Ein Tag änderte alles: Profi-Sportler kämpft sich zurück ins Leben und an die Spitze
Michael Füchsle ist auf dem Höhenflug seiner Sportler-Karriere. Doch dann wirft ihn ein Schicksalsschlag aus der Bahn. Ein Gespräch mit einem, der sich nie aufgegeben hat.
München/Schrobenhausen – Es ist ein sonniger Tag in Münchnen. Im Norden der Stadt, vor der DAV-Kletterhalle in Freimann sitzt ein Mann auf der Bank und wartet gelassen in kurzer Hose und einem bedruckten, blassblauen Shirt, sein strohblondes schulterlanges Haar fällt ihm in den Nacken. Als er die Redakteurin sieht, steht er auf. Ein Lächeln, ein Handschlag – all das kennt er, all das hat Michael Füchsle bereits zigmal hinter sich, seine Geschichte mehrfach erzählt.
Steile Karriere: Bereits in jungen Jahren erste Sponsoren
Mit zwölf Jahren fing er das Klettern an, eine Leidenschaft, die schnell Ernst wurde. Überzeugt von seinem Talent und seinem Weg, hatte Füchsle bereits mit 16 Jahren seinen ersten Sponsor, gewann Wettkämpfe und war zur damaligen Zeit – in den 80er Jahren – einer der ersten in Deutschland, der vom Klettern leben konnte. „Von 365 Tagen im Jahr war ich schon 300 Tage unterwegs“, sagt der heute 57-Jährige. „Ich habe die ganze Welt bereist, an internationalen Wettkämpfen teilgenommen.“ Es hätte nicht besser laufen können für ihn, erzählt er – „Bis zu dem besagten Tag im Jahr 2005.“

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Das Jahr 2005 stellte sein Leben auf den Kopf
Ein Tag, der das Leben des damals 38-Jährigen schlagartig ändern sollte. Mitten in der Nacht erlitt er einen Darmdurchbruch, nachdem er bereits seit seiner Jugend unter einer entzündlichen Darmerkrankung litt. Hinzu kam eine starke Sepsis. Die Ärzte führten eine Notoperation durch, in den kommenden Wochen wurde er erneut mehrmals operiert, dreimal musste er währenddessen wiederbelebt werden. Danach: Koma, Rollstuhl, über ein halbes Jahr Reha.
Die Prognose der Ärzte: Er werden den Rollstuhl nie wieder verlassen.
Ohne Wille wäre überhaupt nichts gegangen.
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Scham und Isolation bringen ihn an seine Grenzen
Doch Füchsle ließ sich nicht unterkriegen. „Ohne Wille wäre überhaupt nichts gegangen“, sagt er. „Ich denke, das größte Problem bei den meisten Leuten ist es, dass sie sich selber aufgeben.“ Für Füchsle kam das nicht infrage. Seine Erfahrung als Profisportler habe ihm da sehr geholfen. Und doch – es war kein einfacher Weg. Die schwerste Zeit war die nach der Reha, erzählt er. „Ich war alleine und 90 Prozent meiner Freunde haben sich von mir abgewandt. Das hat mich sehr getroffen und ich bin die ersten zwei, drei Jahre fast nicht aus dem Haus gegangen.“ Auch weil er sich selbst schämte – denn seit jener Nacht lebt er nicht nur mit Polyneuropathie an Beinen und Armen, sondern auch mit einem Stoma – einem künstlichen Darmausgang, der an seiner Bauchdecke befestigt ist.
Nach sieben Jahren kam der Wendepunkt
Angst, Isolation, Scham und eine Diagnose, die wenig Hoffnung gab. Alles Stationen durch die er damals durchging. Sieben Jahre lang kämpfte er sich zurück ins Leben. Zwang sich wieder unter Menschen zu gehen. „Und dann, 2010, habe ich meine Freundin kennengelernt“, sagt er und lächelt dabei. „Das war ein großes Glück.“ Sie habe ihm neue Kraft gegeben und 2012 auch dazu animiert, es mit dem Klettern doch noch einmal zu versuchen. Drei Jahre später bestritt er wieder einen Wettkampf. „Ich habe eigentlich nur nochmal einen Wettkampf machen wollen. Einfach um mal das Feeling von früher zu haben.“ Doch dann landete er schlagartig auf Platz 5. Und seine Entscheidung stand fest: Er wollte zurück.

Größter Erfolg seiner Karriere im Jahr 2017
Der bislang größte Erfolg seiner Karriere sollte da noch vor ihm liegen: 2017 belegte er den zweiten Platz im Gesamtworldcup. Als einer der besten deutschen Paraclimber kehrte er zurück. Nach einem erneuten Rückschlag, einem Darmverschluss im Jahr 2023, bei dem er erneut fast gestorben wäre, beendete er seine Wettkampfkarriere. Seither trainiert er als CO-Bundestrainer den Deutschen Paraclimb Nationalkader (Kletterer mit Handicap). Sein Fazit aus alldem: „Jeden Tag genießen. Man weiß nie, wie lange es geht.“ Pläne hat er jedenfalls noch jede Menge, sagt er und lacht: „Ich möchte zum Beispiel noch einmal in die USA. In das Yosemite und zu den Red Rocks bei Las Vegas. Diese Reise will ich definitiv noch machen.“