Putins „Space-Truppen“ in Kursk belächelt: „Als würde man mit einem Mikroskop Nägel einschlagen“

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Putin stellte „Space-Truppen“ aus Spezialisten auf und wirft sie nun der Kursk-Offensive entgegen. Russische Militärblogger äußern sich abschätzig und die Geschichte verheißt Verhängnisvolles.

Kursk – Russland sieht sich in der Region Kursk mit den ersten Gebietsverlusten im Ukraine-Krieg konfrontiert. Seit dem 6. August läuft dort eine ukrainische Offensive, die laut Präsident Selenskyj „Druck auf den Aggressor Russland ausüben“ und „den Krieg auf das Gebiet des Aggressors ausweiten“ soll. Hinzu kommt, dass die Ukraine eine Pufferzone schaffen will, um die angrenzende Region Sumy vor Artillerieangriffen zu schützen. Am Montag hätten seine Streitkräfte bereits „mehr als 1.250 Quadratkilometer Territorium des Feindes und 92 Ortschaften“ kontrolliert, so Selenskyj.

Wladimir Putin soll deswegen Truppen aus der Ukraine und der russischen Exklave Kaliningrad nach Kursk geschickt haben. Wie es scheint, sucht der Kremlherrscher aber Wege, der Front in Russland neue Kräfte zuzuführen, ohne seine Offensive im Donbass zu schwächen. Er ließ einen nicht-kämpfenden Truppenteil schröpfen, um ein motorisiertes Schützenregiment aus Angehörigen der russischen Luft- und Raumfahrtkräfte (VKS) aufzustellen, „Space-Truppen“ also. Ein historisches Vorbild zeigt die Gravität dieser Entscheidung, so albern sie klingen mag. Gleichzeitig halten russische Militärblogger mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg.

Ein russischer Soldat nimmt am 7. August 2024 an einer Gefechtsausbildung für Spezialisten der mechanisierten Infanterie und der Panzertruppen auf dem Gebiet der Höheren Panzerkommandoschule Kazan in der russischen Teilrepublik Tatarstan teil.
Dieser russische Soldat nimmt an einer Gefechtsausbildung für Spezialisten der mechanisierten Infanterie teil. Die „Space-Truppen“ haben sie wohl eher nicht erhalten. © IMAGO/SNA/Maxim Platonov

Russische Militärblogger spotten über Putins „Space-Truppen“ in Kursk

Fighterbomber, ein Telegram-Kanal, der Verbindungen zu den VKS hat, fragte sich, „warum sie sich selbst motorisierte Schützen nennen, wenn es hier keine Anzeichen für motorisierte Schützen gibt.“ Die Angehörigen des Regiments „flehen andere Einheiten um alles an, was ernsthafter als eine Kalaschnikow ist“, so Fighterbomber weiter. Deswegen handle es sich im Wesentlichen um ein einfaches Schützenregiment ohne fahrbaren Untersatz, geschweige denn schwere Waffen.

„Im Ernst, diese Nachricht verrät besser als alle militärischen Analysen, warum der Feind so leicht und so weit durchkommen konnte“, kommentierte RIA Katyusha, eine russische Online-Nachrichtenseite, die sich selbst als „patriotisches Internetmedium“ betitelt, die Aufstellung der „Space-Truppen“ auf Telegram.

Sender Stalingrad TV: „Als würde man mit einem Mikroskop Nägel einschlagen“

Vom russischen Sender Stalingrad TV, der nach eigenen Angaben von einer Gruppe Gleichgesinnter gegründet wurde, die den liberalen Kapitalismus des post-sowjetischen Russlands ablehnen, hieß es auf Telegram: „Was haben sich die Chefs dabei gedacht, als sie dieses motorisierte Schützenregiment aufstellten und das Flug- und Ingenieurpersonal als einfache Infanteristen in die Schlacht schickten? Das ist doch das Gleiche, als würde man mit einem Mikroskop Nägel einschlagen.“

Stalingrad TV spekulierte, dass dieser Schritt wegen der großen Verluste und des Mangels an Freiwilligen für den Vertragsdienst in der Armee getan worden sei. „Und der Kreml hat Angst vor einer neuen Mobilisierung, weil er eine scharfe negative Reaktion der russischen Gesellschaft befürchtet“, prognostizierten die russischen Kapitalismus-Gegner.

Diese Einschätzung teilt Tatiana Stanovaya, Senior Fellow am Carnegie Russia Eurasia Center und Gründerin der politischen Analysefirma R.Politik. Sie schrieb auf X (früher Twitter): „Truppen von der Hauptfront abzuziehen, würde bedeuten, in eine gut gestellte Falle zu tappen“, während „die Ankündigung einer dringenden Mobilisierung“ für Putin „zu einem Konflikt mit der Gesellschaft führen“ würde.

Historische Analogie: Die Luftwaffen-Felddivisionen Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg

Das britische Verteidigungsministerium bewertet die „Space-Truppen“ ähnlich wie Russlandexpertin Stanovaya. In seinem heutigen Defence Intelligence Update bezeichnet es insbesondere die Rekrutierung von Spezialisten, die zuvor an Frühwarnradaren und in schweren Langstreckenbomberregimentern dienten, als „Beweis für den anhaltenden Personalmangel.“ Indem man sie als Infanteristen einsetzte, würden sie „zudem missbräuchlich verwendet, was die russischen Fähigkeiten zur Rückeroberung des Gebiets Kursk beeinträchtigen könnte.“

Eine historische Analogie aus dem Zweiten Weltkrieg spricht für diese Analyse. Nachdem das Heer NS-Deutschlands bei der Gegenoffensive der Roten Armee im Winter 1941/42 horrende Verluste hatte hinnehmen müssen, befahl Adolf Hitler, 20 Luftwaffen-Felddivisionen aufzustellen. Sie bestanden aus Fliegern, Flugabwehrkanonen-Ausbildern sowie Angehörigen der Luftnachrichten- und der Luftwaffenbautruppe. Mannschaften und Offiziere waren bar jeder infanteristischen Erfahrung, schlecht ausgerüstet und erhielten nur eine Kurzausbildung. Folglich erlitten sie schwere Verluste.

Berichte der unabhängigen russischen Investigativplattform Important Stories deuten darauf hin, dass es auch Putins „Space-Truppen“ in der Region Kursk ähnlich ergeht. Zwar hätten am 7. August „eilig verlegte und schlecht ausgerüstete Kosmonauten“ einen ukrainischen Angriff auf Korenevo abgewehrt, so der Pro-Kriegs-Telegram-Kanal Operation Z. Wahrscheinlich seien die VKS-Schützen dann aber Teil eines Konvois gewesen, der in der Nacht zum 9. August Ziel einer HIMARS-Attacke wurde.

Ukrainische Gebirgsjäger „versuchen regelmäßig, Moskowiter in den Orbit zu schießen“

Jedenfalls sollten die „Space-Truppen“ hoffen, dass sie nicht auf die ukrainische 10. Gebirgsjägerbrigade „Edelweiß“ treffen, die sie wahrhaft in den Weltraum bringen möchte. Der Telegram-Kanal dieser Einheit postete jüngst ein Video von einem Luftschlag auf russische Ziele. Es zeigt, wie nach dem Einschlag ein nicht näher identifizierbares Objekt in hohem Bogen in die Luft katapultiert wird.

In der Aufnahme verweist ein ukrainischsprachiger Kommentar mit dem Hinweis „Orkflug in die Umlaufbahn“ auf das Objekt. Eingeblendet wird dann Elon Musk, der sich über das Gesehene zu freuen scheint, doch offensichtlich handelt es sich um eine Videomontage. Die Beschreibung des Edelweiß-Clips lautet: „Wir versuchen regelmäßig, Moskowiter in den Orbit zu schießen, um Elon Musks Satelliten zu warten. Dieses Mal war der Start erfolgreich!“ (MicKis)

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