Rechtsextreme unterwandern Bauernproteste – Verband schlägt Alarm
Den Angriff auf Wirtschaftsminister Habeck feierten sie auf Telegram. Bereits seit Wochen unterwandern Rechtsextreme den Protest der Bauern.
Berlin – Die Bauernproteste werden bundesweit von Rechtsextremen unterwandert. Auf Telegram feiern sie den Angriff auf die Fähre, mit der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag (4. Januar) seinen Heimweg aus dem Urlaub auf der Hallig Hooge in Schleswig-Holstein antreten wollte. Seit Wochen versuchen diverse Gruppen, die Proteste zu vereinnahmen, das Redaktionsnetzwerk Deutschland veröffentlichte am Freitag einen groben Überblick.
Die in Teilen rechtsextreme AfD mobilisierte zuletzt zum „Generalstreik“, die rechtsextreme Splitterpartei „Freie Sachsen“ will sich mit eigenen Protestveranstaltungen beteiligen. Immer wieder gibt es Bezüge zur völkisch-nationalistischen Landvolkbewegung aus der Weimarer Republik.
Agrardiesel-Kürzungen zurückgenommen – Bauernproteste dauern an
Zu Beginn richteten sich die Proteste der Bauern gegen die Streichung von Agrardiesel-Subventionen. Durch die Abschaffung der von Ökonomen als klimaschädlich betrachteten Subventionen wollte die Bundesregierung eine Lücke im Haushalt schließen. Diese entstand durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Die Richter in Karlsruhe verboten die Umwidmung von Corona-Schulden in einen anderen Nebenhaushalt. Inzwischen will die Bundesregierung die weitgehend Kürzungen zurücknehmen. Die Bauern protestieren weiter.

„Umsturzfantasien“ in Videoaufruf – Bauernverband geht auf Distanz
Der Verein „Land schafft Verbindung“ (LSV) verbreitete, dem RND nach, ein Protestaufruf-Video, in dem es hieß: „Ein Schachspiel beginnt mit dem Bauer und endet erst, wenn der König fällt“. Klingt nach den „Umsturzfantasien“ von denen sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied bereits im Dezember abgrenzte. LSV grenzte sich laut dem Bericht zwar immer wieder von Rechtsextremen ab, doch die Erzählungen überschneiden sich.
Die AfD mobilisiert zu einem „Generalstreik“. Der thüringische Landesverband, geführt von Björn Höcke, macht als Ziel „autoritäre Wohlstandsvernichter in Erfurt und Berlin“ aus. So schrieb es die AfD Thüringen vor Weihnachten in einem Facebook-Post.
In der verschwörungsideologischen Szene auf der Messenger-App Telegram fällt die rechtsextreme Splitterpartei „Freie Sachsen“ auf: Die aus den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen hervorgegangene Partei kündigte eigene Proteste an. Wie eine Drohung liest sich die Reaktion auf den Sturm auf die Fähre, die Habeck an Land bringen sollte: Es werde „immer ungemütlicher, wenn Vertreter der Regierung auf ihre Bürger treffen“, stand unter einem Video vom versuchten Sturm auf den Anleger. Auch im Kanal des Hallenser Rechtsextremisten Sven Liebich wurde eines der Videos verbreitet. Auch Bezüge zum Reichsbürgermilieu zeigten sich am Freitagvormittag in lokalen Telegram-Gruppen in Schleswig-Holstein.
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Bezüge zur völkisch-nationalistischen Landvolkbewegung – ein Hauch von Weimar
Die Telegram-Profilbilder einiger Accounts aus dem radikalisierten Teil der Bauernproteste zeigen die Flagge der völkisch-nationalistischen Landvolkbewegung aus der Weimarer Republik. In Schleswig-Holstein organisierte die Bewegung Ende der 1920er Jahre verarmte Bauern gegen die junge deutsche Demokratie. Bereits damals wurde gegen die Auswirkungen globalisierten Handels protestiert. Der Tagesspiegel berichtete bereits 2021 darüber, dass ihre Symbole bei Bauernprotesten gezeigt wurden. Damals wurde ein Aufsatz der Historikerin Heidrun Edelmann im Bauernblatt zitiert. Ihr nach seien die Landvolk-Strukturen schon früh mit Rechtsradikalen durchsetzt und einer der Anführer Mitglied rechtsextremer Wehrverbände gewesen.
Die Historikerin attestierte der Bewegung „völkische, nationalistische und antisemitische Denkansätze“. Ihre „jahrelange hasserfüllte, antidemokratische Propaganda hatten den Nährboden für die NSDAP bereitet“. In den Telegram-Gruppen wird nichts davon diskutiert. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied sagte dem RND zur Gefahr der Unterwanderung: Man könne die Mitglieder „nur auffordern, mit legalen Mitteln“ zu demonstrieren. Den „sehr beeindruckenden Rückhalt von Seiten der Bevölkerung“, wolle er „auf keinen Fall gefährden.“(kb)