Nach historischer Migrations-Abstimmung steuert Merz-CDU auf dickes Bundestagswahl-Problem zu

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Nach der Migrations-Abstimmung im Bundestag drohen Auswirkungen auf die Bundestagswahl. Schwierigkeiten ziehen für Friedrich Merz auf.

Berlin – Historisch. Ein Begriff, der die Bundestagswahl-Sitzung vom Mittwoch, 29. Januar 2025 unumgänglich umkreist. Die Union hat die Anträge zur Wende in der Migrationspolitik erfolgreich eingebracht. Dies gelang allerdings nur durch Stimmen der AfD. Die in Teilen rechtsextremistische Partei jubelte. Als einzige Fraktion klatschte sie im Bundestag, als das Ergebnis der Abstimmung verlesen wurde. Sogar Merz, um dessen Anträge es ja ging, schaute da nur betreten drein.

Aus den anderen Fraktionen hingegen gab es sofort wütende Reaktionen. Schon bei der Verlesung des Ergebnisses gab es wütende Zwischenrufe über das Vorgehen der Union. Kanzler Olaf Scholz sprach etwa davon, die CDU habe „den Grundkonsens unserer Republik im Affekt aufgekündigt“, dass niemals mit extrem Rechten gemeinsame Sache gemacht werden dürfe. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich behauptete, die CDU/CSU-Fraktion sei „aus der politischen Mitte des Hauses ausgebrochen“.

Merz-Antrag geht mit AfD-Stimmen durch: Grüne und SPD wüten – CDU droht großes Problem

Grünen-Ko-Fraktionschefin Britta Haßelmann sprach nach der Abstimmung von einem „historischen Tag - und zwar im negativen Sinne“. „Das haben Sie zu verantworten“, sagte Haßelmann in Richtung von Merz. Der CDU-Chef werde „einen hohen Preis“ zahlen und fortan „ein Getriebener“ sein.

Mit Habecks Grünen? Oder doch mit Scholz‘ SPD? Die Koalitionsfrage nach der Bundestagswahl wird für Friedrich Merz schwierig. © dpa | Kay Nietfeld (Montage)

Mit Kritik ist es allerdings nicht getan. Und es könnte noch derber kommen. Schließlich wird am Freitag noch über das Zustrombegrenzungsgesetz abgestimmt. Auch hier droht großes Konfliktpotenzial. Aber neben der Wut aus den anderen Reihen rollt ein weiteres dickes Problem auf die Union vor der Bundestagswahl 2025 zu: Friedrich Merz gehen die Koalitions-Möglichkeiten aus.

Nach Abstimmung mit AfD-Hilfe bröckeln Merz die Koalitions-Möglichkeiten nach der Bundestagswahl weg

Zur Erinnerung: Vor noch gar nicht allzu langer Zeit war das Hauptproblem in der Union noch, dass Friedrich Merz mit Blick auf mögliche Koalitionen auch auf Robert Habeck und die Grünen zuging. Sogar internen Ärger mit Markus Söder nahm er dafür in Kauf. Der CSU-Chef hatte eine schwarz-grüne Koalition seit der Ausrufung der Neuwahlen als unmöglich angesehen. Söder erneuerte das ganze nun, erklärte der Rheinischen Post: „Schwarz-grün ist auf Bundesebene faktisch tot“.

Merz selbst hatte von den Grünen zuletzt wieder vermehrt Abstand genommen. Nun verstärkt sich auch bei den Grünen der Eindruck, eine solche Koalition sei nicht möglich. Die Fraktionsspitze hielt sich zunächst zurück mit Kommentaren in die Richtung, die massive Kritik am Tabubruch der CDU lässt eine reibungslose Zusammenarbeit aber unwahrscheinlich wirken. Die Grüne Jugend forderte gar bereits eine Absage an jegliche mögliche schwarz-grüne Koalitionsarbeit, solange Merz an der Spitze der Union stehe. „Konservative, die Steigbügelhalter der Nazis sind, können keine Koalitionspartner werden“, sagte Jakob Blasel, Co-Chef der Grünen Jugend im Spiegel.

Koalitionen nach der Bundestagswahl: Schwarz-grün nach AfD-Knall „faktisch tot“ – Problem um FDP

Schwierigkeiten bleiben auch bei einer möglichen Zusammenarbeit mit der FDP. Die stimmte bekanntlich mit der Union und der AfD am Mittwoch für den Migrations-Antrag im Bundestag. Parteichef Christian Lindner nannte den Antrag gar eine „wichtige politische Botschaft“. Er macht seit Längerem keinen Hehl daraus, dass er sehr gerne in einer Regierung mit der CDU/CSU zusammenarbeiten würde. Einziges Problem: Dafür müssen Lindner und Co. es am 23. Februar erstmal in den Bundestag schaffen. In aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl landet die FDP häufig unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Auch mit Blick auf das BSW könnte es schwierig für die CDU werden. Die Partei von Namensgeberin Sahra Wagenknecht steht bereits in Sachsen und Thüringen gemeinsam mit der CDU in der neuen Landesregierung. Auf Bundesebene ist die Vereinbarkeit der Parteien aber anzuzweifeln. Zwar enthielten sich die im Bundestag sitzenden BSW-Politiker bei der Migrations-Abstimmung. Bereits in den Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl in Thüringen forderte Wagenknecht allerdings, dass sich die Landes-CDU von Bundes-Chef Merz distanziere. Grund ist Merz‘ politische Meinung zu Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg. Der Kanzlerkandidat der Union will unter anderem Taurus-Marschflugkörper für den Krieg bereitstellen.

Doch wieder Groko? Verhärtete Fronten zwischen Merz und Scholz erschweren mögliche Koalition nach Bundestagswahl

Also doch wieder eine Groko mit der SPD? Auch hier würde es nach letzten Umfragen zur Bundestagswahl, die einen Absturz der Sozialdemokraten auf 15 Prozent sahen, knapp werden. Und besonders angetan scheint man in den Reihen der SPD gerade auch nicht von der CDU zu sein. Olaf Scholz sagte etwa am Mittwochabend in der Sendung Maischberger, er könne Friedrich Merz seit der Abstimmung mithilfe der AfD „nicht mehr trauen“. Nancy Faeser nannte Merz nach der Abstimmung „geschichtsvergessen“. Auch die harsche Kritik etwa von SPD-Fraktionschef Mützenich lässt den Eindruck erwecken, dass die Fronten selten so verhärtet waren, wie jetzt.

Bleibt noch die AfD. Die feierte nach der Abstimmung einen laut Kanzlerkandidatin Alice Weidel „historischen Tag“. Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann betonte: „Jetzt beginnt etwas Neues und das führen wir an.“ Die AfD-Fraktion schrieb mit Blick auf den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der Bündnisse und Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, im Online-Dienst X: „Die Brandmauer bröckelt.“ Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt Merz allerdings konsequent kategorisch aus. „Da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen, die wird es nicht geben“, sagte der CDU-Chef in den ARD-„Tagesthemen“. Eine Stimme für die AfD sei am Tag nach der Bundestagswahl „nichts mehr wert“. Wer einen Politikwechsel wolle, müsse die Union wählen. 

Merz steht nach Migrations-Alleingang isoliert da – schwierige Regierungsbildung steht bevor

Dennoch steht Merz nach dem brisanten Migrations-Alleingang der Union vor den anderen demokratischen Parteien isolierter denn je da – und mit dem Rücken zur Wand. Zum Feiern war Merz nach der Zustimmung zu seinem Antrag jedenfalls nicht. Stattdessen ging der Unions-Chef auf Grüne und SPD zu, bat darum, nochmal über den Gesetzesentwurf für Freitag zu sprechen. Wohl auch, um sich die Koalitionsmöglichkeiten nicht schon vorab vollends zu verbauen. Von seinen Ansichten wollte er dennoch kaum abrücken. Er sei nicht länger bereit, sich „von einer Minderheit davon abbringen zu lassen, Abstimmungen herbeizuführen, die in der Sache richtig sind“, verteidigte Merz sich.

Was am Ende an Koalitionen möglich ist, wird vor dem Abend des 23. Februar wohl kaum exakt einschätzbar sein. Am Ende könnte es eben doch wieder auf eine Zusammenarbeit mit der SPD oder auch mit den Grünen hinauslaufen, allein schon, um eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD auszuschließen, ist eine Kompromiss-Lösung denkbar. Fest steht: Einfach wird die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl sicherlich nicht. (han/dpa)

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