Vor Haushaltsbeschluss warnen Ökonomen erneut: Ampel setzt Wohlstand aufs Spiel
Am Freitag soll endlich der Bundeshaushalt 2024 beschlossen werden. Ökonomen und Gewerkschaften plädieren noch ein letztes Mal für eine Reform der Schuldenbremse.
Berlin – Kurz vor dem geplanten Beschluss des Bundeshaushalts 2024 hat sich die Vorsitzende der sogenannten „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, klar für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen, damit nötige Investitionen in die Transformation der Wirtschaft getätigt werden könnten. Der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) sagte Schnitzer: „Ich kann der Regierung nur empfehlen, sich in der Koalition darauf zu verständigen und gemeinsam mit der Opposition eine Reform anzugehen. Die Spielräume sind unnötig klein, das bremst wichtige Zukunftsinvestitionen aus.“
Das werde auch eine nächste Regierung betreffen, warnte Schnitzer. „Wir können nicht wegen der Schuldenbremse auf notwendige Investitionen verzichten.“
Schnitzer: Reform der Schuldenbremse, keine Abschaffung
Die Wirtschaftsweise hat sich in den vergangenen Wochen schon mehrmals kritisch zu den Plänen der Ampel-Koalition geäußert. Gleich zu Jahresbeginn erneuerte sie ihre Forderung, die Mütterrente abzuschaffen, um damit Geld für wichtige Investitionen freizumachen. „Die Mütterrente, die 2014 für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern eingeführt wurde, kostet uns jedes Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag. Die hat keine Lenkungsfunktion“, so Schnitzer im Gespräch mit Focus. „Das war ein reines Wahlgeschenk“, sagt sie weiter.
Schnitzer stellte jetzt in der NOZ klar, dass es ihr nicht um die Abschaffung der Regelung geht, die die Kreditaufnahme der Regierung zu normalen Zeiten auf ein Minimum begrenzt. „Wir schlagen eine Flexibilisierung der Schuldenbremse vor, nicht ihre Abschaffung. Wenn wir die Schuldenbremse jetzt in der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten rigiden Form beibehalten, würde unsere Schuldenstandsquote, auch wenn wir immer wieder Notlagen hätten, in den nächsten Jahrzehnten auf 40 Prozent sinken. Das ist im Sinne der Schuldentragfähigkeit aber gar nicht notwendig und kann sogar schädlich sein, weil es staatliche Investitionen in die Zukunft ausbremst.“ Der Staat beschneide sich hier „ohne Not seiner Handlungsfähigkeit“.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hatte die Reformvorschläge diese Woche vorgestellt. Bei der Haushaltsdebatte im Bundestag hatten Union und FDP den Plänen nun eine Absage erteilt
Schnitzer: Klimaschädliche Subventionen müssten abgeschafft werden
Zudem sieht Monika Schnitzer im Bundeshaushalt 2024 zu wenig Bemühungen, klimaschädliche Subventionen abzubauen. „Man hat sich nicht getraut, grundsätzlich an klimaschädliche Subventionen ranzugehen. Dann hätte man aber nicht nur die Landwirte getroffen, die sich jetzt ungerecht behandelt fühlen, sondern hätte die Belastungen breiter verteilen können.“ Die Politik müsse „stärker aufzeigen, was passiert, wenn die Veränderungen für Klimaschutz nicht beschlossen werden“.
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„Wenn man klarmacht, dass es ohne den Ausbau der Erneuerbaren manche Industrien nicht mehr geben wird und viele Arbeitsplätze daran hängen, kann man Verständnis wecken. Es ist ein Fehler zu glauben, man könnte den heutigen Wohlstand halten, ohne auf irgendetwas zu verzichten und Veränderungen zuzulassen“, so die Ökonomin in der NOZ.
Reform der Schuldenbremse auf breiter Front gefordert
Schnitzer gehört zu einer Reihe Wirtschaftsvertretern, die sich zunehmend stark für eine Reform der Schuldenbremse einsetzten, damit wichtige Investitionen nicht liegenbleiben. Ebenfalls in dieser Woche haben sich Naturschützer und Industrievertreter in einer gemeinsamen Pressemitteilung klar positioniert: „Wichtige Vorhaben mussten gekürzt oder auf Eis gelegt werden, Investitionen in die Transformation werden gegen sozialen Ausgleich ausgespielt“, so das Bündnis.
„Dadurch wird die Unsicherheit bei Unternehmen wie Haushalten weiter verstärkt und dringende Investitionen in die Klimaneutralität – vor allem auch in den energieintensiven Industrien – werden nicht getätigt. Unterm Strich werden so Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und gute Arbeitsplätze, das Erreichen der Klimaschutzziele und der gesellschaftliche Zusammenhalt gleichermaßen aufs Spiel gesetzt.“
Das Bündnis fordert sowohl von der Ampel-Regierung als auch von der Opposition einen sachlichen Austausch, um an Lösungen zu arbeiten und Optionen wie „eine Reform der Schuldenbremse, ein Sondervermögen für Klimaschutz und die Stärkung der Einnahmenseite vorurteilsfrei zu prüfen“.
IWF-Chefökonom rät Deutschland zur Abschaffung der Schuldenbremse
Und auch international stößt die Sturheit, mit der Deutschland auf die Schuldenbremse beharrt, immer mehr auf Kopfschütteln. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Deutschland zu einer Lockerung der Schuldenbremse aufgerufen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. „Deutschland zahlt den Preis für seine sehr harte Schuldenbremse“, sagte IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas in einem Interview mit dem Handelsblatt und drei weiteren europäischen Zeitungen. Die Bundesrepublik befinde sich in einer anderen Lage als einige seiner europäischen Partner. „Der deutsche Schuldenstand ist völlig unter Kontrolle“, sagte Gourinchas.
Zugleich erhöhe sich der strukturelle Ausgabenbedarf etwa beim Klimaschutz, der Verteidigungspolitik oder der Energieunabhängigkeit, sagte der Ökonom. „Die beste Lösung wäre eine Lockerung dieser verfassungsrechtlichen Regelung“, empfahl er mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.