Neuer „Pflichtbeitrag“ soll Rente retten: Merz macht radikalen Vorschlag – „verkennt die Lebensrealität“
Ein neuer Pflichtbeitrag soll Bundeskanzler Merz zufolge als Stütze für das wackelnde Rentensystem dienen. Sein Vorstoß bleibt nicht ohne Gegenwind.
München – Ein Pflichtbeitrag zur privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge: Mit diesem Vorstoß will Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) den angekündigten „Herbst der Reformen“ sichtbar machen. In der ARD-Sendung Caren Miosga vom 5. Oktober warb er für eine zusätzliche Säule neben der gesetzlichen Rente. Das Ziel sei eine langfristig verlässlichere Finanzierung der Altersversorgung. Der Vorschlag gilt als schon jetzt umstritten, auch vor dem Hintergrund verhaltener Umfragewerte.
Bereits im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD wurden umfassende Sozialreformen angekündigt. Eine der größten Baustellen ist die Rente. So ist zu lesen: „Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen.“ Dafür herhalten, müssen offenbar die Bürger, wie Merz in der Sendung verlauten ließ: „Unsere Bevölkerung wird für Rente, für Altersversorgung, für die Gesundheit und für die Pflege in Zukunft mehr vom verfügbaren Einkommen aufwenden müssen.“
Pflichtbeitrag soll Rente reformieren – das sind die Forderungen von Merz
Merz zufolge müsse es „gerecht zugehen“. Die Bevölkerung müsse das Gefühl haben, dass alle daran mitwirken. Auf Nachfrage von Miosga, ob das höhere Beträge bedeuten, antwortete der Kanzler, dass man von den Menschen künftig abverlangen könne, mehr für ihre private Altersversorgung zu tun als heute. „Ich bin persönlich ein Befürworter eines Pflichtbeitrages in eine private, kapitalgedeckte Altersversorgung.“ Sparer sollen also Kapital aufbauen und damit ihre Rente finanzieren.
ARD-Moderatorin Misosga hakte nach: „Pflichtbeitrag ist nichts anderes als Beitragserhöhung, oder?“ Der CDU-Politiker verneinte. Es handle sich dabei lediglich um einen Beitrag für die eigene Altersversorgung. Viele junge Leute hätten längst die Chancen des Kapitalmarktes erkannt. „Auf diesem Weg müssen wir weitergehen“, appellierte Merz. Wenn es nach den Sozialverbänden VdK und SoVD geht, sollte die schwarz-rote Koalition auf diesem Weg allerdings schleunigst wieder kehrtmachen. Anders: Merz verirrt sich gerade.
„Verkennt die Lebensrealität“: Sozialverbände kritisieren Renten-Vorstoß von Merz
Beide Sozialverbände lehnen den von Merz vorgeschlagenen Pflichtbeitrag entschlossen ab. Das Geld solle besser in die gesetzliche Rente investiert werden, auch unter Einbeziehung der Arbeitgeber, rät Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland SoVD, auf Anfrage von IPPEN.MEDIA und führt aus: „Der Bundeskanzler sagt dagegen richtigerweise, dass wir für die Rente perspektivisch mehr Geld ausgeben müssen und dass dies ‚gerecht zugehen‘ müsse. Dem können wir nur zustimmen. Die Altersvorsorge in einer alternden Gesellschaft wird mehr Geld kosten.“
Es sei jedoch fraglich, ob es wirklich gerechter ist, wenn alle verpflichtet werden, privat vorzusorgen – ohne die Beteiligung der Arbeitgeberseite, wie es in der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist, meint Engelmeier. Aus Sicht des SoVD sei es gerechter, alle Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen – „ein solidarisches, krisenbewährtes und solide finanziertes System“. Diesen Vorschlag hatte SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas auch schon unterbreitet.
Eine ähnliche Haltung vertritt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland. Sie fordert gegenüber unserer Redaktion, dass Wohlhabende „mehr Solidarität zeigen“. Es werde häufig der Anschein erweckt, dass mehr Eigenverantwortung ganz einfach umsetzbar sei. „Doch für viele Menschen ist das schlichtweg nicht realistisch. Die Forderung nach einem neuen Pflichtbeitrag für eine private, kapitalgedeckte Altersversorgung verkennt die Lebensrealität zahlreicher Bürgerinnen und Bürger, die dafür schlichtweg kein Geld übrighaben, wenn alle Rechnungen bezahlt sind.“
Rente muss gerettet werden – aber laut Merz nicht durch höheres Eintrittsalter
Merz spricht sich schon länger für eine kapitalgedeckte private Altersvorsorge aus. Unter Einführung der Frühstart-Rente will er junge Menschen an den Kapitalmarkt heranführen, damit diese später ein finanzielles Polster haben. Konkret soll jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr ab dem 1. Januar 2026 pro Monat zehn Euro vom deutschen Staat bekommen. Dieses Geld soll in ein „individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot“ fließen.
Auch auf den Vorschlag, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, kommt Merz in der ARD-Sendung zu sprechen. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus lehnt er entgegen dem Vorschlag von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ab. Stattdessen müsse versucht werden, die gesamte Arbeitszeit im Lauf des Lebens der Bürger zu steigern. Um das zu erreichen, wird in Kürze auch das Bürgergeld reformiert. (Quellen: ARD, dpa, IPPEN.MEDIA, Koalitionsvertrag) (cln)