Trumps neuer Sündenbock: Die bemerkenswerte Stärke des US-Notenbankchefs
Trumps scharfe Kritik am US-Notenbankchef erschüttert die Märkte. Trump verfolgt dabei ein klares Ziel: Er sucht einen Sündenbock. Doch Powell bleibt standhaft.
Washington – Die Erfahrung zeigt: Mischen sich US-Präsidenten in die Arbeit der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ein, kann das durchaus Folgen haben. In den 1970er-Jahren überzeugte Präsident Richard Nixon den damaligen Notenbankchef Arthur Burns davon, den Leitzins nicht anzuheben, um die Wirtschaft vor den Präsidentschaftswahlen 1972 zu beleben. Der Leitzins wurde niedrig gehalten, Nixon gewann die Wahl – doch es kam zu einer stark erhöhten Inflation in den 1970er- und 1980er-Jahren.
Das hält den aktuellen US-Präsidenten Donald Trump jedoch nicht davon ab, sich in die Angelegenheiten der Fed einzumischen – wenn diese es auch zulassen würde. Notenbankchef Jerome Powell weigert sich vehement, Trumps Forderungen nach einer Zinssenkung nachzukommen. Trumps Frust ist groß: Den Notenbankchef betitelt er als „Mr. Zu Spät“ und „großen Loser“, außerdem droht er mit der Kündigung Powells. Auch das hat Folgen – die Märkte brechen kurzzeitig ein. Doch ein Ökonom warnt davor, Powell als den von Trump auserkorenen Sündenbock zu sehen.
US-Notenbankchef Powell widersetzt sich dem politischen Druck
Im Zuge der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist die Inflation in den USA stark gestiegen, und die Fed musste den Leitzins deutlich anheben. Momentan liegt der Leitzins der Fed zwischen 4,25 und 4,5 Prozent – im letzten Jahr wurde er dreimal gesenkt, in diesem Jahr bislang noch kein Mal.
Powell äußerte sich dazu am 16. April und verkündete, dass Trumps Zollerhöhungen größer seien als erwartet: „Und das Gleiche dürfte für die wirtschaftlichen Auswirkungen gelten, zu denen eine höhere Inflation und ein langsameres Wachstum gehören werden.“ Das US-Wachstum habe sich im ersten Quartal 2025 verlangsamt, und der Handelsstreit werde zu mehr Inflation führen.
Für die Fed ist das daher ein Grund, an den relativ hohen Leitzinsen festzuhalten – und das trotz des Drucks durch den Präsidenten. „Wir werden uns niemals durch politischen Druck beeinflussen lassen“, so Powell. „Die Leute können sagen, was sie wollen. Aber wir werden das, was wir tun, strikt ohne Rücksicht auf politische oder andere äußere Faktoren tun.“
Trumps Kritik an der Fed erschüttert die Märkte
Für Trump ist Powells Haltung nicht nachvollziehbar. Er hofft, durch niedrige Zinsen einen Wirtschaftsaufschwung herbeizuführen, um die negativen Folgen seiner Zollpolitik auszugleichen. Als Antwort auf Powells Rede kontert Trump auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social: „Powells Kündigung kann nicht schnell genug kommen.“ Die Preise seien gesunken, argumentiert er, und daher sei eine Zinssenkung nötig – „die USA werden mit Zöllen reich“.
Kurzum forderte Trump: „Es kann zu einer Verlangsamung der Wirtschaft kommen, es sei denn, Mr. Too Late, ein großer Loser, senkt die Zinssätze.“
Die ohnehin nervösen Märkte reagieren am Montag, dem 21. April, mit einem Einbruch auf die zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit in den USA. Der US-Leitindex Dow Jones brach um 2,5 Prozent ein, und der Technologieindex Nasdaq 100 sank um 2,46 Prozent. Auch Staatsanleihen und der Dollar rutschten an diesem Tag ab. Trump rudert daraufhin zurück: „Ich habe nicht die Absicht, ihn zu feuern“, sagte er am 22. April. Daraufhin erholten sich die Märkte auch wieder.
Anti-Trump: Bis 2026 will Powell Notenbankchef bleiben
Trumps Bestreben, den aktuellen Notenbankchef vorzeitig abzusetzen, überrascht – da er Powell 2017 in seiner ersten Amtszeit überhaupt erst ins Amt gebracht hatte. Er hatte den Juristen damals ausgewählt, weil dieser eine ähnliche Zinspolitik wie seine Vorgängerin verfolgte, Republikaner ist und in den 1990er-Jahren unter Präsident George H. W. Bush im Finanzministerium tätig war.
Nun zeigt sich Powell in vielerlei Hinsicht als eine Art Anti-Trump: Der Multimillionär macht wenig Aufhebens um seine Person – und vor allem widersetzt er sich Trump konsequent.
Sollte Trump ihn zum Rücktritt auffordern, werde er dem nicht nachkommen, erklärte Powell kurz und knapp auf einer Pressekonferenz im März. Aktuell befindet sich Powell in seiner zweiten Amtszeit. Eine dritte strebt er nicht an – er wolle jedoch zumindest bis zum Ende seiner Amtszeit im Mai 2026 die Unabhängigkeit der Fed wahren.
Ökonom erklärt mögliche Strategie Trumps – Powell als sein Sündenbock
Für den Ökonomieprofessor Charles Ballard von der Michigan State University ist der Fall eindeutig: Für Trump gehe es darum, einen Sündenbock zu finden, falls die Wirtschaft infolge des Handelskriegs zunehmend leidet, erklärt der Experte gegenüber der US-Tageszeitung USA Today.
„Vergessen Sie nicht, dass Trump eine Wirtschaft geerbt hat, die in sehr guter Verfassung war“, betont Ballard. „Niemand hat damals über die Möglichkeit einer Rezession gesprochen. Aber jetzt haben viele Analysten angedeutet, dass eine Rezession eine reale Möglichkeit ist.“ Ballard geht zudem davon aus, dass Powell nicht entlassen werden kann: „Kein Fed-Chef wurde jemals zuvor gefeuert.“
Wie standhaft sich Powell letztlich zeigt, bleibt abzuwarten. Anfang Mai steht die nächste Zinsentscheidung der Fed an – doch derzeit rechnet kaum jemand damit, dass die Zinsen in so kurzer Zeit bereits weiter gesenkt werden.