Sorgen der Bauwirtschaft werden „in Berlin mit Füßen getreten“: Wohnungsbau bricht weiter ein

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Die Baukrise geht ungehindert weiter, der Frustpegel ständig erhöht. In der Baubranche wächst die Angst vor einer Pleitewelle, die nachhaltig Fachkräfte zu verlieren droht.

Wiesbaden – Ein Ende der Baukrise in Deutschland ist noch nicht in Sicht: Der Abwärtstrend bei den Baugenehmigungen für neue Wohnungen setzte sich im Februar fort. Ihre Zahl sank um 18,3 Prozent oder 4.100 im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 18.200, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag (18. April) mitteilte. Im Vergleich zum Februar 2022 gab es sogar einen Einbruch von 35,1 Prozent. Teure Materialien und gestiegene Finanzierungskosten schrecken viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab.

„Es ärgert mich“: Baubranche von Welle an Stornierungen betroffen

Bei Einfamilienhäusern fiel der Rückgang der Baugenehmigungen in den beiden ersten Monaten des Jahres mit 35,1 Prozent im Vergleich zum Januar/Februar 2023 auf 6.100 am stärksten aus. Bei Zweifamilienhäusern wurde ein Minus von 15,4 Prozent auf 2.200 gemeldet. Auch bei den Mehrfamilienhäusern – der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart – verringerte sich die Zahl der Genehmigungen deutlich: Hier ging es um 21,5 Prozent auf 18.600 nach unten.

Eine deutliche Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Im deutschen Wohnungsbau ist aktuell fast jedes fünfte Unternehmen von stornierten Aufträgen betroffen. Im März klagten 19,6 Prozent darüber, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner Firmenumfrage herausfand. „Die Lage im Wohnungsbau bleibt angespannt“, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe. „Zu den Stornierungen kommen zu wenig neue Aufträge hinzu.“ Im März meldeten 56,2 Prozent der Betriebe einen Auftragsmangel.

Thomas Reimann, Präsident des hessischen und thüringischen Baugewerbes, zeigt sich auf Anfrage von IPPEN.MEDIA verstimmt über die neusten Zahlen aus Wiesbaden: „Es ärgert mich, wenn ich sehe, dass das unternehmerische Engagement vieler Kollegen in der Bauwirtschaft durch einen Mangel an Verlässlichkeit durch die politischen Verantwortlichen in Berlin mit Füßen getreten wird“. Die fehlenden politischen Maßnahmen würden Vertrauen zerstören und so den Wohnungsbau immer weiter ausbremsen.

Insolvenzen in der Baubranche häufen sich: Pleitewelle zeigt sich 2024

Derweil häufen sich die Insolvenzen in der Baubranche. Der Versicherer Atradius stellt in einer neuen Risikoanalyse fest: „Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Anstieg der Insolvenzen in der Baubranche zwischen 10 und 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr“. Das sagt Michael Karrenberg, Direktor für Risikomanagement beim Kreditversicherer. Im Jahr 2023 stieg die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe den Angaben zufolge gegenüber dem Vorjahr um rund 21 Prozent auf 2.900 Unternehmenspleiten. Damit wurde das Vor-Corona-Niveau um einen mittleren einstelligen Prozentbereich übertroffen – im Jahr 2019 lag die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe bei 2.770. „Ich fürchte, dass sich die Pleitewelle in der Folge erst in diesem Jahr richtig zeigen wird“, prognostiziert Michael Karrenberg. 

Baustelle in München
Ein Gerüst und Baumaterial sind auf der Baustelle eines Neubaus zu sehen. © Sven Hoppe/dpa

Dabei handele es sich seiner Ansicht nach nicht um eine gesunde Marktbereinigung. Die Branche verliere zu viele Unternehmen, die eigentlich gebraucht werden - schließlich herrscht Wohnraummangel und das Land muss den Gebäudebestand in den kommenden zehn Jahren umfangreich sanieren und ertüchtigen.

Auch der Experte Thomas Reimann sieht diese Gefahr: „Wir laufen Gefahr, über viele Jahre ausgebildete Fachkräfte zu verlieren und die Attraktivität unserer Branche für eine qualifizierte Ausbildung nicht mehr vermitteln zu können“, sagt er IPPEN.MEDIA.

Baukrise: Hohe Zinsen und Baukosten haben Stein ins Rollen gebracht

Die gestiegenen Zinsen und höhere Baukosten haben für eine Flaute am Bau und hier vor allem beim Wohnungsbau gesorgt. Denn viele Privatleute können sich Bauen nicht mehr leisten, und für Investoren rentiert es sich derzeit kaum. Die Branche fordert deshalb Maßnahmen der Politik, um die Baukonjunktur anzukurbeln. Die Bundesregierung hat sich ursprünglich das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen gesetzt, um dem wachsenden Bedarf vor allem in den Großstädten zu begegnen. Sie dürfte es Experten zufolge aber auch 2024 deutlich verfehlen.

Mit Material von Reuters

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