Können manche Medikamente einer Demenz vorbeugen? Große Datenanalyse zeigt Ergebnis

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Forscher nehmen sich der Frage an, welche Medikamente das Risiko einer Demenzerkrankung senken oder erhöhen. Dabei untersuchen sie mehr als ein Dutzend Studien.

London – Demenz gibt der Forschung viele Rätsel auf. Auch hinsichtlich möglicher Einflüsse von Medikamenten stellen sich viele Fragen. Ein Team von internationalen Wissenschaftlern unter Führung der in Großbritannien praktizierenden Benjamin Underwood und Ilianna Lourida hat nun untersucht, inwiefern sich die Einnahme bestimmter Arzneimittel auf das Risiko einer Demenzerkrankung auswirken kann.

Dafür wurden 14 Studien unter die Lupe genommen, und damit auch die Daten von 139 Millionen Menschen und einer Million Demenz-Fällen. Neun der Studien stammen aus den USA, zwei aus Japan und jeweils eine aus Südkorea, Wales und Deutschland. Die auf dieser Grundlage entstandene Arbeit wurde im Fachjournal „Alzheimer‘s & Dementia: Translational Research & Clinical Interventions“ veröffentlicht.

Forschung zur Demenz: Welche Medikamente könnten das Risiko einer Erkrankung beeinflussen? © IMAGO / Westend61

Einfluss von Medikamenten auf Demenrisiko: Forscher untersuchen 14 Studien

Zwar gab es Unstimmigkeiten bei der Identifizierung spezifischer Arzneimittel. Das Team, dem auch Matthew Betts von der Uni Magdeburg angehört, hielt jedoch fest: Antimikrobielle Mittel, Impfungen und Entzündungshemmer wurden mit einem verringerten Risiko in Verbindung gebracht, bei Diabetes-Medikamenten, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln sowie Antipsychotika scheint das Risiko erhöht zu sein. Widersprüchliche Belege fanden die Forscher im Hinblick auf Antihypertensiva und Antidepressiva.

Sie gaben jedoch zu bedenken, dass zwischen den Studien keine Konsistenz zu erkennen ist, wenn es darum geht, einzelne Medikamente zu identifizieren, die das Risiko von Demenz und Alzheimer verändern. Die bei den Analysen verwendeten Daten seien nicht geeignet, um belastbar Kausalitäten festzustellen. Denn sie seien ursprünglich für klinische Zwecke gesammelt worden.

So könnte beispielsweise die Verschreibung von Antidepressiva in frühen Stadien einer Demenz, die mit veränderter Stimmung einhergeht, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Demenzdiagnose verbunden sein, obwohl die Demenz das Risiko erhöht, Antidepressiva verschrieben zu bekommen. Daher zeigt sich bei dieser Gruppe alles andere als ein klares Bild.

Forschung zu Demenzrisiko: Antivirale Arzneimittel und Impfungen hervorgehoben

Trotz einiger offener Fragen stellen die Forscher fest, dass manche Ergebnisse mit zuvor veröffentlichter Literatur und der biologischen Plausibilität übereinstimmen. So halten sie den Zusammenhang zwischen Antibiotika, Virostatika und Impfstoffen und einem verringerten Demenzrisiko für faszinierend. Hinsichtlich der Vakzine werden jene gegen Hepatitis A, Typhus, Hepatitis A und Typhus kombiniert sowie Diphtherie genannt.

Antivirale Arzneimittel würden zu den vielversprechendsten neu entwickelten Medikamenten zählen, und das Interesse an Impfungen würde wegen deren Schutzfunktion zunehmen, schreibt das Team. Diese Hypothesen seien durch die Ergebnisse gestützt worden.

In mehreren Studien würden blutdrucksenkende Mittel als risikomindernde Medikamente genannt. Dabei werden sie gegen Bluthochdruck verschrieben, der selbst als Risikofaktor für Demenz gelte. Die Behandlung von Bluthochdruck in der Lebensmitte würde sich aber positiv auf das gesamte Leben auswirken. Entzündungshemmende Mittel stellen demnach die nächst häufigste Gruppe von Medikamenten dar, die mit einem verringerten Demenzrisiko einhergehen.

Krankenschwester sitzt auf Parkbank älterer Frau im Rollstuhl gegenüber und hält ihre Hände
Auf fremde Hilfe angewiesen: Demenz greift in aller Regel im höheren Alter um sich. © IMAGO / HalfPoint Images

Studie zum Demenzrisiko: Kausale Zusammenhänge nicht bei allen Medikamenten klar

Hinsichtlich antipsychotischer Medikamente sollten laut den Forschern vor allem jene Menschen Vorsicht walten lassen, bei denen ein Demenzrisiko besteht oder bei denen die Krankheit bereits diagnostiziert wurde. Allerdings könne wie bei Antidepressiva ein umgekehrter kausaler Zusammenhang hier nicht ausgeschlossen werden.

Antidepressiva, andere auf das Nervensystem abzielende Medikamente und in geringerem Maße auch solche Mittel, die zur Kontrolle des Blutzuckerspiegels verschrieben werden, wurden demnach in den Studien sowohl mit einem erhöhten als auch mit einem verringerten Demenzrisiko in Verbindung gebracht.

Die Forscher geben zu bedenken, dass ihnen keine Daten über die Verabreichung von Medikamenten vorlagen und nicht sicher sei, dass verschriebene Arzneimittel wirklich eingenommen wurden. Andererseits könnten einzelne Personen auch Mittel eingenommen haben, ohne eine Verschreibung zu beantragen.

Haufen von Pillen zwischen zwei offenen Behältern
Ein bunter Strauß an Medikamenten: Haben sie Auswirkungen auf das Risiko einer Demenzerkrankung? © IMAGO / Zoonar

Medikamente und Auswirkungen auf Demenzrisiko: Forscher stoßen auf unerwartete Muster

Aufschlussreich fänden die Wissenschaftler auch die Rolle von Einzel- und Mehrfachmedikamenten in Bezug auf das Demenzrisiko. Zu beachten sei auch, dass nur eine der 14 Studien eine Sensitivitätsanalyse durchführte, bei der fünf oder zehn Jahre vor der Diagnose erstmals verschriebene Medikamente ausgeschlossen wurden.

Trotz der Fleißarbeit des Teams bleiben also eine Menge Fragen offen. Die Wissenschaftler betonen jedenfalls, auf einige erwartete und einige unerwartete Muster gestoßen zu sein. Es sei schon jetzt wichtig, zu klären, ob Medikamente für die Behandlung von Demenz umgewidmet werden müssten. Dieser Aspekt werde in Zukunft aber noch an Gewicht zunehmen. (mg)

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