Massive Kritik an Mützenich-Äußerungen – Kubicki wirft ihm „verfassungsfeindliche Erklärungen“ vor
Auch innerhalb der Ampel-Parteien erfährt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für seine Ukraine-Aussagen heftigen Gegenwind. Scholz soll eingreifen.
München – Eine Bundestagsrede mit viel Sprengkraft: Die Äußerungen von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sorgen für Aufruhr, auch und besonders innerhalb der Ampel-Parteien. Nicht nur von der Ukraine in Person von Ex-Deutschland-Botschafter Andrij Melnyk, der ihn als „widerlichsten deutschen Politiker“ bezeichnete, sondern auch aus den Lagern von FDP und Grünen hagelt es Kritik. Mützenich hatte in seiner Argumentation gegen Taurus-Lieferungen an Kiew angedeutet, dass sich die Ukraine mit Russland auf dem eigenen Hoheitsgebiet arrangieren müsse.
Grüne: Mützenich-Rede „Rückfall in die Russlandpolitik der Sozialdemokratie“
Mützenich hatte vor der Taurus-Abstimmung geäußert: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann? Geht es nicht auch politisch um diese Fragen?“ Auch sagte er, es müsse damit umgegangen werden, dass viele Länder außerhalb Europas einen anderen Blick auf diesen Krieg hätten. Daher müsse die Frage gestellt werden, „wie wir diese Länder überzeugen können, uns in Europa stärker von dieser Kriegsfessel auch zu befreien“.
Die Rede sei ein „Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie“ gewesen, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Freitag dem Sender Welt. „Es ist klar, dass ein Einfrieren dieses Konfliktes am Ende zu unfassbarem Leid der vielen Menschen in diesen besetzten Territorien führen würde“, fuhr Lang fort. Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter nannte Mützenichs Vorschlag im Sender Welt eine Ermutigung Putins, „den Krieg noch weiter zu eskalieren“. Dies schade dem Ansehen Deutschlands in der Welt. Auch Außenministerin Annalena Baerbock schüttelte den Kopf, als Mützenich sprach. Sie presste die Lippen zusammen, nestelte an ihrem Handy und hielt scheinbar nur mit viel Mühe ihre Contenance.
Lindner wirft SPD vor, Taurus-Debatte als Wahlkampf zu missbrauchen
FDP-Chef Christian Lindner warf dem Koalitionspartner SPD vor, die Debatte um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine für Wahlkampfmanöver zu missbrauchen. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung betonte Lindner: „Fragen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Existenz der Demokratie in der Ukraine dürfen nicht zum Gegenstand von Vorwahlkampf werden, wie es der Vorsitzende der SPD-Fraktion versucht hat.“
Lindners Parteikollegin, Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, forderte indes eine rasche Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen Partei. „Wenn Rolf Mützenich, der als Vorsitzender ja für die gesamte SPD-Fraktion spricht, ernsthaft ein Einfrieren des Ukraine-Kriegs fordert, rückt die Kanzlerpartei SPD offenkundig von der vereinbarten Zeitenwende ab“, sagte Strack-Zimmermann, die sich für Taurus-Lieferungen ausgesprochen hatte, dem Magazin Stern. Strack-Zimmermann sprach von einem „Paradigmenwechsel“ der SPD. Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit würden Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum von Regierungsseite nicht bewertet.
Kubicki hält Mützenich Artikel 38 der Verfassung vor
Der FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki äußerte zudem gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag): „Wie Herr Mützenich ‚Konsequenzen‘ für ihm missliebiges Abstimmungsverhalten fordert, der steht jedenfalls auf Kriegsfuß mit unserer Verfassung“. Kubicki rate Mützenich „dringend, solche verfassungsfeindlichen Erklärungen, die gegen Artikel 38 des Grundgesetzes gerichtet sind, zu unterlassen.“ Artikel 38 besagt, dass Bundestagsabgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind.
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Mützenich selbst wies die Kritik an seinen Äußerungen zurück. Er habe sich in seiner Rede „klar für die Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen und Munition, ausgesprochen“, sagte er der Rheinischen Post (Samstagsausgabe). Darüber hinaus habe er, wie viele vor ihm, „angeregt, nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken“. Mützenich betonte, er rede „keinesfalls einer Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort“. Über einen Waffenstillstand und ein Einfrieren der Kämpfe könne nur die ukrainische Regierung entscheiden. Er fügte zugleich hinzu: „Dies enthebt uns nicht von der Verantwortung, auch über Wege und Perspektiven für die Zeit nach dem Ende des Krieges nachzudenken.“ (cgsc mit dpa und afp)