Lebt Nawalny noch? Kreml verhöhnt vermissten Putin-Kritiker
Wo ist Alexej Nawalny? Von dem inhaftierten Kremlkritiker fehlt weiterhin jede Spur. Der Kreml zeigt jedoch wenig Interesse an Aufklärung.
Moskau – Das Bangen um Alexej Nawalny geht weiter: Seit Tagen wird der inhaftierte Kremlkritiker vermisst. Offenbar wurde der Oppositionelle aus dem Straflager Wladimir verlegt. Doch wohin? Unklar. Seit dem 6. Dezember fehlt jedes Lebenszeichen von dem gesundheitlich angeschlagenen 47-Jährigen. Lebt er noch? Ist er tot?
Der Kreml jedenfalls liefert keine Antworten. Das Präsidialamt von Russlands Staatschef Wladimir Putin ließ am Freitag (15. Dezember) mitteilen, es sei nichts über Nawalnys Aufenthaltsort bekannt. Kremlsprecher Dmitri Peskow ergänzte dann laut Spiegel auf Nachfrage: „Nein. Ich wiederhole es noch einmal: Wir haben nicht die Fähigkeit, das Recht oder den Wunsch, das Schicksal der Gefangenen zu verfolgen, die auf Entscheidung eines Gerichtes hin eine Strafe verbüßen.“
Wo ist Alexej Nawalny? Familie wartet auf Lebenszeichen des vermissten Putin-Gegners
Doch Nawalny ist nicht irgendein Sträfling. Er ist international als politischer Gefangener eingestuft, der zu 19 Jahren Straflager verurteilt worden ist. Doch wo ist er? Zuletzt saß er im Gefängnis in der Stadt Kowrow im Gebiet Wladimir rund 260 Kilometer östlich von Moskau. Doch von dort soll er am 11. Dezember verlegt worden sein. Ein Gericht bestätigte inzwischen, dass Nawalny nicht mehr in der Region Wladimir sein soll und in eine Haftanstalt mit schärferen Bedingungen verlegt werden sollte. „Aber wo er ist, wissen wir weiter nicht“, sagte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Freitag.
Lebt er noch – oder ist er tot? Nawalny-Team hofft auf gute News
Überführungen von einer Strafanstalt zur anderen dauern in Russland häufig mehrere Wochen. Anwälte und Angehörige erhalten oft bis zur Ankunft keine News über den Aufenthaltsort und das Wohlergehen der Häftlinge. Bereits fünf Tage vor der Verlegung war auch der Kontakt Nawalnys zu seinem Unterstützer-Team um seine Anwälte abgerissen. „Warum sie ihn nicht mehr treffen durften, ist unklar“, sagte Sprecherin Jarmysch. Seitdem versuchen seine Anhänger den Aufenthaltsort des Putin-Gegners herauszufinden.
Die Oppositionellen um Nawalny hatten vorige Woche noch die Kampagne „Russland ohne Putin“ begonnen, mit der sie vor der Präsidentenwahl am 17. März Wähler dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Dafür hatten sie sogar QR-Codes auf Moskauer Werbetafeln manipuliert. Putin tritt zum fünften Mal bei der Abstimmung an, mögliche Mitbewerber gelten als chancenlos.
Nawalnys Team, das vom Ausland aus arbeitet, hatte in der Vorwoche erstmals Alarm geschlagen, nachdem der Oppositionelle nicht wie sonst bei Gerichtsverhandlungen per Video zugeschaltet wurde. Mitarbeiter des Strafvollzugs hatten das Scheitern einer Video-Schalte mit fehlendem Strom erklärt, wie Nawalnys Team mitteilte. Nun sei zumindest bestätigt, dass das gelogen gewesen sei.
Nawalny krank: Nach Vergiftung leidet Kremlkritiker bis heute an den Folgen
Die Sorgen um Nawalny sind auch deshalb groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist und seit langem immer wieder ärztliche Hilfe fordert. Unter anderem leidet Nawalny bis heute an den Folgen einer Vergiftung, hinter der der russische Geheimdienst stecken könnte.
In mehreren deutschen Städten sind am Wochenende (16./17. Dezember) im Rahmen einer bundesweiten Kampagne Aktionen für Nawalny igeplant. Auch aus dem französischen Außenministerium hieß es, es sei sehr besorgniserregend, dass man über den kranken Nawalny seit Tagen nichts gehört habe. Die Gesundheit des Oppositionellen habe sich seit Beginn seiner Haft drastisch verschlechtert. Russland sei für die Gesundheit seiner Gefangenen verantwortlich. Alle politischen Gefangenen müssten unverzüglich freikommen, forderte Paris. Auch die Bundesregierung, die USA und die EU hatten sich wegen seines Verschwindens besorgt gezeigt. (jeki mit dpa)