Nach Abzug aus Syrien: Putin verlegt seine Flotte jetzt vor Europas Haustür

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Wladimir Putins Flotte muss den heimisch gewordenen Hafen im syrischen Tartus verlassen. Die neue Basis könnte aber schon gefunden sein.

Tripolis – Baschar al-Assad musste er zu sich nach Russland holen. Und damit um seinen Einfluss in Syrien bangen. Um gute Beziehungen zu Damaskus bemüht sich Wladimir Putin aber weiterhin. Wie unter anderem die russische Nachrichtenagentur Tass berichtet, weilte am Dienstag (28. Januar) eine interministerielle Delegation Russlands für ein dreistündiges Treffen in der syrischen Hauptstadt, um sich mit der neuen Führungsriege auszutauschen.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ließ wissen: „Es war eine wichtige Reise, und die Kontakte sind ebenfalls wichtig, weil es nötig ist, einen ständigen Dialog aufzubauen und aufrechtzuerhalten.“ Laut Delegationsleiter Michail Bogdanow, Putins Sondergesandtem für den Nahen Osten und Afrika, wurde auch über einen Erhalt der russischen Militärbasen in Syrien gesprochen.

Wohin mit den Schiffen und der Ausrüstung? Wladimir Putin scheint seine Untergebenen von Syrien nach Libyen weiterziehen zu lassen. © IMAGO / ITAR-TASS, Screenshot Telegram/@radiosvoboda

Wladimir Putin und Syrien: Russische Flotte muss Hafen von Tartus verlassen

Putin nutzte vor allem den Luftwaffenstützpunkt Hmeimim südöstlich der Stadt Latakia für Operationen in Afrika, wo der Kreml seinen Einfluss nicht zuletzt dank der Wagner-Söldner seit Jahren ausbaut. Dagegen scheint er den Hafen in Tartus aufzugeben. Darauf lassen Satellitenaufnahmen schließen, die der von den USA gegründete Rundfunk Radio Liberty verbreitet.

In einem Telegram-Post werden Bilder vom 18. und vom 27. Januar miteinander verglichen. Auf diesen soll der Abtransport russischer Militärausrüstung zu sehen sein. Demnach hat mit der Sparta II eines von zwei Frachtschiffen den Hafen bereits verlassen, ebenso sei ein großer Teil der Ausrüstung vom Liegeplatz verschwunden. Die Sparta liege noch im Hafen. Der ihr am nächsten gelegene Bereich war am 18. Januar fast leer, neun Tage später jedoch mit zahlreichen Containern gefüllt. Die zeitnah verladen werden?

Die beiden Schiffe gehören der Reederei Oboronlogistika, die sich im Besitz des russischen Verteidigungsministeriums befindet. Freiwillig ist der Abzug Russlands keineswegs. Denn auch wenn Moskau die Partnerschaft zu Damaskus trotz des Assad-Sturzes am Leben erhalten will, konnte Putin den Quasi-Rauswurf seiner Leute aus Tartus nicht verhindern.

Schickt Putin seine Schiffe nach Libyen? Frachtschiff verkehrt südlich von Zypern

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge haben die Syrer den Vertrag mit dem russischen Unternehmen Stroitransgas über die Nutzung des Hafens gekündigt. 49 Jahre lang war Russland dort willkommen, also seit den Anfangszeiten des seit 1970 drei Jahrzehnte lang herrschenden Hafiz al-Assad, Vater des vor wenigen Wochen geflohenen Diktators.

Nun stellt sich die Frage, wohin Putin seine Schiffe beordert. Bereits Ende vergangenen Jahres war zu sehen, dass seine Mittelmeerflotte dem strategisch wichtig gelegenen Hafen den Rücken kehrte. Das ukrainische Portal Defense Express berichtete jetzt, dass sich das Frachtschiff Sparta II am Morgen des 28. Januar laut MarineTraffic-Daten südlich von Zypern befunden habe. Dort verortete es dieser Service auch am Mittag des 29. Januar.

Das Portal aus Kiew nennt als mögliche Ziele die Ostsee oder einen potenziellen neuen Stützpunkt in Libyen. Ein Land, in dem ein weiterer Bürgerkrieg droht. Das aber auch strategisch vorteilhaft liegt, an der Nordküste Afrikas und quasi vor der Haustür Europas.

Kriegsschiffe an Anlegestelle
Zeigen Präsenz auf den Weltmeeren: Ein Blick auf die russische Flotte im Hafen von Severomorsk im Frühjahr 2021. ©  IMAGO / ITAR-TASS

Russland und Libyen: Viele Flüge zwischen Stützpunkt in Syrien und Bengasi

Was für die zweite Theorie sprechen könnte: CNN berichtet von regelmäßigen Flügen von russischen Antonow AN-124-Transportflugzeugen und von Iljuschin IL-76-Flugzeugen zwischen Hmeimim und der libyschen Hafenstadt Bengasi. Seit Mitte Dezember habe es täglich mehr als einen solchen Flug gegeben, wie das US-Medium anhand einer Analyse der Flugdaten herausgefunden haben will.

Möglicherweise wurden moderne russische Luftabwehrsysteme transportiert. Auf Bildern sei zu sehen gewesen, wie diese kurz vor den Flügen dafür vorbereitet worden seien, um verladen zu werden. Eine Antonow sei am 28. Dezember von Libyen nach Hmeimim zurückgekehrt.

Jalel Harchaoui vom Londoner Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) habe gegenüber CNN bestätigt, dass in den vergangenen Wochen ein „unbestreitbarer Anstieg von Landungen russischer Flugzeuge aus Syrien, Russland und Belarus in Libyen“ zu verzeichnen sei.

Putins Flotte offenbar nach Libyen: Moskau unterstützt General Haftar vor Ort

In dem aktuell zweigeteilten Land unterstützt Moskau General Chalifa Haftar mit Waffen und Söldnern. Wie die Weltwoche schreibt, vermuten Beobachter, Moskau könnte einen Hafen unter Kontrolle des 81-Jährigen als Tartus-Ersatz nutzen. Verwiesen wird auf die nahe Bengasi gelegene al-Chadim-Basis, von der aus Putin seine Militäreinsätze in Staaten wie Mali und Niger fortsetzen könnte.

Die taz erwähnt die zentrallibysche Luftwaffenbasis Jufra, auf die bereits im Jahr 2020 über Hmeimim Mig-29-Kampfflugzeuge geschickt wurden. Demnach bestätigte Anton Mardasow, Militärexperte des russischen Rates für Internationale Angelegenheiten in Moskau, dass Jufra von Russland als logistische Drehscheibe in Richtung Sudan und Zentralafrikanische Republik angesehen wird.

Putin wählt wohl Libyen statt Syrien: Russlands Flotte nun vor Europas Haustür?

Laut Defense News, einem unabhängigen Portal mit dem Schwerpunkt auf Verteidigungsstrategien, erklärte RUSI-Analyst Harchaoui: „Syrien war ein sehr nützliches Sprungbrett für Flüge von Russland nach Afrika, aber nicht unbedingt notwendig.“ Auch hinsichtlich Putins Kriegsschiffen sieht er Anzeichen für eine stärkere russische Präsenz in Libyen.

Wobei er auf die 300 Kilometer östlich von Bengasi gelegene Hafenstadt Tobruk tippt. Sollte Russland sich tatsächlich dort niederlassen, „würde dies als dreiste Geste der Nato und der USA angesehen werden, und als Zeichen dafür, dass Haftar nicht einmal mehr vorgibt, auf den Westen zu hören“.

Putin scheint also den erzwungenen Abschied aus Syrien durchaus gut verkraften zu können. Die europäischen Staaten müssen sich aber darauf gefasst machen, dass Moskaus Flotte nun beinahe vor ihrer Haustür liegt. Und damit auch nahe am Gebiet der Nato. (mg)

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