„Dramatische und schnelle“ Rückbildung: Tumor-Studie macht Hoffnung auf Durchbruch in Krebsforschung
Eine neue Studie aus den USA liefert erste Daten für die Therapie eines sehr aggressiven Hirntumors. Wie aussagekräftig sind sie wirklich?
Massachusetts (USA) – Immer wieder gelingen der Wissenschaft Durchbrüche. Für ernsthaft Erkrankte stellen sie eine große Hoffnung dar. In der ununterbrochen laufenden Krebsforschung liefert eine neue Behandlungsform nun womöglich zukunftsweisende Erkenntnisse. Das geht aus den vorläufigen Ergebnissen einer klinischen Studie aus den USA hervor.
Im Fokus der Forschung stehen Hirntumore, oder genauer: Glioblastome. Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA ordnet Prof. Dr. Stephanie Combs vom Universitätsklinikum rechts der Isar die Ergebnisse näher ein. Sie ist führende Expertin auf dem Gebiet der Radioonkologie.
Glioblastom: Was genau ist darunter zu verstehen?
„Ein Glioblastom ist ein sehr aggressiver Hirntumor, das heißt ein Tumor, der sehr schnell voranschreitet und mit einem Überleben zwischen eineinhalb und zwei Jahren assoziiert ist“, erklärt Prof. Dr. Combs. Wie die Deutsche Krebsgesellschaft informiert, treten Glioblastome „bevorzugt im Großhirn bei Erwachsenen auf“. „So ein Hirntumor wird immer aus der Kombination aus einer neurochirurgischen Operation, einer Strahlentherapie und einer Chemo-Therapie behandelt“, so Prof. Dr. Combs.
Studie aus den USA: Neue Behandlungsmöglichkeit – Zellen „direkt in das Gehirn injiziert“
Die Ergebnisse zeigen eine „dramatische und schnelle“ Rückbildung des Glioblastoms nach einer sogenannten CAR-T-Therapie mit neuem Ansatz, so die Studienautoren. „Die CAR-T-Therapie wird für Bluterkrankungen schon sehr erfolgreich eingesetzt. Das sind Zellen des Patienten, die so umprogrammiert werden, dass sie gegen die Erkrankung vorgehen. Und jetzt versucht man eben diese Zellen so zu modifizieren, dass man sie auch für andere Erkrankungen einsetzt“, ordnet Prof. Dr. Combs im Gespräch mit IPPEN.MEDIA ein.
Im Falle der neuen Studie werde nun getestet, ob die CAR-T-Therapie auch zur Behandlung von Glioblastomen eingesetzt werden kann. Den Studienautoren zufolge ist die Methode „als die personalisierteste Art der Krebsbehandlung bekannt“. Neu ist: Die Wissenschaftler aus den USA kombinierten die CAR-T-Therapie mit Antikörpern, sogenannten T-cell engaging antibody molecules (TEAMs). Die CAR-TEAM-Zellen werden „direkt in das Gehirn des Patienten injiziert“, so die Autoren.
Die Therapieform sei „sehr neuartig und modern und relativ aufwändig – auch in der Herstellung der CAR-T-Zellen, weil man dafür hochspezialisiertes Equipment benötigt“, erklärte Prof. Dr. Combs.
Behandlung erstmals am Menschen getestet – Phase-1-Studie mit drei Probanden
- Veröffentlicht wurde die Studie im The New England Journal of Medicine.
- Es handelt sich um eine zunächst nicht abgeschlossene Phase-1-Studie. Das bedeutet, die Behandlungsmethode wurde erstmals am Menschen getestet. Und das anhand einer sehr kleinen Probandenanzahl (drei Testpersonen). Prof. Dr. Combs nennt es „eine Art Fallbericht, weil drei Fälle ja tatsächlich sehr wenig sind“.
- Studienzeitraum: März bis Juli 2023.
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„Nahezu vollständige Rückbildung des Tumors“ bei 57-jähriger Testperson
Die Ergebnisse der Studie im Detail scheinen vielversprechend, wenngleich sie in allen drei Fällen unterschiedlich sind. Die Resultate beziehen sich jeweils auf lediglich eine einzige Infusion von CAR-TEAM-Zellen, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht.
- Testperson 1: Bei einer 57-jährigen Frau zeigte sich „eine nahezu vollständige Rückbildung des Tumors“.
- Testperson 2: Bei einem 74 Jahre alten Mann „bildete sich der Tumor rasch, aber vorübergehend zurück“.
- Testperson 3: Bei einem 72-Jährigen zeigte zwei Tage nach der Infusion „eine MRT-Untersuchung einen Rückgang der Tumorgröße um 18,5 Prozent.“ Am 69. Tag sei der Tumor um fast zwei Drittel kleiner als zu Beginn gewesen.

„Man benötigt eine größere Gruppe“: Expertin ordnet Hirntumor-Studie aus den USA ein
Die Autoren der Studie weisen jedoch auch daraufhin, dass der „bemerkenswerten Reaktionen“ zum Trotz das Wachstum der Tumore nicht gänzlich gestoppt werden konnte. In allen drei Fällen sei schließlich wieder „ein Fortschreiten des Tumors beobachtet“ worden. Das Forschungsteam erwäge in einem nächsten Schritt etwa sogenannte „Serieninfusionen“ – also Infusionen über einen längeren Zeitraum. Die bisherige Arbeit resultiere in Fortschritten, zeige jedoch auch: „Es gibt noch mehr zu tun.“
„Es ist eine gute Studie – sehr innovativ, sehr aufwändig“, ordnet Prof. Dr. Combs bei IPPEN.MEDIA ein. In Bezug auf die sehr kleine Probandenzahl wendet sie ein, dass weitere Ergebnisse abgewartet werden müssten. „In den drei Fällen hat der Tumor sehr schön ‚angesprochen‘ – also, er ist auf die Therapie hin kleiner geworden und das ist natürlich erst einmal positiv zu werten. Am Ende benötigt man eine größere Gruppe, um zu schauen: War das jetzt dreimal Zufall oder ist es wirklich die Therapie, die am Ende hier den Erfolg hat?“
Frau Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs...
...ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie am Universitätsklinikum rechts der Isar. Sie ist zudem Dekanin der School of Medicine and Health der Technischen Universität München (TUM). Ihre zentrale Expertise liegt im Bereich der Hochpräzisionsstrahlentherapie (Stereotaxie, IMRT/IGRT/ART, Protonen/Schwerionen), Radiobiologie sowie Kombinationstherapien mit Bestrahlung.

Gleichzeitig geht die Expertin darauf ein, dass der Tumor laut den Studienergebnissen in allen drei Fällen wieder gewachsen ist. „Wenn man den Vorteil einer Therapie festlegen will, benötigt man einen Marker. Einer ist beispielsweise, wenn ich sagen kann, ich habe durch die Therapie das Überleben des Patienten verlängert. Oder aber, ich habe die Zeit bis zum Tumorprogress verzögert und dem Patienten damit vielleicht die Beschwerden erleichtert. Und das sind die beiden Dinge, die man sich nun in einer größeren Patientengruppe anschauen müsste.“
Auch eine Protein-Studie lieferte kürzlich zahlreiche Erkenntnisse. Doch auch sie ist aufgrund der geringen Probandenzahl nicht repräsentativ, wie ein Ernährungswissenschaftler im Gespräch mit IPPEN.MEDIA erläuterte. (mbr)