Abhängige Persönlichkeitsstörung: Symptome und Behandlung

Die abhängige Persönlichkeitsstörung (APS) ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die durch ein übermäßiges Bedürfnis nach Umsorgung und Unterstützung gekennzeichnet ist. Menschen mit APS neigen dazu, sich stark auf andere zu verlassen, um Entscheidungen zu treffen und alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Diese Abhängigkeit kann zu erheblichen Einschränkungen im täglichen Leben und zu Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen führen.

Ursachen der abhängigen Persönlichkeitsstörung

Die Ursachen der abhängigen Persönlichkeitsstörung sind vielschichtig und umfassen eine Kombination aus genetischen, biologischen, entwicklungsbezogenen und umweltbedingten Faktoren:

  1. Genetische und biologische Faktoren: Genetische Faktoren spielen eine Rolle bei der Entwicklung von APS. Menschen, die eine familiäre Vorbelastung mit Persönlichkeitsstörungen oder Angststörungen haben, weisen ein höheres Risiko auf, eine abhängige Persönlichkeitsstörung zu entwickeln. Biologische Anfälligkeiten, wie eine angeborene Tendenz zur Ängstlichkeit, können ebenfalls zu einer erhöhten Vulnerabilität beitragen.
  2. Entwicklungsbezogene Faktoren: Negative Kindheitserfahrungen, wie emotionale Vernachlässigung oder Misshandlung, können die Entwicklung abhängiger Persönlichkeitszüge begünstigen. Ein überbehütender oder autoritärer Erziehungsstil kann das Bedürfnis nach Eigenständigkeit unterdrücken und zur Entstehung von Trennungsängsten führen. Frühkindliche Traumata, wie der Verlust eines Elternteils durch Scheidung oder Tod, können ebenfalls tiefgreifende Ängste hervorrufen, die sich in einer abhängigen Persönlichkeitsstruktur manifestieren.
  3. Kulturelle und umweltbedingte Faktoren: Kulturelle Normen und familiäre Verhaltensmuster spielen ebenfalls eine Rolle bei der Entwicklung von APS. In Kulturen oder Familien, in denen Gehorsam und Abhängigkeit von Autoritätsfiguren betont werden, können sich abhängige Persönlichkeitszüge stärker ausprägen. Kinder, die in solchen Umfeldern aufwachsen, lernen möglicherweise, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zugunsten der Erwartungen anderer zu unterdrücken.

Symptome und Anzeichen der abhängigen Persönlichkeitsstörung

Menschen mit abhängiger Persönlichkeitsstörung zeigen ein breites Spektrum von Symptomen, die ihr tägliches Leben und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen erheblich beeinträchtigen. Typische Symptome umfassen:

  1. Übermäßiges Bedürfnis nach Unterstützung: Menschen mit APS haben Schwierigkeiten, alltägliche Entscheidungen ohne ein übermäßiges Maß an Beratung und Bestätigung von anderen zu treffen. Sie überlassen oft anderen die Verantwortung für wichtige Lebensbereiche und stellen sich selbst als hilfsbedürftig und inkompetent dar.
  2. Trennungsängste und Klammerverhalten: Betroffene haben eine ausgeprägte Angst davor, verlassen zu werden oder ohne Unterstützung zu sein. Sie zeigen ein starkes Klammerverhalten und gehen große Mühen ein, um die Beziehung und Unterstützung anderer zu sichern, selbst wenn dies bedeutet, unangenehme Aufgaben zu übernehmen oder Missbrauch zu tolerieren.
  3. Geringes Selbstvertrauen und Unsicherheit: Menschen mit APS betrachten sich selbst als minderwertig und zweifeln stark an ihren eigenen Fähigkeiten. Jede Form von Kritik oder Ablehnung wird als Bestätigung ihrer Unfähigkeit empfunden, was ihr Selbstwertgefühl weiter untergräbt.
  4. Schwierigkeiten bei der Selbstständigkeit: Betroffene vermeiden Aufgaben, die Eigeninitiative und Verantwortung erfordern, und haben Schwierigkeiten, Projekte selbstständig zu beginnen. Sie fühlen sich nur dann kompetent, wenn sie sicher sind, dass eine vertrauenswürdige Person sie beaufsichtigt und unterstützt.

Es wird geschätzt, dass etwa 1–2 % der Bevölkerung von einer abhängigen Persönlichkeitsstörung betroffen sind. Die Störung tritt bei Frauen und Männern etwa gleich häufig auf.

Diagnose der abhängigen Persönlichkeitsstörung

Die Diagnose einer abhängigen Persönlichkeitsstörung erfolgt in der Regel durch einen Psychiater oder Psychologen anhand der Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-5). Um eine Diagnose zu stellen, müssen mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein:

  1. Schwierigkeiten, alltägliche Entscheidungen ohne übermäßige Beratung und Bestätigung von anderen zu treffen.
  2. Bedarf, dass andere Personen die Verantwortung für die wichtigsten Lebensbereiche übernehmen.
  3. Schwierigkeiten, anderer Meinung zu sein, aus Angst, die Unterstützung oder Zustimmung zu verlieren.
  4. Schwierigkeiten, Projekte selbständig zu beginnen oder durchzuführen, aufgrund mangelnden Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten.
  5. Übermäßige Bemühungen, Unterstützung und Versorgung zu erhalten, bis hin zur Übernahme unangenehmer Aufgaben.
  6. Unwohlsein oder Hilflosigkeit, wenn allein, aufgrund übertriebener Ängste, nicht für sich selbst sorgen zu können.
  7. Dringende Notwendigkeit, nach dem Ende einer engen Beziehung sofort eine neue Beziehung einzugehen.
  8. Realitätsferne Beschäftigung mit der Angst, verlassen zu werden und für sich selbst sorgen zu müssen.

Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung

Die Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung umfasst in der Regel eine Kombination aus Psychotherapie und, in einigen Fällen, medikamentöser Unterstützung. Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) hat sich als besonders wirksam bei der Behandlung von APS erwiesen. Sie zielt darauf ab, das Selbstvertrauen und die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen zu stärken, ihre sozialen Kompetenzen zu verbessern und das abhängige Verhalten schrittweise zu reduzieren. Dabei werden neue Verhaltensmuster erlernt und verinnerlicht. Die psychodynamische Psychotherapie kann ebenfalls hilfreich sein, indem sie tief liegende Ängste und Konflikte aufdeckt und bearbeitet, die die abhängigen Verhaltensweisen aufrechterhalten.

Obwohl Medikamente die grundlegenden Probleme einer Persönlichkeitsstörung nicht lösen können, können sie bei begleitenden Symptomen wie Depressionen und Angstzuständen hilfreich sein. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) werden häufig zur Behandlung dieser Begleiterscheinungen eingesetzt.

Anhänglicher Persönlichkeitsstil und abhängige Persönlichkeitsstörung

Ein anhänglicher Persönlichkeitsstil ist durch eine starke Bindung an andere und den Wunsch nach engen, unterstützenden Beziehungen gekennzeichnet. Während ein anhänglicher Persönlichkeitsstil an sich nicht problematisch sein muss, kann er sich unter bestimmten Bedingungen zu einer abhängigen Persönlichkeitsstörung entwickeln. Ein anhänglicher Persönlichkeitsstil ähnelt einer abhängigen Persönlichkeitsstörung, ist jedoch weniger stark ausgeprägt. Menschen mit einem anhänglichen Persönlichkeitsstil sind oft sehr loyal und einfühlsam, haben jedoch tendenziell weniger Schwierigkeiten mit Eigenverantwortung und Unabhängigkeit. Durch die Förderung von Selbstvertrauen und Eigenständigkeit können Menschen mit einem anhänglichen Persönlichkeitsstil ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen, ohne in eine pathologische Abhängigkeit zu geraten.

Weitere Formen der Persönlichkeitsstörungen

Neben der abhängigen Persönlichkeitsstörung gibt es eine Vielzahl anderer Persönlichkeitsstörungen, die unterschiedliche Merkmale und Behandlungserfordernisse aufweisen. Dazu gehören unter anderem die zwanghafte, schizoide, histrionische, ängstlich-vermeidende, paranoide, dissoziale, schizotypische, narzisstische und Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung erfordert ein umfassendes Verständnis der zugrunde liegenden Ursachen und Symptome sowie eine individuell angepasste Therapie. Durch eine Kombination aus Psychotherapie und gegebenenfalls medikamentöser Unterstützung können Betroffene lernen, ihre Abhängigkeit zu überwinden, ihr Selbstvertrauen zu stärken und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung kann eine bedeutende Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden.

Ansprechpartner und Unterstützung

Betroffene und ihre Angehörigen können sich an verschiedene Anlaufstellen wenden, um Hilfe und Unterstützung bei der Diagnose und Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung zu erhalten. Zu den wichtigsten Ansprechpartnern gehören:

  1. Hausärzte und Psychiater: Für eine erste Einschätzung und Überweisung an Spezialisten.
  2. Psychotherapeuten: Für die Durchführung von Psychotherapie, insbesondere kognitiver Verhaltenstherapie und psychodynamischer Therapie.
  3. Spezialisierte Kliniken für Psychosomatik: Für umfassende Diagnostik und Therapieangebote.
  4. Selbsthilfegruppen: Für den Austausch mit anderen Betroffenen und die Stärkung sozialer Netzwerke.

Die Unterstützung durch Fachkräfte und das soziale Umfeld ist entscheidend, um den Behandlungserfolg zu fördern und den Betroffenen eine Rückkehr zu einem erfüllten, selbstbestimmten Leben zu ermöglichen.

Über Dr. med. univ. Matyas Galffy

Dr. med. univ. Matyas Galffy ist Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie Personzentrierter Psychotherapeut. Er studierte Humanmedizin und Klinische Neurowissenschaften an der Medizinischen Universität Innsbruck und absolvierte dort seine Facharztausbildung mit Schwerpunkt Psychosomatik. Neben einer Spezialisierung in fachspezifischer psychosomatischer Medizin hält der unter anderem Diplome in Palliativmedizin und spezieller Schmerztherapie. Zuletzt war er als ärztlicher Leiter der Spezialsprechstunde für Angst- und Zwangsstörungen an der Universitätsklinik Innsbruck tätig. Seither ist er als niedergelassener Arzt in Tirol und Niederösterreich tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Angststörungen, Schmerzstörungen und Psychotraumatologie.

Wichtiger Hinweis: Die hier bereitgestellten Informationen dienen nur zu allgemeinen Informationszwecken und ersetzen nicht die professionelle Beratung und Behandlung durch einen Arzt. Bei Verdacht auf ernsthafte gesundheitliche Probleme oder bei anhaltenden Beschwerden sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen.