Personalabbau und Insolvenzen: Chef der Unternehmervereinigung mit düsterer Prognose
Christian von Stülpnagel, Vorsitzender der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen, ist wenig optimistisch. Frühestens 2026 rechnet er mit einer „Konsolidierung“.
Wolfratshausen – Fast auf den Tag genau vor einem Jahr konstatierte der Vorsitzende der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW): „Wir stecken in einer Rezession – und wir rutschen voraussichtlich noch tiefer rein.“ Leider bewahrheitete sich die Prognose von Christian von Stülpnagel. Auch mit Blick auf 2025 ist der 71-jährige Inhaber und Geschäftsführer der eg-electronics GmbH in Wolfratshausen ganz und gar nicht optimistisch. Er geht davon aus, dass der Wind der deutschen Wirtschaft weiter ins Gesicht bläst, dass es zu weiterem Personalabbau und zu Insolvenzen kommt. „Konsolidieren werden wir uns mutmaßlich erst 2026“, so von Stülpnagel. Vorausgesetzt, die neue Bundesregierung sorge ab Februar rasch für positive Impulse.
IHK: Sand im Getriebe sowie ein immenser Reformstau
Die Wirtschaftsforscher des Ifo-Instituts in München stellen fest: Der Pessimismus auf den Führungsetagen vieler Unternehmen zwischen Sylt und Garmisch-Partenkirchen hat weiter zugenommen. Im Oberland, so die Industrie- und Handelskammer (IHK), rutschte das Stimmungsbarometer nach einem kurzen Hoffnungsschimmer im Frühjahr wieder in den Keller. Der regionale IHK-Konjunkturindex sank um 14 auf 100 Punkte und liegt damit unter dem langjährigen Durchschnitt von 118 Zählern. Der Status quo: „Die Geschäfte der Betriebe laufen erneut schlechter, die Aussichten sind ähnlich trüb wie zu Jahresbeginn. Die Unsicherheit aufgrund der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie die ausbleibende Inlandsnachfrage dämpfen die Stimmung sehr“, bilanziert Klaus Bauer, Sprecher des IHK-Forums Region Oberland. „Es ist viel Sand im Getriebe der Wirtschaft, der Reformstau immens.“
Für jede neue Regel müssen zwei andere weg.
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Das bestätigt der Vorsitzende der UWW, die aktuell mehr als 120 Mitglieder zählt: „Von der Herbstbelebung war heuer nichts zu spüren“, der Aufschwung nach der dramatischen Flaute in Folge der Corona-Pandemie sei längst verpufft. Ein latentes Übel ist für den Wolfratshauser die überbordende Bürokratie. „Jedes Jahr gibt‘s neue Regelungen“, schimpft der Unternehmer. Das von Landes- und Bundespolitikern gebetsmühlenartig abgegebene Versprechen, den Dschungel aus Gesetzen und Normen zu lichten – für von Stülpnagel sind das nur Lippenbekenntnisse.
Sondervermögen ist für von Stülpnagel ein Unwort
Ein Beispiel: Das Anfang 2023 in Kraft getretene „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“, das die Unternehmer dazu verdonnert, bei globalen Lieferketten die Einhaltung von Menschenrechten zu garantieren. Von Stülpnagel will nicht missverstanden werden: Kinderarbeit sei ein absolutes No-Go, faire Löhne müssten bezahlt und die Umwelt geschützt werden. Doch das Lieferkettengesetz sei ein Papiertiger, kein Mittelständler sei de facto in der Lage „im fernen Osten das Arbeitsrecht zu verbessern“. Die Forderung des UWW-Vorsitzenden mit Blick auf das Bürokratiemonster lautet: „Für jede neue Regel müssen zwei andere weg.“
Die rote Karte zeigt der Wolfratshauser denen, die vorrangig den Schuldenberg erhöhen wollen, um die Wirtschaft zu beflügeln. Sondervermögen ist für von Stülpnagel ein Unwort: „Das sind Schulden. Schulden, die wir nachfolgenden Generationen hinterlassen. Das ist keine Lösung, das darf nicht sein.“
Stadt Wolfratshausen sollte Ausgaben „ganz genau“ ins Auge nehmen
Stattdessen müssten „wie auch in einer Familie, wie in einem Unternehmen“ primär alle Ausgaben auf den Prüfstand. „Für was gebe ich eigentlich mein Geld aus?“ Zu diesem Vorgehen ermuntert der 71-Jährige auch die Stadt Wolfratshausen, deren Haushalt 2025 wie berichtet in erhebliche Schieflage geraten ist. 60 Millionen Euro für einen Schulbau – daran führt kein Weg vorbei. Doch an anderer Stelle – Stichwort Planungsaufträge/Machbarkeitsstudien – „sollte unbedingt ganz genau hingeschaut werden“.
Damit der Wirtschaftsmotor wieder zu brummen anfängt, dazu bedarf es laut von Stülpnagel „Änderungen in der Politik“. Noch viel wichtiger: Der Krieg in der Ukraine müsse ein Ende finden. Angesichts dieser und anderer blutiger Auseinandersetzungen in der Welt stellt der Wolfratshauser sich die Gretchenfrage: „Wieso können wir Menschen nicht friedlich miteinander leben, sondern bringen uns gegenseitig um?“ cce