„Die Brandmauer muss fallen“: So bewerten Kreis-Politiker die Wahlergebnisse im Osten
Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen fordert die AfD-Kreisvorsitzende ein Umdenken bei der CDU. Die „Brandmauer“ nach ganz rechts außen müsse fallen.
Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben wir uns bei Politikern aus dem Landkreis München umgehört: Wie bewerten sie die Ergebnisse, insbesondere das Erstarken von AfD, aber auch „Neuling“ BSW, sowie den Absturz der drei Parteien (SPD, Grüne, FDP) aus der Berliner Regierungs-Ampel?
„Die Wahlergebnisse zeigen, dass die Ampel nach drei Jahren völlig abgewirtschaftet hat und damit ein massiver Vertrauensverlust in die Politik insgesamt verbunden ist. Das dürfte die Bundesregierung zusätzlich belasten“, schätzt der CSU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn aus Putzbrunn. „Die CDU konnte sich zwar stark behaupten, aber die Regierungsbildung wird aus Mangel an vernünftigen Koalitionspartnern extrem schwer werden.“
Das ist es auch, was die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler sorgenvoll stimmt: „Es ist dramatisch, dass so viele Menschen eine rechtsextremistische Partei gewählt haben.“ Das Abschneiden der AfD, in Thüringen mit 32,8 Prozent der Stimmen sogar stärkte Kraft, sei „eine Zäsur in der Politik“, denn wenn fast ein Drittel der Menschen die Höcke-Partei wähle, könne man dies nicht mehr einfach ignorieren. Die Unterhachingerin bedauert, „dass die demokratischen Kräfte nicht zusammenhalten und zeigen, dass sie gemeinsam an Lösungen arbeiten – das ist das große Manko“. Diese Entwicklung sei „brandgefährlich“, glaubt Claudia Köhler: „Wie schauen nun das Ausland und internationale Handelspartner auf uns?“ Insofern werde das wahlpolitische Rechts-Beben Thüringen und Sachsen „zurückwerfen“.
Köhler: AfD inhaltlich keine Substanz
Für den Moment fällt der Grünen-Politikerin keine pragmatische Lösung ein, für die Zukunft fordert Claudia Köhler: „Die Spaltung aus den politischen Lagern heraus muss sofort aufhören! Eigentlich haben wir in Bayern ja einen Landesvater (gemeint ist Markus Söder, Anm. d. R.), aber der spaltet und polarisiert lieber.“
Zur von der AfD forcierten Diskussion, die von der CDU definierte „Brandmauer“ bezüglich einer Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten aufzuweichen, weil es auf kommunaler Ebene ja schon positive Praxisbeispiele gebe, sagt Claudia Köhler warnend: „Solche Kooperationen sind Einzelfälle. Von dem bisschen AfD, was ich aus Kreis- und Landtag mitbekomme, muss ich sagen: Von denen kommen Null Komma Null vernünftige Vorschläge, inhaltlich steckt keinerlei Substanz dahinter.“
„Damit wurde Geschichte geschrieben“
Dies sieht Christina Specht, Kreisvorsitzende der AfD, erwartungsgemäß völlig anders. „Die Brandmauer muss fallen“, fordert die Putzbrunnerin. „Andernfalls, wenn die CDU mit den links-grünen Parteien koaliert, würde der Wählerwille massiv missachtet, denn sowohl in Thüringen wie in Sachsen gibt es ein klares Votum für eine Mitte-Rechts-Regierung.“ Aber sie weiß auch: „Wenn alle anderen Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen, wird es schwierig. Gleiches gilt für eine Minderheitsregierung mit Duldung der AfD.“
Meine news
Zum Thüringer AfD-Erfolg habe der hiesige Kreisverband übrigens beigetragen, „wir sind mit sechs Leuten hingefahren und haben Wahlkampfhilfe geleistet“, sagt Specht, die das Ergebnis so einordnet: „Damit wurde Geschichte geschrieben.“ Nun liege es daran, ob die Unions-Brandmauer falle oder nicht: „Ansonsten müssen wir darauf setzen, dass die Menschen nicht mehr taktisch wählen, sondern gleich der AfD ihre Stimme geben.“ Sollte dann, bei einer der nächsten Wahlen, die AfD „nochmal zehn Prozent dazubekommen“, dann gebe es keine Alternative mehr „als diese Brandmauer einzureißen“.
Rüger: Ergebnis war zu erwarten
Der SPD-Kreisvorsitzende und designierte Bundestagskandidat Korbinian Rüger aus Planegg erlebte für die Sozialdemokraten „zwei weitere sehr schlechte, aber leider erwartete Ergebnisse“. Er gibt zu: „Es hätte sogar noch schlimmer kommen können. Insgesamt sind diese Wahlergebnisse leider auch ein weiterer Beleg für die aktuelle Unbeliebtheit der Ampelkoalition.“ Was die Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen angeht, sei nun „in beiden Ländern die CDU gefragt, eine Mehrheit ohne AfD zu formen“. Die Möglichkeiten seien „sehr begrenzt“, die CDU müsse über ihren Schatten springen“. Denn, so Rüger: „Das kann man in so einer Situation von Demokraten erwarten. Es ist zum Beispiel überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die CDU in Thüringen bereit ist, mit den Leuten von Sahra Wagenknecht zu koalieren, aber nicht mit einem erfahrenen, kompetenten und seriösen Politiker wie Bodo Ramelow.“
Und wie steht es um die Ein-Prozent-FDP? „Die gestiegene Wahlbeteiligung in Thüringen und Sachsen hat leider nicht auf die FDP abgestrahlt“, sagt die FDP-Kreisvorsitzende Monika Bock aus Pullach. „Ob in Thüringen eine Regierungsbildung von CDU, Linken, BSW und SPD gelingen wird, halte ich für sehr fraglich.“ Für Sachsen gelte Ähnliches, auch dort komme CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer „am BSW nicht vorbei und nicht an der Frage, wer die wirkliche Verhandlungspartnerin sein wird“. Auf Bundesebene werde die FDP, trotz des Rausfliegens aus zwei Landtagen, weiterhin an „begonnenen Vorhaben im Bereich Steuererleichterungen, Vorschriftenreduzierung und Förderung von Bildung und Wissenschaft“ arbeiten, denn: „Dafür wurden wir gewählt, so steht es im Koalitionsvertrag, und an den halten wir uns.“