Dorfen: Ein Zug nach dem anderen fällt aus
Gestrichene Verbindungen und Fahrtende am Ostbahnhof: Dorfener Fahrgäste sind gestresst und genervt.
Dorfen - Viele Züge sind verspätet, die Pendler warten aktuell oftmals mehr als eine Stunde am Bahnhof in Dorfen. Auch fallen derzeit vermehrt Züge auf der Strecke zwischen Mühldorf und München aus oder fahren lediglich bis zum Ostbahnhof, Reisende müssen in die S-Bahn umsteigen.
„Momentan ist es schlimm, mehrmals die Woche kommt es zu Verspätungen und Zugausfällen“, weiß Ludwig Ehrhardt, der täglich nach München pendelt. Gerade im Berufsverkehr habe das verheerende Folgen, so der Krankenpfleger. „In den nachfolgenden Zug steigen jetzt ja doppelt so viele Leute ein.“ Und das nicht erst in Dorfen, sondern schon bei jedem Halt ab Mühldorf.
Zweimal pro Woche zu spät in der Arbeit
Am vergangenen Montag musste Erhardt zudem nach seiner Schicht im Isar-Klinikum eine Stunde am Bahnsteig warten. „Der Zug um 20.39 Uhr ist ausgefallen – da steht man dann müde rum, alle Fahrgäste sind sauer und genervt.“
Sieben weitere Züge, über den Tag verteilt, fuhren nur ab, respektive bis zum Ostbahnhof. Sowohl am 16. Juni als auch am 18. Juni fielen zudem insgesamt sechs Züge auf der Strecke komplett aus, der Rest hatte Verspätung. „Mittlerweile führe ich da eine Statistik“, erklärt ein Fahrgast. Seine Aufstellung zeigt: Am Montag fiel auch der Zug um 20.08 Uhr von Dorfen nach München aus, ebenso die Verbindungen um 12.06 Uhr, sowie die Fahrten nach Mühldorf um 15.16 Uhr, 20.39 Uhr und 22.13 Uhr.
„Ich überlege mir, wieder mit dem Auto zu fahren“, schimpft Verkäuferin Sybille Simon aus Taufkirchen. Sie arbeitet in einem Modehaus in der Nähe vom Stachus. Die Toleranzgrenze ihrer Vorgesetzten sei längst überschritten: „Ich muss pünktlich sein, gehe deshalb schon eineinhalb Stunden früher aus dem Haus – und doch komme ich im Schnitt zweimal die Woche zu spät.“
Auf Nachfrage der Heimatzeitung antworte die Bahn wie folgt: „Uns ist bewusst, dass wir gerade bei der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Zugverkehr besser werden müssen.“ Hier arbeite man mit Hochdruck daran, den Reisenden stabile und zuverlässige Zugverbindungen anbieten zu können. „Im Fokus sind dabei unter anderem die konsequente Modernisierung der Infrastruktur und des Fahrzeugparks sowie eine intensive Akquise von Personal, um dem allgemeinen Fachkräftemangel entgegenzuwirken.“
„30 Jahre politisches Desinteresse“
Auch Seppo Schmid, der in Hof beim Landesamt für Umwelt arbeitet, ist auf die Bahn angewiesen. Vergangene Woche steckte die Bahn indes bis zum nächsten Tag in Mühldorf fest, dort habe er in den Zug nach Landshut umsteigen müssen. „Ich ärgere mich nicht mal mehr – ich bin nur noch resigniert“, sagt der Dorfener SPD-Stadtrat.
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„Es wird halt nicht besser. Man hat sich die letzten Jahrzehnte eher um kurzfristige Profite gekümmert als um eine leistungsfähige Bahn für alle.“ Diese Versäumnisse müssten die Passagiere nun ausbaden. „Das gehört alles mal gescheit repariert und ausgebaut.“ Schleierhaft sei ihm allerdings, wie das funktionieren könnte. „Wo soll plötzlich das Geld herkommen?“, fragt Schmid.
„Das geht alles nur noch, weil engagierte Bahner den Betrieb gegen alle Widrigkeiten am Laufen halten“, sagt ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn, der regelmäßig nach München pendeln muss. Er lebt im östlichen Landkreis, will aber seinen Namen (der Redaktion bekannt) nicht in der Zeitung lesen, weil er Sanktionen befürchtet.
Die Kunden sollten bitte verstehen, dass die Schuldigen an diesem Desaster nicht im Dienstabteil oder in der Lok sitzen, sondern im Konzern, wirbt er um Verständnis für seine Kollegen, die immer stärker den Unmut der Pendler zu spüren bekommen. „30 Jahre politisches Desinteresse fallen nun allen auf die Füße.“
Peter Köllner aus Dorfen, ebenfalls ein regelmäßiger Pendler, verweist auf das versprochene Projekt ABS38, das sich um mehrere Jahre verzögern wird. „Eine zweigleisige Strecke wäre eine Entlastung.“
Seit Jahrzehnten werde auf der Strecke Mühldorf-München ein zweites Gleis versprochen, ohne dieses gibt es keinen Kapazitätsausbau, weiß der anonymisierte Eisenbahner. „Die Planungen für den Ausbau der Strecke München–Mühldorf–Freilassing laufen derweil auf Hochtouren“, erklärt daraufhin eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Und weiter: „Auf der Strecke München–Mühldorf haben wir in den Osterferien unter anderem das Gleisbett stabilisiert und zahlreiche Langsamfahrstellen beseitigen können.“
Für den Mitarbeiter fast schon Hohn: „Das ist, wie wenn ich mein zehn Jahre altes Auto zur Inspektion gebe, eine Lampe tauschen lasse und der Autohändler behauptet, ich hätte jetzt wieder einen Neuwagen“, kritisiert er.
So weit, so schlecht. Die Reporterin wollte jedenfalls letzte Woche von Lübeck nach München fahren. Mit einer Verspätung von über vier Stunden kam der Zug am Hauptbahnhof an. Die Gründe dafür: Personalmangel sowie technische Defekte. Weil die Züge nach Dorfen ab 21 Uhr komplett ausfielen, musste sie ein Taxi nehmen. Kostenpunkt 150 Euro. Dazu wollte die Bahn keine Stellung nehmen. Kein feiner Zug.