Lars Klingbeil driftet gefährlich weit nach links – die Abrechnung steht kurz bevor
Montag: Lars Klingbeil spekuliert nach links
Innerhalb von 20 Minuten ist Lars Klingbeil weiter nach links gerutscht. Zu Beginn des Sommerinterviews im ZDF wurde er als Vorsitzender der SPD vorgestellt. Am Ende klang er wie ein Bewerber für die Links-Partei.
Er forderte höhere Steuern. Menschen mit hohem Einkommen und großen Vermögen müssten sich fragen, so polemisierte er, welchen Teil zur Gerechtigkeit in diesem Land sie beitragen. Als Finanzminister muss er die Antwort kennen. Das obere Zehntel der Steuerpflichtigen zahlt rund 56 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer.
Über den Missbrauch des Bürgergelds, über die unter seiner Amtsführung weiter wuchernde Bürokratie und krasse Fälle von Steuerverschwendung ließ er wenig verlauten. Anstatt Wähler in der Mitte zu suchen will er links fischen. Offenbar verstellt ihm der Blick auf den Medienerfolg der tätowierten Linksdemagogin die Sicht für die Realität.
In NRW wird sich der SPD-Chef nicht mehr herausreden können
Er hat mit nur 16,4 Prozent der Stimmen nicht nur das schlechteste Wahlergebnis seiner Partei zu verantworten. Er muss auch die miserabelsten Umfragewerte für die SPD zur Kenntnis nehmen. Die Meinungsforscher von Infratest und Forsa sehen die Klingbeil-Partei derzeit beide bei 13,0 Prozent.
Der Vorsitzende muss wissen, wohin seine Wähler geflohen sind. Als die Interviewerin fragte, was er tun wolle, um die vielen zur AfD gewechselten Wähler zurückzuholen, flüchtete Klingbeil in ein anderes Thema.
In vier Wochen wird er sich nicht mehr herausreden können. Am 14. September dürfen 13 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen ihre Stadt- und Gemeinderäte, Bürgermeister und Landräte wählen. Viele Mandatsträger zittern um ihre Posten. Die SPD beobachtet voller Sorge die Stimmung in ihren ehemaligen Hochburgen Duisburg und Gelsenkirchen. 25 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen.
Sie werden nach der örtlichen Situation urteilen, aber auch nach der Entwicklung in Berlin.

Dienstag: Was ist, wenn Merz ausfällt?
Kein Mitglied der Union wird sich mit Namen zitieren lassen. Ja, man wird sogar heftig dementieren. Aber wenn die Parteifreunde unter sich sind, in kleinen Zirkeln, dann reden sie darüber. Was ist, wenn Merz ausfällt? Wenn die Fraktion ihm nicht mehr folgt? Wenn er weiter so an Vertrauen verliert, dass er vielleicht hinschmeißt?
Dann muss ein neuer Kanzler her. Viele Hürden stehen im Weg. Im Bundestag muss ihn auch die SPD wählen. Vorher müssen sich CDU und CSU einigen.
Zwei Nachfolger stehen bereit. Zwei, die glauben, es besser zu können. Der Düsseldorfer Hendrik Wüst und der Bayer Markus Söder halten sich derzeit bedeckt, haben aber vor der Merz-Wahl schon Interesse signalisiert. Wüst hat mit der CDU die deutlich größere Truppe hinter sich, aber Söder ist populärer. Er kann auf Instagram 760.000 Follower vorweisen. Der weniger extrovertierte Wüst nur 65.000.
„Der Wüst geht ja mit den Grünen“
Im Politbarometer des ZDF, das die zehn wichtigsten Politiker misst, liegt Söder auf Platz sieben. Wüst kommt gar nicht vor.
Als ich vorige Woche bei einer Veranstaltung im Rhein-Main-Gebiet, also deutlich außerhalb von Bayern das Kanzlerthema anschnitt, hörte ich nur Stimmen für Söder. Einer sagte: „Der Wüst geht ja mit den Grünen.“
Einen Nachteil haben beide gemeinsam: Sie würden nicht der einflussreichen Unionsfraktion angehören. Dort kann Merz zur Abwehr von Nachfolgern noch Punkte sammeln. Auch als bald 70-Jähriger kann er noch dazu lernen.
FOCUS-Gründungschefredakteur Helmut Markwort war von 2018 bis 2023 FDP-Abgeordneter im Bayerischen Landtag.