Auf ihrem Instagram-Account präsentiert sich Waltraud Piranty toxisch maskulin: Sie trinkt Red Bull, schimpft über Migranten und Europa, posiert mit Frauen aus ihrem früheren Bordell. Erst seit Kurzem zählt sie selbst zu den „Damen“. Denn Waltraud kam eigentlich als Walter Gerhard zur Welt. Die Wienerin ist noch nicht lange eine Frau, zumindest auf dem Papier.

Die verurteilte Betrügerin muss als Walter wegen mehrerer Delikte eine dreimonatige Haftstrafe verbüßen. Kurz vor Haftantritt ließ sie jedoch ihren Geschlechtseintrag ändern. Im österreichischen Sender „krone.tv“ erklärte Piranty, sie habe den Schritt aus Protest unternommen: „Ich dachte mir: Dann gehe ich eben ins Frauengefängnis.“
„Es ging ruckzuck“
Zunächst lehnte die zuständige Behörde den Antrag ab: Es fehle an weiblichen Merkmalen. Doch nach Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens wurde die Änderung dann doch genehmigt. Piranty ist nun im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) offiziell als Frau eingetragen. „Es ging ruckzuck“, sagt sie selbst.

Die Justiz bot Piranty an, die Strafe mittels Fußfessel im Freien abzusitzen. Sie lehnte ab. Stattdessen verlangt sie, ihre Haft in einem Frauengefängnis in einem Mehrbettzimmer zu verbüßen, wie sie der Kronen-Zeitung sagte. „Ich freue mich aufs gemeinsame Duschen und Spazierengehen mit den Frauen. Ich mache mir dort eine gute Zeit“, sagt sie mit einem Grinsen im Live-TV.
Die österreichische Justiz zeigt sich überfordert. Eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe zum „identitätskonformen Leben von LGBTQ+-Personen im Vollzug“ soll nun klären, wo und unter welchen Bedingungen Piranty untergebracht wird.
Ähnliche Debatte in Deutschland
Der Fall erinnert an den des verurteilten Rechtsextremisten Sven Liebich in Deutschland, der kurz vor dem Antritt seiner Haftstrafe seinen Geschlechtseintrag von „männlich“ zu „weiblich“ ändern ließ. Liebich war 2023 vom Amtsgericht Halle wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu anderthalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Nach gescheiterter Revision wollte er unter dem Namen Marla Svenja in die Frauenhaftanstalt Chemnitz verlegt werden, ein Antrag, dem die Behörden stattgaben. Zur Inhaftierung kam es nicht: Liebich floh ins Ausland. Sein Fall löste eine Debatte über mögliche Missbrauchsrisiken des neuen Selbstbestimmungsgesetzes aus.
Rente gibt‘s für Waltraud früher als für Walter
Der Streit dreht sich inzwischen um mehr als nur einen Eintrag im Melderegister. Es geht nun um die Frage, wann Piranty Anspruch auf ihre Pension hat - und ob ihr nun das frühere Pensionsalter für Frauen zusteht. In Österreich dürfen Frauen schon mit 61 Jahren in Rente gehen, Männer erst mit 65.
Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) teilte auf Anfrage der „Welt“ mit, Personen mit dem Eintrag „inter“, „divers“ oder „offen“ seien gesetzlich keine Frauen im Sinne des Pensionsrechts – für sie gelte daher ebenfalls das 65. Lebensjahr als Regelpensionsalter. Trotzdem legte Piranty der Presse ein Schreiben der PVA vor, in dem der geplante Pensionsantritt bereits im Oktober 2026 vermerkt war. Sie kommentierte: „Das war nicht mein Ziel, aber ein netter Nebeneffekt.“

Die PVA erklärte, das angeführte Datum sei lediglich eine orläufige Information. Maßgeblich sei letztlich der Einzelfall: Sobald der Stichtag näher rücke, könne die PVA prüfen, ob die „besonderen Anspruchsvoraussetzungen“ tatsächlich erfüllt seien. Sollten Zweifel bestehen, könne ein anderes Regelpensionsalter herangezogen werden, also jenes für Männer. Wie genau eine solche Prüfung ablaufen soll und wer entscheidet, ob Piranty zum Zeitpunkt des Pensionsantritts „weiblich“ genug erscheint, ließ die Behörde offen.
Ermittlungen wegen Betrugsverdachts
Doch Piranty könnte noch vor dieser Entscheidung ausgebremst werden. Das österreichische Innenministerium bestätigte, dass es den Magistrat Wien beauftragt habe, das psychiatrische Gutachten, auf dessen Basis der Geschlechtseintrag geändert wurde, zu überprüfen. Es könne sich, so das Ministerium, um ein „Gefälligkeitsgutachten“ handeln – ein möglicher strafrechtlicher Tatbestand. Außerdem habe das Bundeskriminalamt Ermittlungen wegen des Verdachts auf Sozialleistungsbetrug eingeleitet.
Lücke im System
Piranty nutzt eine Lücke in einem System, das eigentlich Schutz bieten soll. Viele Trans-Personen bauen auf diesen Schutz – auf die Anerkennung ihrer Identität, auf Sicherheit im Strafvollzug. Doch was im Kern der Menschenwürde dient, kann in Einzelfällen missbraucht werden. Wenn jemand die Regeln instrumentalisiert, um Vorteile zu erlangen, zeigt das weniger die Schwäche der Idee als die Verletzlichkeit ihrer Umsetzung.
Selbstbestimmung auf dem Prüfstand
Das Gesetz, das seit November 2024 gilt, erlaubt es, den Geschlechtseintrag durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern, ohne Gutachten oder gerichtliche Prüfung, wie sie das alte Transsexuellengesetz vorsah. Die Bundesregierung will die Regelung bis Juli 2026 evaluieren, auch im Hinblick auf ihre Anwendung in geschlossenen Institutionen wie Haftanstalten.
„Klage alle, die sagen, dass ich keine Frau bin!“
Trotz laufender Ermittlungen wegen eines möglichen Gefälligkeitsgutachtens zeigt sich Waltraud P. unbeeindruckt. Im "krone.tv-Talk" mit Katia Wagner betont sie, sie habe das psychiatrische Gutachten ordnungsgemäß bei einem renommierten Arzt eingeholt, diesen zuvor nicht gekannt und das Honorar regulär bezahlt. Auch Psychotherapien habe sie bereits absolviert. Die Vorwürfe, sie habe sich den Geschlechtswechsel erschlichen, weist sie entschieden zurück – und kündigt Klagen gegen alle an, die das Gegenteil behaupten. „Ich bin eine Frau und klage alle, die sagen, dass ich keine bin“, sagt Waltraud P. selbstbewusst. Gegen einen bekannten Anwalt, der ihr öffentlich ein gefälschtes Gutachten unterstellt habe, prüfe sie bereits rechtliche Schritte.