Nach Republikaner-Vorbild: Orbán will Asylsuchende nach Brüssel schicken
Orbáns rechte Hand droht der EU, Asylsuchende nach Brüssel zu schicken. Das erinnert an eine Episode der US-Politik. Ungarns Regierung bricht seit Jahren systematisch Menschenrechte.
Budapest – Die Regierung von des ungarischen Autokraten Viktor Orbán droht der EU-Kommission, Asylsuchende als Schachfiguren zu missbrauchen. Orbáns Staatskanzleichef Gergely Gulyás kündigte am Donnerstag (22. August) auf einer Pressekonferenz an, dass seine Regierung alle Asylsuchenden, die in Ungarn aufgegriffen werden, „ohne Rückfahrticket“ nach Brüssel schicken werde. Der angekündigte Schritt erinnert an das Vorgehen republikanischer Gouverneure aus den USA. Und Ungarn würde damit erneut gegen europäisches Recht verstoßen. Ungarn hat bis Jahresende den EU-Ratsvorsitz inne.

Nach Urteil von EU-Gericht gegen Ungarn: Orbáns rechte Hand will Asylsuchende nach Brüssel schicken
„Wenn Brüssel Migranten haben will, sollen sie sie haben“, sagte Gulyás, der als Orbáns rechte Hand und Co-Autor der 2011 verabschiedeten autokratischen Verfassung gilt. Gulyás erklärte, der Schritt sei eine Reaktion auf den Plan der EU-Kommission, fixe Verteilungsschlüssel für Geflüchtete als Teil der gemeinsamen EU-Asylpolitik zu schaffen. Dieser ist allerdings eine Chimäre. Einen fixen Verteilungsschlüssel gibt es nicht, unter anderem weil Ungarn und Polen ihn verweigerten. Stattdessen sollen Staaten sich von ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung, Menschen aufzunehmen, freikaufen können.
Ebenso sei die Ankündigung eine Reaktion auf ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union, erklärte Gulyás. Das Gericht urteilte im Juni, dass Ungarns Abschottungspolitik illegal ist und ein Zwangsgeld von 200 Millionen Euro zuzüglich einer Million pro Tag, an dem Ungarn keine Asylanträge annimmt, verhängte.
In Ungarn gibt es kein Asylrecht – stattdessen systematische Gewalt an EU-Außengrenze
Der Europäische Gerichtshof (EuGH)und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilten zuvor bereits, dass Ungarns, teils paramilitärische, Grenzschutzeinheiten Fliehende seit 2016 systematisch über die EU-Außengrenze zurückprügeln, ausrauben und teils schwerst misshandeln. Das völkerrechtswidrige Zurückweisen legalisierte Ungarns Regierung 2016. Seit 2020 betrachtet der EuGH, die Transitzonen, in denen Einzelpersonen manchmal Asyl beantragen durften, als Gefängnisse.
Inzwischen sind diese Einrichtungen, zwei winzige umzäunte Containerdörfer im Grenzgebiet zu Serbien auch geschlossen und an der serbischen Grenze kann kein Asyl mehr beantragt werden. Trotzdem versuchen immer wieder Menschen über Ungarn nach Westeuropa zu gelangen.
Orbán regiert seit 2020 per Dekret – FRONTEX zog wegen Menschenrechtslage aus Ungarn ab
Die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX, der ebenfalls schwerste Menschenrechtsverletzungen nachgesagt werden, zog sich 2021 aus Ungarn zurück, da die Liste der Urteile gegen Ungarns Politik zu lang wurde.
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Einige EU-Staaten, darunter Deutschland und Österreich, unterstützten Ungarn allerdings mit Polizeikooperationen weiter beim Unterbinden „unerlaubte Binnenmigration“, wie es in einer Antwort der deutschen Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken Ende 2021 bezeichnet wurde. Seit der Corona-Krise 2020 regiert Orbán per Dekret, ausgestattet mit weitreichenden Notstandsvollmachten.
Orbáns Vorbild? Republikanische Gouverneure schickten Asylsuchende in Großstädte
Der neuerliche Plan der Orbán-Regierung erinnert an eine Aktion der republikanischen Gouverneure der US-Bundesstaaten Florida und Texas: Ron DeSantis und Greg Abbott schickten 2022 Hunderte Asylsuchende aus ihren Staaten in von Demokraten regierte Städte. Sie wollten so beweisen, dass Liberale „scheinheilig“ wären.
Innerhalb des EU-Asylsystems dürfte das illegal sein, da es einen Verstoß gegen die Dublin-III-Verordnung darstellt, wonach grundsätzlich der erste EU-Staat, in dem Menschen ankommen, für die Abwicklung des Asylverfahrens und die Versorgung der Menschen zuständig ist.
Seit EU-Wahl: Orbán erstmals seit 2011 unter innenpolitischen Druck
Die Orbáns Fidesz-Partei steht seit der EU-Wahl erstmals seit über einem Jahrzehnt wieder unter einem gewissen innenpolitischen Druck: Péter Magyar, ehemaliger Fidesz-Günstling und Ehemann von Ex-Justizministerin Judit Varga, holte mit einer konservativen Anti-Korruptionspartei aus dem Stand mehr als 30 Prozent.
In diesem Lichte ist wohl auch die neuerliche Radikalisierung gegen Geflüchtete zu betrachten. Bereits am Mittwoch (21. August) entzog die Regierung per Dekret Menschen, die aus, „nicht von Kampfhandlungen betroffenen“ Gebieten der Ukraine, geflohen sind, die staatliche Unterstützung. (kb)