Neue gigantische Eruption am Supervulkan in Italien entdeckt – er ist noch gefährlicher, als befürchtet
Forschende haben eine bislang unbekannte Eruption der Phlegräischen Felder in Italien identifiziert. Der Supervulkan ist aktiver und gefährlicher als geglaubt.
Pozzuoli – Der Supervulkan der Phlegräischen Felder ist neben dem Yellowstone in den USA und der Toba-Caldera in Indonesien die größte vulkanische Struktur der Erde. Bei ihm kommt aber hinzu, dass in seinem Einzugsgebiet über eine Million Menschen leben. Zahlreiche Erdbeben in den vergangenen zwei Jahren und eine Hebung des Bodens um mehr als vier Meter rund um die Hafenstadt Pozzuoli seit den 1950er Jahren lassen befürchten, dass der riesige Krater am Stadtrand von Neapel in Süditalien schon bald wieder ausbrechen könnte. In seinem Inneren dampfen die Schwefelquellen der Solfatara, wie Facebook-Videos zeigen.
Bisher waren zwei gewaltige Ausbrüche bekannt, die das Leben in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern auslöschten: der Ausbruch des Kampanischen Ignimbrits vor etwa 39.000 Jahren und der des Neapolitanischen Tuffs vor rund 15.000 Jahren. Sie sind nach ihren mächtigen Ascheablagerungen im Großraum Neapels benannt. Der Kampanische Ignimbrit ist die größte bekannte explosive Eruption im Mittelmeerraum. Die Asche flog bis Kasachstan, es gab eine Klimaverschlechterung, die gerne als „Sargnagel“ bezeichnet wird, der das Aussterben der Neandertaler besiegelte
Gigantischer Supervulkan-Ausbruch blieb bislang unentdeckt – bis ihn eine italienische Forscherin enttarnte
Eine neue Studie zeigt, dass der Vulkan – oder ein Vulkan in seiner Nähe – vor etwa 109.000 Jahren eine enorme Schicht aus Asche und Vulkangestein abgelagert hat. Dieser Ausbruch, der als Maddaloni/X-6-Eruption bezeichnet wird - benannt nach einem Ort in der Nähe Neapels, in dem Ablagerungen entdeckt wurden -, war ähnlich groß wie der Kampanischen Ignimbrits, der eine Caldera mit einem Durchmesser von 15 Kilometern schuf. „Trotz der relativ großen Unsicherheit könnte der Ausbruch des Maddaloni/X-6 mit großem Abstand zumindest das zweitgrößte explosive Ereignis sein, das sich seit 109.000 Jahren in der Region Campi Flegrei ereignet hat“, schreibt die leitende Studienautorin Giada Fernandez, eine Doktorandin der Geowissenschaften an der Sapienza-Universität in Rom, in dem Artikel, der in der Zeitschrift Communications Earth & Environment erschien.

Die Bestätigung eines älteren Ausbruchs, der ähnlich groß wie der des Kampanischen Ignimbrits war, hat Auswirkungen auf die Risikoeinschätzung für das Gebiet der Phlegräischen Felder. Der Supervulkan ist jetzt seit etwa 75 Jahren in Unruhe, die möglicherweise zu einem Ausbruch führen wird. Christopher Kilburn, ein renommierter Vulkanologe am University College London, der nicht an der neuen Forschung beteiligt war, warnt im Journal Live Science: „Dass verändert die Wahrnehmung des Risikos, dass die Phlegräischen Felder wieder aktiv werden.“ Sollten die Phlegräischen Felder in der Vergangenheit mehrere calderabildende Ausbrüche erlebt haben, könnte dies darauf hindeuten, dass der Vulkan langfristig zu verheerenderen Explosionen fähig ist.
Kann die neue Supervulkan-Entdeckung die Vorhersage der nächsten Eruption verbessern?
Was die neue Studie jedoch nicht sagen kann, ist, ob der Ausbruch des Maddaloni/X-6 von den Phlegräischen Feldern selbst ausging oder ob das Magma aus Brüchen einige Dutzend Kilometer nördlich der Caldera austrat. Für jemanden, der sich im Falle eines solch verheerenden Ereignisses in der Ausbruchszone aufhält, wäre dies nicht besonders wichtig, so Kilburn. Für Forschende, die den Vulkan beobachten, sei die Entdeckung jedoch wichtig, da sie ihnen helfen könne, sich auf die Signale zu konzentrieren, die am wahrscheinlichsten einen größeren Ausbruch ankündigen. Eine Studie, die unter Kilburns Leitung 2023 erstellt und veröffentlicht wurde, warnte bereits vor einer bevorstehenden Eruption.

Forschende wussten, dass der Supervulkan vor seinem Ausbruch vor 39.000 Jahren schon mächtige Ascheschichten abgelagert hatte. Die Schwierigkeit, diese Ausbrüche zu verstehen, lag aber darin, dass die meisten ihrer Spuren durch den jüngsten großen Ausbruch verwischt wurden. Die Gesteine des Maddaloni/X-6-Ausbruchs sind Kilburn zufolge heute hauptsächlich in kleinen Aufschlüssen im Apennin in Zentralitalien oder in tief in die Erde gebohrten Bohrlöchern sichtbar.
Vulkanausbrüche bedeckten italienische Region mit bis zu 100 Meter dicker Asche
Fernandez und ihre Kollegen nutzten diese Aufschlüsse, um ein Modell des 109.000 Jahre alten Ausbruchs zu erstellen. Sie fanden heraus, dass er tatsächlich aus der Region der Phlegräischen Felder stammte und mit einem explosiven Ausbruch von Asche und Gestein begann, der eine riesige Aschewolke bildete. Darauf folgte eine Periode gewaltiger pyroklastischer Ströme – Wolken aus heißem Gas und Asche, die als Gesteinsschicht namens Ignimbrit ablagerten. Dieser Ignimbrit ist stellenweise zwei Meter dick. Der Ausbruch hätte der Forscherin zufolge mehr als 150 Kubikkilometer Magma aus dem Untergrund befördert. Bei der supermassiven Eruption des Kampanischen Ignimbrits wurden ca. 430 bis 680 Kubikkilometer Tephra und Ignimbrit ausgestoßen, zwei Drittel Kampaniens wurden von einer bis zu 100 Meter dicken Tuffschicht bedeckt. Bei der des Neapolitanischen Tuffs waren es rund 40 Kubikkilometer.

2019 hatten Geologen eine weitere zuvor unbekannte große Eruption des Vulkanfelds der Phlegräischen Felder vor 29.000 Jahren identifiziert. Der sogenannte Masseria del Monte Tuff war schon seit längerem bekannt, doch bis dato fehlte der eindeutige Beweis seines Ursprungs. Er hatte eine ähnliche Größenordnung wie der des Neapolitanischen Tuffs - oder des Ausbruchs des Tambora im Jahr 1815, einer der größten Vulkanausbrüche der Menschheitsgeschichte, der 48.000 Menschenleben forderte. Rein statistisch gesehen ist der Supervulkan, der mitten in einer Region liegt, in der Millionen Touristen ihren Italien-Urlaub verbringen, somit mehr als reif für einen massiven Ausbruch.
Forschende untersuchen Italiens Supervulkan mit neuen Methoden - unter Wasser und aus dem All
Wissenschaftler gehen daher neue Wege, um Erdbeben und Eruptionen in den Phlegräischen Feldern besser vorhersagen zu können: Kürzlich wurde eine Unterwasserdrohne ins Meer gelassen, um die vulkanischen Strukturen am Meeresboden vor der Küste besser untersuchen zu können. Auch aus dem All wird der Supervulkan inzwischen beobachtet: Die ISS misst die Temperatur, die vor Beben ansteigt. Kürzlich entdeckten Forscherinnen und Forscher Muster in den Erdbebenwellen, die Vorzeichen einer bevorstehenden Eruption des Vulkans sein könnten. Zudem wurden vor kurzem neue Messstationen westlich und östlich der Phlegräischen Felder installiert, um die dortigen Risse in der Erdkruste besser untersuchen zu können. Forschende haben herausgefunden, dass es in der frühen Neuzeit bereits einen Beinahe-Ausbruch in der Caldera gegeben hat.