AfD rutscht in Thüringen-Umfrage ab – doch Regieren geht wohl nur mit Höcke oder Wagenknecht

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Die AfD büßt Umfrage-Punkte in Thüringen ein. Eine gute Nachricht? Nur bedingt. Die Regierungsbildung dürfte zum Drama werden.

Erfurt – Die Sorgen vor den Landtagswahlen im Osten sind groß – doch aus Thüringen kommen nun überraschende Signale: Die AfD ist in einer aktuellen Umfrage stark abgerutscht. Die Rechtspopulisten aus Björn Höckes als gesichert rechtsextrem eingestuften Landesverband sind der Erhebung zufolge allerdings immer noch stärkste Kraft.

Der am Mittwoch (20. März) veröffentlichte „Thüringen-Trend“ im Auftrag des MDR sieht die AfD bei 29 Prozent. Das bedeutet neun Prozentpunkte mehr als die CDU auf Rang zwei – aber auch satte fünf Prozentpunkte Rückgang gegenüber der Vorbefragung. Die stammte aus dem Juli 2023.

Thüringen-Umfrage zeigt Dilemma: AfD verliert – aber Wagenknechts BSW schnellt in die Höhe

Ähnlich stark rutscht die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow ab: Sie rangiert laut der Umfrage des Instituts infratest dimap nun bei 16 Prozent, das sind vier Prozentpunkte weniger als im vergangenen Sommer. Die CDU liegt bei 20 Prozent (-1). In den Reigen der Verlierer reiht sich unter dem Strich auch die FDP ein: Die Parteifreunde von Kurzzeit-Regierungschef Thomas Kemmerich wären mit weniger als drei Prozent nicht mehr im Thüringer Landtag vertreten.

Eine Umfrage dürfte Bodo Ramelow neue Kopfschmerzen bereiten – Mehrheiten ohne Björn Höckes AfD oder Sahra Wagenknecht scheinen schwer zu erreichen. © Montage: Imago/picture-alliance/dpa/Funke Foto Services/Martin Schutt/Bernd Elmenthaler/Sascha Fromm/fn

Die Grünen balancieren mit unverändert 5 Prozent ebenfalls an der Kante zur außerparlamentarischen Opposition, die SPD hält sich bei 9 Prozent (-1). Die große Gewinnerin der MDR-Umfrage ist eine andere: Sahra Wagenknechts neues BSW landet in der Sonntagsfrage bei 15 Prozent. Indizien für einen solchen BSW-Umfrage-Raketenstart gab es schon zuvor. Die Ergebnisse werfen einige Frage auf – und zeigen die eine oder andere Paradoxie.

Ramelow blühen in Thüringen Probleme: Rot-Rot-Grün bräuchte CDU – oder Wagenknecht?

So blicken die Thüringer laut infratest dimap mit außergewöhnlichem Unmut auf ihre Landesregierung: Nur 35 Prozent der Befragten sind mit deren Leistung zufrieden – dem Bericht zufolge ein historischer Tiefstwert für Ramelows Rot-Rot-Grün. Zugleich würden bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten 44 Prozent für Amtsinhaber Ramelow votieren. Höcke kommt auf 16 Prozent. Das ist einerseits ein beachtlich niedriger Wert, verglichen mit dem Umfrageergebnis der AfD. Andererseits sind das aber auch sieben Prozentpunkte mehr als im Juli 2023.

infratest dimap Insa Ergebnis 2019
AfD 29 (-5) 31 (-) 23,4
CDU 20 (-1) 21 (+1) 21,8
Linke 16 (-4) 18 (+3) 31,0
BSW 15 (+15) 13 (-4) -
SPD 9 (-1) 6 (-) 8,2
Grüne 5 (-) 5 (-) 5,2
FDP < 3 2 (-1) 5,0
Sonstige 6 3 (-) 5,4

Eine Erklärung für diese Daten ist die desolate Situation der Erfurter Landesregierung: Rot-Rot-Grün hat keine eigene Mehrheit. Die Koalition braucht für eigene Vorhaben die Unterstützung der CDU, die sich aber äußerst widerwillig zeigt. Andere Mehrheiten gäbe es nur mit der AfD. Die FDP-Fraktion in Thüringen hat sich längst zerlegt.

Die Umfrage verspricht zugleich für all diese Probleme keine Lösung. Linke, SPD und Grüne sind mit zusammengerechnet 30 Prozent weit von einer Mehrheit entfernt. 2019 rangierte das Bündnis noch bei 44,4 Prozent. Seither hat vor allem die Linke stark eingebüßt. Eine Regierungsmehrheit wäre nun noch zusammen mit der CDU rechnerisch machbar – aber die Konservativen um Spitzenkandidat Mario Voigt wären für solch ein Bündnis der verbliebenen „traditionellen“ Landtagsparteien ohnehin nicht zu haben.

Thüringens Landtags-Notstand: Keine Mehrheit ohne AfD, Wagenknecht, Linke

Die Problematik lässt sich leicht erfassen: Der aktuellen Umfrage zufolge würden AfD und das Wagenknecht-Bündnis in Thüringen zusammen auf 44 Prozent kommen, die sonstigen Parteien (darunter die FDP) auf weitere 6 Prozent. Das heißt: Eine stabile Regierung jenseits des unrealistischen rot-rot-grün-schwarzen Bündnisses gäbe es nur mit Höckes rechtsextremer Landes-AfD oder Sahra Wagenknecht.

Ein Bündnis mit der AfD hat auch die CDU offiziell ausgeschlossen. Der frühere Fraktionsvorsitzende Mike Mohring sagte zuletzt im ZDF-Talk „Markus Lanz“ allerdings auch, man könne „den 60 Prozent“ nicht erzählen, man wolle „nicht mit ihnen reden“. Gemeint waren wohl AfD- und BSW-Wähler. Voigt erklärte im Februar bei IPPEN.MEDIA, angesichts des noch nicht feststehenden Wagenknecht-Programms könne er „noch nicht handfest“ beantworten, ob ein Bündnis mit dem BSW denkbar sei. Wagenknecht zeigte sich offen für Gespräche mit der CDU.

Allerdings: Auch diese beiden Parteien hätte nach aktuellem Umfragestand keine Landtagsmehrheit in Thüringen. Wer mitgehen könnte: Unklar.

Thüringen vor der Landtagswahl: Noch nicht einmal Notmaßnahmen gelingen

Eine erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Umfrage des nicht ganz unumstrittenen Instituts Insa zeichnete kein einfacheres Bild. BSW und AfD kamen hier zusammen ebenfalls auf 44 Prozent, allerdings mit Abweichungen zugunsten der AfD. Eine der wenigen denkbaren Lösungen könnte eine Minderheitsregierung sein, die mit dem BSW zusammenarbeitet. Auch eine Mehrheit für diese Konstellation scheint aber nicht sicher gegeben. Aktuell schiene eine solche für ein Bündnis aus CDU, Grüne, SPD und Wagenknecht greifbar.

Die politische Situation scheint verfahren: Im Sommer 2021 gab es nicht mal eine Mehrheit für eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Zuletzt sah es sogar aus, als würden die demokratischen Parteien daran scheitern, Thüringens Verfassung „wetterfest“ zu machen. Sogar die Amtszeitverlängerung für eine stellvertretende Verfassungsrichterin scheiterte – es gibt die Befürchtung, dass die AfD mit einer Ein-Drittel-Sperrminorität das Gericht handlungsunfähig macht. Keine Rolle spielt in den Umfragen übrigens Hans-Georg Maaßens „Werteunion“ – Insa taxierte sie auf 1 Prozent. (fn)

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