Bauernproteste außer Kontrolle? Polizei-Gewerkschaftschef warnt: Traktoren „bewusst als Waffe eingesetzt“
In Biberach eskalierte ein Bauernprotest – nicht der erste Fall. Jochen Kopelke, Chef der Polizeigewerkschaft GdP, sieht eine Radikalisierung und warnt vor einer neuen Gefahr.
Berlin – Man kann den Kipppunkt mit dem Finger auf der Landkarte markieren: Im kleinen Biberach an der Riß wurde aus dem Bauernprotest Randale. Die Grünen mussten in der Stadt in Baden-Württemberg ihren politischen Aschermittwoch mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir absagen, nachdem eine Demo aus dem Ruder gelaufen war. Landwirte blockierten Straßen mit Traktoren, kippten einen Misthaufen vor die Treppen zur Stadthalle. Einige Randaliere attackierten Polizisten. Für den Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, ist damit das Fass zum Überlaufen gebracht. Er fordert Konsequenzen.
Bedrohungen und Angriffe bei Bauernprotest in Biberach: Neue Eskalationsstufe
Schon vor Biberach hatte es Anzeichen dafür gegeben, dass die Proteste der Landwirte nicht nur friedlich ablaufen. „Einen sehr bitteren Vorgeschmack bot bereits Anfang des Jahres die Blockade des Schiffsanlegers in Schlüttsiel, als Wirtschaftsminister Robert Habeck daran gehindert wurde, die Fähre zu verlassen“, so Kopelke im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Jetzt sei eine neue Eskalationsstufe erreicht worden, der Polizei-Gewerkschaftschef sieht eine klare Veränderung: „Der große organisierte Protest des Bauernverbands ist abgelöst durch teilweise unfriedliche unorganisierte andere. Diese kleine Gruppe tritt respektlos, delinquent und radikaler auf und setzt Traktoren gezielt ein.“ Das habe man in Biberach gesehen, wo es Bedrohungen, Angriffe auf Einsatzkräfte und erhebliche Sachbeschädigungen gegeben habe – „und eine Veranstaltung einer demokratischen Partei vorsichtshalber abgesagt werden musste“, so Kopelke.
Werden Traktoren bei Bauernprotesten „bewusst als Waffe eingesetzt, muss der Rechtsstaat sofort reagieren“
Unklar ist, inwieweit Radikale die Bauernproteste für ihre Zwecke kapern. Proteste seien grundsätzlich legitim und elementarer Teil der Meinungsfreiheit, so Polizist Kopelke, aber: „Diejenigen, die protestieren, müssen jedoch nicht nur selbst friedlich bleiben, sondern auch darauf streng achten, dass sich keine gewaltbereiten Menschen oder Gruppierungen unter die friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten mischen.“
Derweil zeigt sich ein neues Gefahrenpotenzial. Unter anderem in Brandenburg hatten Landwirte Anfang Februar mit Traktor-Blockaden auf Autobahnen für gefährliche Situationen gesorgt. Und bei Magdeburg, in Unterfranken und in anderen Regionen der Republik brannten bei Bauernprotesten Lkw-Reifen und Misthaufen auf der Straße. „Fakt ist, Traktoren und Landmaschinen sind große, besonders schwere Fahrzeuge, die Unbeteiligte und die vor Ort zum Schutz der Demonstration eingesetzten Polizisten erheblich verletzen können. Werden sie bewusst als Waffe eingesetzt, muss der Rechtsstaat sofort reagieren“, sagt Jochen Kopelke. Die Polizei müsse sich zunehmend darauf einstellen, dass Traktoren „zu unfriedlichen Zwecken“ eingesetzt werden könnten. Sie sollten gegebenenfalls „bei den Versammlungsbehörden ein temporäres, situatives Verbot der Fahrzeuge einfordern“.
Bauernprotest aus dem Ruder gelaufen: „Auftritte von Politikern müssen intensiver geschützt werden“
Der Gewerkschaftschef sieht die Proteste als Symptom einer allgemeinen Entwicklung. „Seit längerem erleben wir, dass Proteste unfriedlicher werden. Spürbar verschärft hat sich das Demonstrationsgeschehen mit den PEGIDA-Aufmärschen, die Corona-Leugner haben weiter eskaliert“, so Kopelke. Die Folge: „Auftritte von Politikern in der Öffentlichkeit müssen intensiver geschützt werden. Meine Kolleginnen und Kollegen im Einsatz erleben eine zunehmende Aggressivität ihnen gegenüber.“ Das bedeute Stress für die Polizistinnen und Polizisten – der „Abnutzungsprozess der Polizeien“ werde dadurch beschleunigt.
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Demo mit über 1000 Traktoren und Lkw in Düsseldorf
Am kommenden Samstag wird sich zeigen, wie es mit den Bauernprotesten weitergeht. Unter dem Motto „Demo 2.0“ protestieren in der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf Landwirte gemeinsam unter anderem mit Spediteuren. Angemeldet sind laut Polizei über 1000 Traktoren und Lkw.
Kopelke macht deutlich: „Wir dürfen uns das hohe Gut der Versammlungsfreiheit nicht von den Feinden unserer Freiheit streitig machen lassen. Dass so viele Menschen seit Wochen für unsere Demokratie auf die Straße gehen, ist jedoch ein positives Zeichen, das Mut macht.“