Debatte über Ukraine-Hilfen: Taurus-Nein von Scholz stößt auf heftige Kritik
Kanzler Scholz bleibt bei seinem Nein zu Taurus-Lieferungen. Seine Erklärung heizt die Debatte an. Die Kritik kommt von vielen Seiten.
Berlin – Die Begründung des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) zu seiner Ablehnung von Taurus-Lieferungen an die Ukraine heizt die Debatte um die Marschflugkörper erneut an. Das Risiko einer Verwicklung Deutschlands in den Ukraine-Krieg sei für sein Nein maßgeblich: „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland“, so Scholz.
Der Bundeskanzler sieht den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern nur unter Beteiligung von deutschem Personal möglich. Er hatte bereits im Oktober die Bitte der Ukraine um Taurus-Raketen abgelehnt, aber seine öffentliche Begrünung war wenig detailliert. Auch Beispiele aus anderen Ländern, wo programmierte Waffen für die Ukraine-Hilfsleistungen genutzt werden, seien auf Deutschland nicht anwendbar: „Das, was andere Länder machen, die andere Traditionen und andere Verfassungsinstitutionen haben, ist etwas, was wir jedenfalls in gleicher Weise nicht tun können.“
Strack-Zimmermann weist auf Doppelmoral hin: Bereits programmierte Raketen in der Ukraine
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) erklärte gegenüber dem Fernsehsender Welt, dass Scholz mit seiner Behauptung, Bundeswehrsoldaten müssten im Ukraine-Krieg die Waffe vorbereiten, falsch läge. „In diesem Fall kann die Programmierung in Deutschland stattfinden, beziehungsweise die ukrainischen Soldaten müssen das hier gelehrt bekommen“, so die FDP-Politikerin. Sie stellte sich auch gegen die Befürchtung, dass Waffen für Ziele in Russland umprogrammiert werden könnten. Strack-Zimmermann gab an, dass es bereits programmierte Waffen aus deutscher Produktion im Ukraine-Krieg gebe, die der Argumentation nach ebenfalls zurückgeholt werden müssten.
Kurz bevor die erste Debatte zu Taurus-Lieferungen aufkam, hatten ukrainische Raketen das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol in Russland getroffen. Gleichzeitig geriet der Bundeskanzler jedoch unter immer mehr Druck, nachdem Frankreich und Großbritannien bereits ähnliche Marschflugkörper geliefert hatten und Joe Biden Bereitschaft gezeigt hatte, ATACMS-Raketen zu liefern. Gerüchte, dass britische Soldaten für die Programmierung in der Ukraine stationiert seien, wurden laut der Deutschen Presse-Agentur nie bestätigt.
„Falsch und politisch infam“: Deutschland laut Kritikern keine Kriegspartei durch Taurus-Raketen
Strack-Zimmermann zeigte sich vor dem Hintergrund, dass Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Besuch in der Ukraine von einer russischen Drohne verfolgt und bedroht worden sei, irritiert von der Erklärung des Bundeskanzlers: Es sei „hochproblematisch, … dass just zwei Tage später der Kanzler der Bundesrepublik dann ausschließt, dieses System zu nutzen – das ist schon bemerkenswert“. Die FDP-Politikerin hatte als einzige Ampel-Abgeordnete dem Antrag der CDU/CSU zugestimmt, in dem neben Taurus-Raketen ein Mix aus außenpolitischen Forderungen stand.
„Niemand, der Taurus für die Ukraine fordert, will, dass Deutschland zur Kriegspartei wird“, erklärte die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Für den Frieden in Europa und darüber hinaus ist es essenziell, dass die Ukraine diesen Verteidigungskampf gewinnt“, so Göring-Eckardt. Die größte Gefahr für Deutschlands Sicherheit sei, wenn der russische Präsident Wladimir Putin die Oberhand behalte und seinen imperialistischen Feldzug fortsetze.
Der CDU-Politiker Norbert Röttgen schrieb auf X: „Die Behauptung, mit der Lieferung von Taurus würde Deutschland zur Kriegspartei, ist rechtlich schlicht falsch und politisch infam.“ Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Friedrich Merz, sprach sich im Rahmen des Bundestagsantrags der Fraktion dafür aus, bezüglich der Zeitenwende „Analysen endlich umzusetzen“. Leider würden Teile der Regierung weiter bremsen, so Merz.
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SPD zeigt sich solidarisch zu Scholz‘ Taurus-Nein – Linke fordert Diplomatie
Der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich solidarisierte sich mit den Forderungen des Bundeskanzlers und forderte FDP und die Grünen gegenüber dem Magazin Stern auf, den Koalitionsstreit zu beenden: „Einige in der Koalition denken das Ende nicht mit. Wir leben in schwierigen Zeiten, vieles wankt. Dass jetzt manche meinen, auf persönliche Geländegewinne aus sein zu müssen, bringt niemandem etwas. Alle müssen sich jetzt zusammenreißen.“

Mützenich wolle dem Kanzler Raum für Entscheidungen schaffen, wobei „Einige in der Koalition versuchen, diesen Raum einzuengen“, so der Fraktionschef. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner aus dem linken Parteiflügel verteidigte die Position von Scholz vor dem RND: „Diese Ansicht herrscht laut Umfragen auch bei der Mehrheit der Bevölkerung vor.“
Gregor Gysi (Die Linke) nannte den Antrag der Union, der unter dem Titel „Für eine echte Zeitwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“ eingereicht wurde, laut Pressemitteilung des Bundestags „eine Zeitenwende zu massiver Aufrüstung“. Gysi plädierte für diplomatische Lösungen und eine neue Friedensordnung in Europa. „Wollen Sie einen Zustand erreichen, bei dem für den sozialen Ausgleich überhaupt keine Mittel mehr zur Verfügung stehen?“, fragte der Linken-Politiker. (lismah)