Allgäuer Bauern protestieren gegen Sparpläne der Bundesregierung

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Auch in Mindelheim rollten am Montagabend zwischen 20 und 22 Uhr rund 300 Traktoren durch die Innenstadt. © Markus Putz

Mindelheim/Marktoberdorf – Gelbes Blinklicht, Traktordröhnen, Plakate und Hupen: Mit einem beeindruckenden Aufgebot protestierten Allgäuer Landwirte am Montagabend gegen die Sparpläne der Bundesregierung. 250 Traktoren und rund 600 Landwirte sammelten sich für eine Demo-Fahrt durchs Ostallgäu, in der Mindelheimer Innenstadt wurden etwa zeitgleich 300 Traktoren gezählt.

In einer spontanen Aktion zogen sie aus allen Himmelsrichtungen vor das Landratsamt in Marktoberdorf und dann gemeinsam auf den Festplatz nach Füssen, wo die Protestfahrt gegen 23 Uhr endete. Der Aktion, die Jung-Landwirt Tobias Guggemos aus Rückholz (Lkr. Ostallgäu) am selben Tag erst initiiert hatte, folgten rund 250 Traktoren und knapp 600 Menschen. Sie protestierten lautstark gegen die von der Ampel beschlossene Streichung der Agrardiesel-Hilfen und der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge.

„Wir haben beschlossen, auch im Süden der Republik ein Zeichen zu setzen“, sagt Tobias Guggemos unserer Zeitung. In Berlin demonstrierten zeitgleich fast 3.000 Traktoren. Der leidenschaftliche Jungbauer Guggemos betont, dass es ihm und seinen Mitstreitern nicht etwa um mehr Lohn für weniger Arbeit gehe. „Im Gegenteil, wir wollen die Arbeit, die wir lieben, weiterführen können.“ Es gehe um ihre Existenz in einem harten Wettbewerb. „Wir wollen der Bevölkerung zeigen, dass es uns unter den Nägeln brennt.“

Funke springt schnell über

Über die sozialen Medien verständigten sich die jungen Landwirte zur gemeinsamen Aktion und vereinbarten Treffpunkte. Der Aufruf zog in kürzester Zeit weite Kreise: Vor dem Landrats­amt war die Zahl der Traktoren auf mehr als 250 angewachsen, die umliegenden Parkplätze und die Schwabenstraße waren „dicht“, wie Polizeioberrat Edmund Martin, der den Einsatz leitete und den Tross begleitete, sagte. Der Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Füssen bekundete den protestierenden Bauern aber auch: „Die Versammlung lief laut und spektakulär, aber ohne besondere Vorkommnisse ab.“

Auch die Ostallgäuer Landrätin Maria Rita Zinnecker zeigte sich beeindruckt. „Der Boden in Marktoberdorf bebte regelrecht“, schildert sie gegenüber unserer Zeitung. Sie war von der Polizei über die Ankunft der Traktoren-Kolonne am Landratsamt informiert worden und sofort hingefahren. „Ich habe volles Verständnis für die Anliegen der jungen Landwirte“, sagt sie und fordert von der Bundesregierung, ihre Sparpläne zu überdenken. „Die Kürzungen aus heiterem Himmel lassen die Landwirte schlichtweg im Stich.“

Drohnenbild Landratsamt Marktoberdorf Traktoren
Der Boden soll gebebt haben. 250 Traktoren versammelten sich aus Protest in Marktoberdorf. © Guggemos/Kröger

Der Ostallgäuer Kreisobmann Andreas Schmid vom Bayerischen Bauernverband erfuhr auf seiner Rückreise von Berlin von der Traktor-Demo, die sich in langen Kolonnen nach Marktoberdorf und zurück in den südlichen Landkreis bewegte. „Ich ziehe meinen Hut vor den jungen Landwirten im Ostallgäu, die sich das nicht gefallen lassen wollen.“ Es stecke auch die Wut der Verzweiflung hinter der leidenschaftlichen Aktion, so Schmid.

Denn die Streichung der Treibstoff-Ausgleichszahlungen, die die Ampel mit dem jüngsten Haushaltskompromiss beschlossen hat, sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hätte. „Wir produzieren bereits am Limit“, so Schmid, „und bekommen von der Regierung einen Wettbewerbsnachteil nach dem anderen auferlegt.“ Der Kreisobmann der Ostallgäuer Bauern gibt sich wie Tobias Guggemos kämpferisch. „Diese Proteste waren nur der Anfang.“ Sollte die Bundesregierung ihr Steuerpaket für die Landwirtschaft nicht komplett zurücknehmen, erwartet Schmid einen „heißen Januar“.

Sternfahrt nach Mindelheim

Auch die Mindelheimer Innenstadt war am Montag von Traktoren gesäumt. „Keiner soll vergessen: Bauern sorgen für das Essen“ war unter anderem auf einem Schild zu lesen. Die Teilnehmer hätten sich mit ihren Traktoren erst in den Dörfern rund um Mindelheim getroffen und sich vor Ort mit der Bevölkerung unterhalten, wie Landwirt Andreas Magg aus Sontheim erklärt. Anschließend hätte sich aus der Situation heraus die Sternfahrt nach Mindelheim ergeben, an der circa 300 Traktoren beteiligt waren, so Magg.

Demonstration Sternfahrt Landwirte Mindelheim
Die Innenstadt von Traktoren gesäumt: Die Teilnehmer waren in Mindelheim mit circa 300 Traktoren vor Ort. © Wiethaler

Mit dabei war in Mindelheim auch die bekannte Landwirtschafts-Influencerin Theresa Diesel, die auf einem Hof in der Nähe der Kreisstadt tätig ist. Nach der Stimmung während der Bauern-Demo gefragt, antwortet sie: „Man hat schon deutlich gemerkt, dass es jeden nervt, dass jetzt schon wieder eine neue Auflage kommt. Wir Landwirte halten uns an alles, aber es kommen immer mehr und mehr Auflagen dazu.“ Als Beispiele nennt die Unterallgäuerin unter anderem die Tierhaltungskennzeichnung und die Mindestlohnanhebung.

Theresa Diesel
„Man muss sich nicht alles gefallen lassen“, findet Landwirtschafts-Influencerin Theresa Diesel. © privat

Ob die bundesweiten Demos den Bock noch umstoßen können, und die Bundesregierung den Forderungen der Bauern Gehör schenkt? „Es wird schwierig. Aber ich hoffe natürlich, dass sich die Mühen der vielen Landwirte im Allgäu und auch in Berlin lohnen, denn man muss sich nicht alles gefallen lassen“, sagt die junge Landwirtin deutlich. Sie selbst hat ihre Instagram-Plattform mit rund 111.000 Followern übrigens noch nicht genutzt, um dem Thema eine zusätzliche Bühne zu geben, meint aber: „Ich könnte einen Aufruf starten, ja!“

Das sagt die Politik

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) betonte, er werde für die Bauern weiterhin kämpfen und habe in der Regierung bereits vor einer Überforderung der Landwirte gewarnt. Dennoch musste sich der Minister in Berlin Pfiffe und „Ampel weg“-Rufe gefallen lassen.

Ins Horn der Demonstranten stößt auch der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke (CSU), der Özdemir als „Totalausfall für unsere Landwirte“ und die Regierung als „Totengräber für die bäuerliche Landwirtschaft“ bezeichnete. Stracke erklärt: „Die von der Ampel beabsichtigte Streichung der Steuervergünstigungen trifft unsere Landwirte mit einem Betrag von fast 900 Millionen Euro pro Jahr und ist damit der größte finanzielle und politische Einschnitt, den die Landwirtschaft je erfahren musste.“ Das führe zu massiven Einkommensverlusten auf den Höfen, gefährde die Wettbewerbsfähigkeit und bringe Preissteigerungen bei Lebensmitteln mit sich, schlussfolgert der CSU-Abgeordnete. Er will sich mit seiner Fraktion dafür einsetzen, die Streichungen der Ampel rückgängig zu machen.

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