beurteilen kann) denkt allerdings in Jahrtausenden, nicht in den zwölf Amtsjahren des argentinischen Jesuiten im Vatikan.
Das Verdienst von Papst Franziskus in dieser Zeit ist alles andere als unvollendet: Ob im Fiat Punto oder mit Mexikaner-Hut – er vermittelte glaubwürdig die Volksnähe, Demut und Bescheidenheit, von der andere kirchliche Würdenträger nur reden.
Papst Franziskus fand gewiss nicht immer die richtigen Worte. Doch er lebte Mitgefühl. Für die Ausgegrenzten, die Kranken, die Machtlosen. Nicht nur sie werden ihn vermissen.
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