Leben unter Eispanzer auf Saturnmond? So suchen Berliner Forscher jetzt danach
Auf den ersten Blick wirkt der Saturnmond Enceladus eher unspektakulär: Erst ist weitaus kleiner als unser Mond, weit weg und komplett von einer meist 30 bis 40 Kilometer dicken Eisschicht bedeckt. Doch unter dem gefrorenen Panzer verbirgt sich ein Ozean aus flüssigem Wasser – und damit einer der vielleicht vielversprechendsten Orte im Sonnensystem bei der Suche nach außerirdischem Leben. Ein Forschungsteam der Freien Universität (FU) Berlin wird sich jetzt an der Suche beteiligen - von einem Labor aus.
Suche nach Leben auf Saturnmond soll im Sommer in Berliner Labor starten
"Wo Wasser ist, ist auch Leben möglich", sagt der Planetenforscher Nozair Khawaja, der das Team leitet. Die meiste Zeit arbeitet er als Wissenschaftler am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart. In Berlin arbeitet Khawaja mit Hilfe einer Unterstützung des Europäischen Forschungsrats von knapp zwei Millionen Euro nun an der Frage: Wenn es Leben auf Enceladus gibt, um was für ein Leben handelt es sich? Diesen Sommer sollen die Experimente an der FU losgehen.
Unser Sonnensystem besteht aus der Sonne, acht Planeten und deren Monden, die die Planeten umkreisen. Saturn ist von der Sonne aus gesehen der sechste Planet hinter Mars und Jupiter.

Nachweis von flüssigem Wasser war Sensation
"Früher glaubten Wissenschaftler, dass die Region jenseits des Mars für die Suche nach Leben oder Bedingungen für Leben hoffnungslos sei", erklärt Khawaja. Es sei zu kalt und gebe zu wenig Sonnenlicht. Der Nachweis von flüssigem Wasser auf Enceladus sei daher eine kleine Sensation gewesen. Den ersten Hinweis auf einen unterirdischen Ozean gab es 2005, als mehrere Spezialinstrumente Wasserstrahlen und -fontänen am Südpol des Mondes ausmachten.
Am Südpol hat die Eiskruste des Mondes vier große Risse, die mehrere Kilometer lang sind - Khawaja und seinen Kollegen nennen sie Tigerstreifen. Entlang der Risse werden aus Geysiren Wasserdampf und Eiskörner hunderte Kilometer hoch ins Weltall geschleudert. Die US-Raumsonde "Cassini", die von 2004 bis 2017 den Saturn umkreiste, flog mehrfach durch diese Fontänen hindurch. In den dabei von einem Spezialinstrument, dem "Cosmic Dust Analyzer", eingefangenen Eis-Partikeln wiesen Forscher komplexe und einfache organische – also auf Kohlenstoff basierende – Moleküle nach.
Bahnbrechende Entdeckung von Molekülen in Atmosphäre von Saturnmond
Enceladus scheint einen eher lockeren, steinigen Kern zu haben, in den Meerwasser eindringt und sich unter Druck und hohen Temperaturen mit dem steinigen Material vermischt, wie Khawaja erklärt. Diese Wechselwirkung werde als wesentlich für die Entwicklung von Verbindungen betrachtet, die wichtig für die Entstehung von Leben sind.
Die Entdeckungen seien bahnbrechend gewesen, sagt der Wissenschaftler. "Zum ersten Mal haben wir sehr große organische Moleküle in einem extraterrestrischen Ozean gefunden." Das könnte darauf hinweisen, dass es in dem Mond biologische Aktivitäten gibt.
Alternativ könnten die Moleküle allerdings auch durch eine hydrothermale Reaktion entstanden sein. "Als Wissenschaftler würden wir uns natürlich freuen, einen Beweis für die Existenz von Leben zu finden», sagt der Forscher. «Aber unser Hauptziel ist es, die Realität zu kennen."

Bedingungen innerhalb des Ozeans werden im Labor simuliert
Dafür versucht der Astrobiologe die Prozesse innerhalb des Mondes besser zu verstehen. Im Labor wollen er und sein Team mit Hilfe von zwei unterschiedlichen Maschinen die Bedingungen im Untergrund des Enceladus-Ozeans simulieren und nachvollziehen, was tief unter der Eisschicht passiert. Ziel ist es, herauszufinden, welche Stoffe sich in dem unterirdischen Ozean entwickeln könnten.
Die Erde ist der einzige Planet in unserem Sonnensystem, auf dem es flüssiges Wasser an der Oberfläche gibt. Unter den Monden im äußeren Sonnensystem gibt es mehrere Kandidaten, bei denen man einen flüssigen Ozean unter der gefrorenen Eisdecke vermutet - zum Beispiel auch beim Saturnmond Europa. Enceladus sei aber bislang der einzige Mond, von dem Proben aus dem unterirdischen Ozean entnommen werden konnten, sagt Khawaja.
Die Erde hat einen, Saturn 274 Monde
In unserem Sonnensystem sind nach Angaben der Nasa bislang 421 Monde bekannt, die um Planeten kreisen. Fast alle Planeten haben mindestens einen. Die Erde besitzt einen, der Mars zwei und Rekordhalter Saturn ganze 274. Dazu gehören aber auch viele sehr kleine Monde. Immer wieder kommt es vor, dass neue entdeckt werden.
Was würde es für die Menschen bedeuten, wenn es auf Enceladus tatsächlich Leben gibt? Khawaja meint: "Die Entdeckung von extraterrestrischem mikrobiellem Leben würde die Hoffnung wecken, dass Spuren des Lebens vielleicht auch an anderen Orten im Universum verbreitet sind und dort Bedingungen herrschen können, unter denen menschenähnliches Leben möglich ist oder in Zukunft angesiedelt werden könnte."
Leben auf Enceladus nur unter dickem Eispanzer möglich, nicht darüber
Der Eismond selbst komme für eine Besiedelung durch den Menschen nicht infrage. Es sei viel zu kalt. An der Oberfläche herrschten Temperaturen um die minus 200 Grad. "Niemand könnte dort überleben." Und es gibt noch einen Haken: "Es würde viele Jahre dauern, Enceladus zu erreichen."
Für alle Science-Fiction-Fans hat der Wissenschaftler eine enttäuschende Nachricht: Von der Vorstellung vom kleinen grünen Männchen, das Enceladus bewohnt, müsse man sich verabschieden. "Wir suchen nicht nach etwas, das uns ähnlich ist und zwei Augen, eine Nase und Arme hat." Wenn überhaupt, könnte es sich um mikrobielles Leben handeln, also winzige Organismen wie Bakterien, die nur unter dem Mikroskop zu sehen sind. Das gelte zumindest für außerirdisches Leben auf Enceladus. "In anderen Galaxien, in sehr weit entfernten Welten - das weiß niemand."