Vom Kriegsflüchtling zum Europawahlkandidaten: Osama Kezzo weiß, wie schnell Frieden kippen kann

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Er will denen eine Stimme geben, die keine haben: Osama Kezzo, der nun für das EU-Parlament kandidiert, am Rednerpult bei der Demonstration in Indersdorf. © höltl

Aus Angst um sein Leben flüchtete Osama Kezzo vor zehn Jahren aus seiner Heimat Syrien. Im Landkreis Dachau engagiert er sich seit Jahren im Bereich Integration. Nun kandidiert er sogar bei der Europawahl.

Dachau – Er liebte die Arbeit mit Kindern, die Geschichten, die er fürs Radio erzählen konnte. Osama Kezzo war glücklich, hatte viele Pläne für seine Zukunft. Doch dann kam der Krieg. Und änderte alles. Kezzo arbeitete als Sportlehrer und Journalist in Aleppo. Als der Bürgerkrieg ausbrach, flüchtete er aus Angst um sein Leben – wie Millionen anderer Syrer. Das war 2014. Sein Weg führte ihn über den Libanon, den Iran und die Türkei nach Deutschland.

Nun, sieben Jahre nachdem der heute 38-Jährige in Deutschland ankam und rund eineinhalb Jahre nachdem er eingebürgert wurde, kandidiert er für das Europaparlament. Erst kürzlich sprach der Dachauer in Indersdorf auf der großen Demo für Demokratie – der Weg dorthin war ein langer.

Osama Kezzo flieht 2014 vor Krieg in Syrien: Zehn Jahre später kandidiert er bei Europawahl

Seine erste richtige Station im Landkreis Dachau war 2016 Weichs. Kezzo lebte dort in einer Containerunterkunft für Asylbewerber. Für ihn war schnell klar: Ich will nicht einfach nur rumsitzen, ich will helfen. Helfen, die Situation für andere leichter zu machen. Er bot der Caritas an, sich ehrenamtlich einzubringen. Dieses Engagement war nicht neu für Kezzo, bereits in Syrien und im Libanon engagierte er sich für Friedensprojekte.

In Weichs half er, Barrieren zu überwinden, sprachliche und kulturelle. Er übersetzte viel, begleitete andere Flüchtlinge zu Ärzten, zeigte den Menschen ihre Gemeinsamkeiten, zeigte „dass Unterschiede unsere Gesellschaft bereichern“, erzählt er heute. Er machte eine Ausbildung zum Kulturdolmetscher, fing an, bei der Caritas im Bereich Flüchtlings- und Integrationsberatung zu arbeiten. Kezzo engagiert sich darüber hinaus im Migrationsbeirat und beim Runden Tisch gegen Rassismus.

Osama Kezzo weiß, wie schnell Frieden kippen kann

Er weiß genau, was passiert, wenn Hass und Hetze eine Gesellschaft spalten. Die Folgen des Kriegs sind jeden Tag Teil seines Lebens – auch wenn er mittlerweile sicher und glücklich in Deutschland lebt.

Es ist ein Teil meines Lebens geworden, dass ich Angst um meine Eltern habe.

Kezzos Eltern leben noch in Syrien. Pendeln je nach dem wie die Lage ist, zwischen Latakia und Aleppo. Erst vor ein paar Wochen gab es wieder Bombardierungen. „Es ist ein Teil meines Lebens geworden, dass ich Angst um meine Eltern habe.“ Eine Angst, an die sich niemand gewöhnt – „obwohl sie einen ständig begleitet“. Kezzo kennt nicht nur diese Angst, er kennt auch den Schmerz, geliebte Menschen im Krieg zu verlieren, wie seinen Cousin oder seinen Freund.

Diese Angst, dieser Schmerz und seine Fluchterfahrungen haben Kezzo mit zu dem Menschen gemacht, der er heute ist. Er weiß, wie schnell „in einem Land, das zu den sichersten in der Welt gehörte, der Frieden kippen kann“. Deshalb hat ihn sein Weg so weit gebracht, dass er sich in seiner neuen Heimat bei Demonstrationen wie im Januar in Dachau und kürzlich in Indersdorf auf Bühnen stellt und für Demokratie eintritt.

„Ich will lauter sein, will denen eine Stimme geben, die keine haben“

Doch das ist nicht genug für Kezzo. „Ich will lauter sein, will denen eine Stimme geben, die keine haben, und vor allem: Ich will Politik aktiv mitgestalten, nicht nur beraten.“ Deswegen entschied er sich vergangenes Jahr dafür, für die paneuropäische, also von einer Vielzahl von politisch-kulturellen Bewegungen beeinflusste Partei „Volt“ zu kandidieren. „Frieden kann man nicht behalten, wenn man nur zuschaut oder nur jammert.“ Er will „gegen Hass und Benachteiligung etwas tun“. Kezzo will sich auf europäischer Ebene für „eine humanere Asylpolitik“ einsetzen.“ Er ist überzeugt: „Die derzeitige Asylreform verletzt die Menschenrechte, ist sehr menschenverachtend.“ Er betont: „Wir können sehr stark sein, wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Vielfalt bereichert uns. Wir brauchen unterschiedliche Blickwinkel.“

Frieden kann man nicht behalten, wenn man nur zuschaut oder nur jammert.

Sein wichtiges Ziel ist der Dialog: Wenn wir nicht miteinander reden, können wir nicht zusammenkommen. Deswegen scheut Kezzo auch nicht das „Gespräch mit Rechtsradikalen. Auch wenn es keine schöne Erfahrung ist“.

Osama Kezzo hatte ein glückliches Leben – vor dem Krieg. Doch heute hat er eine neue Heimat gefunden, ist verheiratet, und hat völlig neue Zukunftspläne. Er will zeigen, „wie stark Europa zusammen sein kann“.

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