Poker um Verfassungsrichter-Wahl: CSU überrascht mit Unterstützung für SPD-Kandidatin – Kraftakt droht
Die CSU unterstützt die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf für das Verfassungsgericht. Die Wahl im Bundestag bleibt jedoch ein Kraftakt.
Berlin – CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann unterstützt die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht. Der Wahlausschuss des Bundestags soll am Montag (20.00 Uhr) eine Empfehlung zur Nachbesetzung von drei Richterstellen abgeben.
Wahl von Verfassungsrichter: Appell für geschlossenes Votum der „Mitte“
Hoffmann appellierte an CDU und CSU, die SPD-Vorschläge mitzutragen. „Bei den Richterwahlen für das Bundesverfassungsgericht geht es um die Handlungsfähigkeit unserer Demokratie“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. In Zeiten starker radikaler Ränder im Bundestag „braucht es ein geschlossenes Votum der Parteien der Mitte, um die Funktionsfähigkeit des höchsten deutschen Gerichts sicherzustellen“.
Gegen Brosius-Gersdorf gab es zuvor Widerstände in der Union, nach Medienberichten wegen ihrer Position zu Schwangerschaftsabbrüchen. Hoffmann warnte: Nichts wäre gewonnen, wenn der Unions-Kandidat scheitere, weil die SPD-Kandidatinnen scheiterten. „Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind so, dass wir unseren Wunschkandidaten nur im Paket mit weiteren Personalentscheidungen durchsetzen können.“
Komplexe Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss für Wahl von Verfassungsrichterin
Die 16 Richter und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Aktuell sind gleich drei Posten vom Bundestag zu besetzen. Für einen hat die CDU/CSU das Vorschlagsrecht, für zwei die SPD.
Im Wahlausschuss des Bundestags mit seinen zwölf regulären Mitgliedern ist eine Mehrheit von acht Stimmen nötig. Da die CDU/CSU fünf Mitglieder hat, die SPD zwei und Grüne und Linke je ein Mitglied, könnte eine Mehrheit auch ohne Linke und AfD (drei Mitglieder) zusammenkommen. Die Union hat einen Grundsatzbeschluss, dass es weder mit der AfD noch mit der Linken parlamentarische Zusammenarbeit geben soll. Die Linke will hingegen im demokratischen Lager einbezogen werden.
Spricht der Ausschuss eine Empfehlung aus, wird darüber im Plenum abgestimmt. Diese Wahl steht aktuell für Freitag auf der Tagesordnung. Allerdings nicht im Paket, sondern es soll zunächst über einen Richter – wohl den von der Union nominierten Kandidaten – abgestimmt werden. Die Wahl von zwei weiteren Richterinnen steht dann etwas später auf der Tagesordnung der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause.
Wahl von Verfassungsrichter: Braucht die Koalition Linken oder Grünen-Stimmen?
Für die Wahl im Plenum ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen nötig. Da die schwarz-rote Koalition eine Abhängigkeit von der AfD vermeiden will, sind Union und SPD also auf die Stimmen von Linken und Grünen angewiesen – falls alle Parteien bei der Abstimmung entsprechend ihrer relativen Stärke vertreten sind.
SPD-Geschäftsführer Johannes Fechner hält ein Linken-Vorschlagsrecht für angemessen. Ohne die AfD gebe es die nötigen Zwei-Drittel-Mehrheiten nur noch mit der Linken. „Deshalb schließe ich ausdrücklich nicht aus, dass irgendwann auch ein Vorschlag der Linken zum Zuge kommt“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die CDU/CSU will Richter Günter Spinner vom Bundesarbeitsgericht aufstellen. Spinner war Ende Mai von allen jetzigen Bundesverfassungsrichtern favorisiert worden. Die SPD will neben Brosius-Gersdorf die Jura-Professorin Ann-Katrin Kaufhold aufstellen, wie aus Parteikreisen bestätigt wurde. (sot mit dpa)