Massive Russland-Verluste im Ukraine-Krieg: Putin ergreift brisante Maßnahme
Wladimir Putin ringt offenbar darum, mehr Freiwillige für seinen Ukraine-Krieg zu finden. Dafür sollen die Opfer nun wohl in Vergessenheit geraten.
Moskau – Für Wladimir Putin ist Krieg und damit Gewalt das Mittel seiner Wahl. Damit versucht der Kreml-Chef, seine Ziele zu erreichen. Aktuellstes Beispiel ist der Ukraine-Krieg, mit dem er der Welt seit dreieinhalb Jahren vor Augen führt, wie grausam und rücksichtslos er vorgehen kann.
Regelmäßig wird die Infrastruktur zum Ziel. In den vergangenen Tagen und Wochen übersäte Russland die Ukraine teilweise mit den schwersten Luftschlägen überhaupt. Die Angriffe sollen die Bevölkerung zermürben. Zivilisten gelten für Putin allem Anschein nach ohnehin allenfalls als potenzielle Kollateralschäden. Die eigenen Verluste, die Moskau bei der weitgehend festgefahrenen Invasion zu beklagen hat, werden derweil totgeschwiegen.
Putin lässt Behörde über Verluste schweigen: Kreml-Chef braucht Freiwillige für Ukraine-Krieg
Allerdings dürften sie immens sein. Und das könnte für Putin zu einem echten Problem werden. Immerhin ist der 72-Jährige auf Nachschub angewiesen, will er seinen Krieg in unverminderter Intensität fortführen. Laut dem US-Thinktank „Institute for the Study of War“ (ISW) scheint sich der russische Präsident aktuell darum zu bemühen, die Rekrutierung von Freiwilligen zu intensivieren.
Wahrscheinlich handele es sich um eine Reaktion auf die nachlassende Unterstützung in der Bevölkerung für „die Krypto-Mobilisierungsbemühungen“ Moskaus. Putin tut sein Möglichstes, um den Ukraine-Krieg aufrechterhalten zu können, ohne dass seine Landsleute das Gefühl beschleicht, sie könnten jederzeit hineingezogen werden. Eine offizielle Mobilmachung gab es bislang nur im Herbst 2022 – offenbar als Folge der ersten heftigen Rückschläge beim vermeintlichen Eroberungsfeldzug.
Wie das ISW weiter schreibt, habe die staatliche Statistikbehörde Rosstat ihre Berichterstattung über die Zahl russischer Todesopfer eingestellt. Dahinter vermutet werden die „Bemühungen des Kreml, die Verluste Russlands durch den Krieg in der Ukraine zu vertuschen“.
Putin und die Verluste im Ukraine-Krieg: Forscher bekommt keine Zahlen von Statistikbehörde
Die in Putins Reich als unerwünschte Organisation eingestufte Online-Zeitung Meduza hatte bereits zuvor darüber geschrieben, dass Rosstat die demografischen Daten für Januar bis Mai 2025 aus der am 2. Juli veröffentlichten „Sozioökonomischen Lage Russlands“ entfernt habe. Seit März seien die Informationen auf der Website nicht mehr aktualisiert worden.
Außerdem wird auf Dmitri Kobak verwiesen. Der auf Wahlstatistiken spezialisierte Forscher hatte auf der Community-Plattform LiveJournal darüber informiert, wie Rosstat ihn auflaufen ließ. Er habe die Behörde um verschiedene Daten zu Todesfällen im Jahr 2024 gebeten, mit denen er Analysen zur männlichen Übersterblichkeit aktualisieren wollte.
Doch auf alle Anfragen habe er von Rosstat dieselbe Antwort bekommen. Unter Verweis auf Artikel 5 Absatz 10 des föderalen Gesetzes „Über die amtliche Buchführung und das System der staatlichen Statistik in der Russischen Föderation“ werde die Auskunft verweigert. Besagter Artikel legt fest, dass die Regierung „die Bedingungen für den Zugang zu amtlichen statistischen Informationen festlegen kann, einschließlich der vorübergehenden Aussetzung ihrer Bereitstellung und Verbreitung“.
Der Satz finde sich seit Februar 2023 im Gesetz. Damals lief der Ukraine-Krieg seit einem Jahr, und es zeichnete sich ab, dass Russland nicht so schnell zum erwarteten Erfolg – der Eroberung von Kiew – kommen würde.
Russland und Statistiken zu Toten: Demograf übt Kritik und gilt nun als ausländischer Agent
Kobak hat nach eigener Auskunft zwar bereits vor seiner Anfrage Berichte gesehen, wonach die Veröffentlichung der Daten eingestellt worden sei. Er habe jedoch darauf gehofft, dass es sich lediglich um ein Versehen oder eine Verwechslung gehandelt habe und die Zahlen etwas später veröffentlicht würden. Zumindest aber sei er davon ausgegangen, dass die 2024er-Zahlen zugänglich gemacht würden.
In dem Meduza-Artikel wird zudem der Demograf Alexei Raksha thematisiert. Dieser habe im Mai darauf aufmerksam gemacht, dass Rosstat die demografischen Statistiken nach Regionen versteckt habe. So seien die monatlichen Statistiken zu Geburten, Sterbefällen, Eheschließungen und Scheidungen seit März nicht mehr zugänglich. In jenem Monat sei ein historischer Negativrekord zu verzeichnen gewesen: Die durchschnittliche tägliche Geburtenzahl von 3012 Kindern sei die niedrigste seit Beginn der regulären Buchführung vor fast 200 Jahren gewesen.

Ende Mai wurde Raksha vom russischen Justizministerium auf die Liste ausländischer Agenten aufgenommen, wie Forbes und RBC berichteten. Eine Retourkutsche? Klar ist, dass Putin solche Auslassungen nicht gebrauchen kann.
Putin will keine Infos mehr über russische Verluste: Mehr als 100.000 Tote gelten als bestätigt
Ebenso wie Debatten über Verluste Russlands im Ukraine-Krieg. Verhindern aber kann er sie zumindest außerhalb seines Landes nicht. So informiert Kiews Verteidigungsministerium täglich über neue Zahlen. Am 6. Juli waren es demnach bereits 1.026.440 eliminierte Personen. Wobei bei dieser Zahl zu bedenken ist, dass sie von einer der Kriegsparteien stammt.
Einen Überblick gewährt auch das unabhängige russische Online-Medium Mediazona, das gemeinsam mit BBC News Russian und einem Team von Freiwilligen einen Überblick über 116.718 bestätigte Todesfälle innerhalb des russischen Militärs liefert. 5285 der Opfer seien Offiziere. Die Rechercheteams greifen demnach auf Social-Media-Beiträge von Angehörigen, lokale Nachrichtenberichte und offizielle Mitteilungen von regionalen Behörden als Quellen zurück.

Werde das russische Nachlassregister zugrunde gelegt, sei sogar von rund 165.000 Toten unter den Militärs auszugehen. Allerdings stammt diese Schätzung noch aus dem Dezember 2024.
Putin hatte also kein Problem damit, Rosstat zum Schweigen zu bringen. Deutlich schwieriger dürfte es für ihn aber werden, wirklich jeden Zugang zu Informationen über Verluste unter seinen Soldaten zu versperren. Denn das würde letztlich auch bedeuten, dass die Opfer, die in seinem Namen gestorben sind, schlicht und einfach vergessen werden. (mg)