Rechtspolitischer Sprecher der Union über Asylbewerber: „Müssen zuallererst falsche Anreize beseitigen“

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In einem Gastbeitrag fordert der rechtspolitischer Sprecher der Union Asylbewerber in der EU nach britischem Vorbild nach Ruanda abschieben zu können.

Die britische Regierung will Migranten, die irregulär einreisen, keine Gelegenheit mehr geben, einen Asylantrag zu stellen. Stattdessen sollen sie in einen Drittstaat wie Ruanda abgeschoben werden können. Ein Deal sieht vor, dass sie dann dort Asyl beantragen. Die konservative Regierung will damit Menschen von der Überfahrt in kleinen Booten über den Ärmelkanal abhalten. Das oberste Gericht in Großbritannien hatte den Asylpakt mit Ruanda vor einigen Monaten für rechtswidrig erklärt. Kritiker werfen dem ostafrikanischen Land Menschenrechtsverletzungen vor.

Der Rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Günter Krings (CDU) war in Ruanda und konnte sich ein Bild machen. Auch für ihn ist Ruanda eine Möglichkeit, Asylbewerber zurückzuführen. Allerdings will er im Unterschied zu den Briten es mit einem großen humanitären Aufnahme-Kontingent. Das erklärt er in seinem Gastbeitrag:

Laut Koalitionsvertrag der Ampel kann Schutz in Drittstaaten verlagert werden

Können Asylbewerber in Staaten außerhalb der EU gebracht werden, um dort Flüchtlingsschutz zu erhalten? Der Koalitionsvertrag der Ampel zeigt sich offen dafür, diesen Schutz zumindest in Ausnahmefällen in Drittstaaten zu verlagern. Die Ministerpräsidentenkonferenz setzte gegenüber der Bundesregierung im März einen konkreten Prüfauftrag durch. Und das neue Grundsatzprogramm der CDU will, dass „jeder, der in Europa Asyl beantragt, … in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen“ soll. Großbritannien beginnt in diesen Tagen nach einigen Anlaufschwierigkeiten mit einer solchen Kooperation mit dem zentralafrikanischen Ruanda. Gemeinsam mit zwei Kollegen meiner Fraktion konnte ich mir vor zwei Wochen in Ruanda ein Bild vor Ort machen: nicht nur bei Gesprächen mit Staatspräsident Kagame und seinen wichtigsten Ministern, sondern auch mit den Verantwortlichen für die Aufnahme von Flüchtlingen und Vertretern der UN.

Drittstaatenmodell wichtiger Baustein für den Umbau der europäischen Flüchtlingspolitik

Ein Umbau der europäischen Flüchtlingspolitik, bei der das Drittstaatenmodell ein wichtiges Bauelement sein sollte, ist richtig und längst überfällig. Die gegenwärtige Situation überfordert nicht nur die Integrationsleistung vieler Kommunen in Deutschland, sondern sie ist auch zutiefst inhuman. Den gefährlichen Weg über das Mittelmeer oder etwa durch die Wüsten Nordafrikas bezahlen viele Migranten mit dem Leben. Junge Männer überstehen ihn eher als Familie. Wer kein Geld hat, um Schleuser zu bezahlen, hat kaum eine Chance. Für die Flucht nach Europa gilt nicht das Recht der Humanität, sondern das Recht des Stärkeren.

Wir müssen zuallererst falsche Anreize beseitigen

Wenn wir diesen Zynismus der jetzigen Flüchtlingspolitik beenden wollen, müssen wir zuallererst falsche Anreize beseitigen: Der Kern des völkerrechtlichen Flüchtlingsschutzes ist das „Non-Refoulement“-Prinzip, wonach kein Schutzbedürftiger in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem ihm Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht. Ein Recht von Menschen auf der Flucht, sich ihr Zielland frei auszusuchen, gibt es hingegen nicht. Lässt man dies wie bislang zu, ist es auch kaum möglich, korrekt zwischen politisch Verfolgten und Menschen zu unterscheiden, die (verständlicherweise) nur ein besseres Leben führen wollen. Diese Fehlanreize per faktischer Wahlfreiheit zu beseitigen, dazu leistet die Auslagerung der Asylverfahren in Länder außerhalb der EU einen wichtigen Beitrag.

Deutschland ist eines des Hauptzielländer der irregulären Migration in der EU

Alleine wird dies aber zumindest auf absehbare Zeit nicht reichen. Da Deutschland eines der Hauptzielländer der irregulären Migration in der EU ist, enthält das CDU-Grundsatzprogramm zurecht auch ein klares Bekenntnis zu den Prinzipien des Dublin-Systems. Dies bedeutet, dass ein Asylantrag unmittelbar bei Betreten des EU-Gebietes zu stellen ist. Dort, wo Deutschland Grenzkontrollen zu seinen Nachbarstaaten vornimmt, müssen sie daher mit der konsequenten Zurückweisung von Asylbewerbern verbunden werden. Sie sind im echten Wortsinne „Geflüchtete“: Ihre Fluchtbewegung ist mit Erreichen Europas bereits abgeschlossen, für eine Weiterreise innerhalb der EU gibt es für die allermeisten von ihnen keine Rechtfertigung. Ein drittes Element gegen migrationspolitische Fehlanreize ist das soeben beschlossenen neue Grenzverfahren der EU. Allerdings wird seine Wirkung begrenzt sein, insbesondere aufgrund vieler Ausnahmen und begrenzter Kapazitäten.

Für das Drittstaatenmodell braucht Europa Partner, die den internationalen menschenrechtlichen Flüchtlingsschutz einhalten. Sehr vieles spricht dafür, dass Ruanda diese Voraussetzung erfüllt. Die Kopenhagen-Kriterien für die Aufnahme von Staaten in die EU sind hier nicht der Maßstab. Aufgrund der kollektiven Erfahrung von Gewalt und Völkermord, die in den schrecklichen Massenmorden vor 30 Jahren kulminierten, verfügt die ruandische Gesellschaft selbst über vielfältige Fluchterfahrung. Auch deshalb nimmt sie ca. 160.000 Flüchtlinge aus dem Kongo und aus Burundi auf. Ruanda ist ein funktionierender Staat und der einzige, der schon jetzt mit dem Flüchtlingshilfswerk der UN kooperiert, um in Libyen gestrandete Migranten aufzunehmen und sie in eine neue Heimat zu bringen. Das Land hat nun gemeinsam mit Großbritannien ein Asylverfahren mit einem starken gerichtlichen Rechtsschutz entwickelt. Und das Bemerkenswerte daran ist, dass es selbst abgelehnten Asylbewerbern gesetzlich ein Bleiberecht garantiert.

Unterbringung von Flüchtlingen kann unmittelbar positive Effekte für die Bevölkerung haben

Das Interesse Ruandas an einer Kooperation mit europäischen Staaten ergibt sich aber auch daraus, dass mit der Flüchtlingsaufnahmen – wie im Falle des Abkommens mit UK – auch wirtschaftlich Kooperationsprojekte verbunden sind, die die Entwicklung des immer noch armen Landes voranbringen. Selbst die Unterbringung von Flüchtlingen selber kann unmittelbar positive Effekte für die Bevölkerung haben: Wenn etwa die international finanzierte Krankenstation in einem von uns besuchten Lager für kongolesische Flüchtlinge auch von der einheimischen Bevölkerung genutzt werden kann.

Was unsere CDU-Pläne aber von dem Ruanda-Modell der Briten abhebt, ist, dass wir die Unterbringung von Asylbewerbern in Drittstaaten verknüpfen wollen mit großen humanitären Aufnahme-Kontingenten. Statt Zehntausende vorwiegend junger Männer, die sich ihren Weg jedes Jahr nach Deutschland selbst bahnen, würden wir dann in vergleichbarer Größenordnung Menschen (zumeist Familien und besonders Schutzbedürftige), die in Afrika oder Asien in Lagern warten, auf regulärem Weg und ohne Lebensgefahr in unser Land holen können. Das wäre eine Flüchtlingspolitik, die zum ersten Mal das Prädikat „humanitär“ oder „christlich“ verdient hätte.

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