Kolumne „Religion - Konflikt oder Frieden?“ - Nach Magdeburg startet der Kampf um Narrative: Doku zeigt, wie perfide er läuft

Antisemitismus und Islamhass nehmen seit einiger Zeit gleichermaßen zu. Allein im vergangenen Jahr haben sich Übergriffe und Anschläge auf Andersgläubige verdoppelt. Nach den Angriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 stehen sich seither Demonstranten beider Lager auch hierzulande feindselig gegenüber.

Die Dokumentation „Religion – Konflikt oder Frieden?“ von Susanne Bohlmann (ZDF-Mediathek) beweist, wie Unversöhnlichkeit und Missverständnisse die Fronten zwischen den Gläubigen zunehmend verhärten.

Jede Religion hat Dreck am Finger – und die deutschen Medien lügen?

Der Film im ZDF zeigt sehr gut, wie groß die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist. Wenn etwa in Berlin Menschen gegen Antisemitismus und wiederum andere für Palästina demonstrieren, muss die Polizei regelmäßig eingreifen. Ein Dialog scheint unmöglich. Es tönt deutlich Björn Höcke: „AfD – Nein zur Moschee!“ Es sagen Menschen auf der Straße: „Jede Religion hat Dreck am Finger.“ Allein in der Hauptstadt gibt es mehr als 250 verschiedene Weltanschauungen und Religionen. Und die Feindseligkeiten nehmen zu. Auch weil eine Pro-Palästina-Demonstrantin dreist behauptet: „90 Prozent der Medienberichte sind Lügen.“

Syrer, Islamist? Man hört, was man hören will

Interessant ist diese ZDF-Dokumentation auch im Hinblick auf den Attentäter von Magdeburg. Denn schnell wurde die Religion von Taleb A. politisch instrumentalisiert. Rechte und Rechtsextreme verbreiteten, der Täter stamme aus Syrien und sei während der Asylkrise 2015/2016 nach Deutschland gekommen. „Allahu Akbar“ habe der Täter bei seiner Festnahme gerufen, so die vermeintliche Tatsachenbehauptung.

Das Feindbild ist also schnell ausgemacht. Man hört, was man hören will. Dabei ist längst widerlegt, dass Taleb A. „Allahu Akbar“ gerufen hat. Im Gegenteil: Der Attentäter, als Muslim erzogen, soll aktiver Gegner des Islam gewesen sein. Öffentlich präsentierte er sich als Islamkritiker und sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ 2019: „Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte.“

AfD-Chefin Alice Weidel nennt Attentäter Islamisten – obwohl dies längst widerlegt ist

Taleb A. betrieb ein Forum für Asylfragen, hetzte zugleich in seinen Beiträgen gegen Deutschland. Ein wirrer Kopf. Der in London lehrende Terrorexperte Peter R. Neumann hält den Täter für einen Gefährder mit „gemischter, unklarer und instabiler Ideologie“. Auch eine Nähe zur AfD wird dem Saudi attestiert. Der Kampf um Narrative ist eröffnet. Und dass die AfD-Chefin wider besseren Wissens den Täter als „Islamisten“ bezeichnete, ist einfach nur billig und peinlich.

Ein Gotteshaus für alle – hilft das weiter?

In der Doku des ZDF sehen wir drei Vertreter ihrer Religionen, die sich an Verständigung versuchen: Ein Pfarrer, ein Imam und ein Rabbiner, Sohn von Holocaust-Überlebenden, wollen das „House of One“ bauen – entstehen sollen Synagoge, Kirche, Moschee und ein vierter Raum für Andersgläubige. Einmal im Monat laden die drei Männer schon jetzt auf der Baustelle zu einem Friedensgebet ein. Es ist ein Versuch zur Verständigung. Immerhin.