"Bürgerkriegsähnliche Zustände": Proteste gegen Serbiens Regierung eskalieren

Im Zuge der seit einigen Tagen in Gewalt ausartenden Proteste in Serbien haben regierungskritische Demonstranten am Montagabend erneut Büros der regierenden Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vučić angegriffen. 

In der Nacht zum Freitag wurden außerdem 114 Menschen festgenommen. Das gab der serbische Innenminister Ivica Dacic bekannt. Es war bereits die zweite Nacht in Folge, in der es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen mehrheitlich studentischen Demonstranten, Sicherheitskräften und Anhängern der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) kam. In der zweitgrößten Stadt Novi Sad versammelten sich zahlreiche Menschen am Freitag vor dem Gerichtsgebäude, in dem die Anhörung mehrerer Festgenommener stattfand. 

Gruppen mir Sturmmasken verhüllt

Serbische Medien sprechen von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" in mehreren Städten am Donnerstagabend. In Novi Sad seien Gruppen, teils mit Sturmmasken verhüllt, in mehrere SNS-Büros eingebrochen und hätten diese mit Farbe und Eiern beschmiert. Während die Polizei Tränengas einsetzte, bewarfen SNS-Unterstützer die Demonstranten, wie bereits in der Nacht zuvor, mit Feuerwerkskörpern.

Verletzte auf beiden Seiten

Dacic sprach mit Blick auf die Regierungsgegner von einem "brutalen" Vorgehen. Dieses richte sich nicht nur gegen Sicherheitskräfte, sondern gegen den gesamten serbischen Staat. Bei den Ausschreitungen seien 75 Polizisten verletzt worden. Abermals betonte der Innenminister, die Ordnungskräfte hätten Zurückhaltung geübt und nur auf Angriffe reagiert.

Die Studenten und deren Angehörige zeichneten am Freitag ein ganz anderes Bild. Sie berichteten gegenüber serbischen Medien von Prügel und Einschüchterung. Allein in der westserbischen Stadt Valjevo mussten im Zuge der Proteste an die 60 Menschen im Krankenhaus behandelt werden. Einen 25-jährigen Studenten habe die Polizei laut dessen Vater zunächst auf der Straße und später in der Polizeistation verprügelt. Der oppositionelle Parlamentsabgeordnete Pedja Mitrovic, der bei den Protesten angegriffen wurde, warf der Polizei unterlassene Hilfeleistung vor.

Anti-Regierungs-Proteste in Serbien
Anti-Regierungs-Proteste in Serbien Marko Dimic/ZUMA Press Wire/dpa

Ruf nach Reformen

Serbien kommt nach dem Einsturz eines Vordachs am Bahnhof von Novi Sad im vergangenen November nicht zur Ruhe. Bei dem Unglück waren 16 Menschen getötet worden. Seit Monaten gehen Studenten auf die Straße, um Reformen einzufordern, darunter ein Ende von Korruption. Zusätzlich verlangen sie seit kurzem vorgezogene Parlamentswahlen.

Der Südosteuropa-Experte Florian Bieber warnte vor einer weiteren Eskalation. Dem Politikwissenschaftler der Uni Graz zufolge zeige die Gewalt, dass die Vucic-Regierung nicht bereit sei, ernsthaft auf die Forderungen der Regierungsgegner einzugehen. "Es ist zu befürchten, dass somit eine weitere Eskalation unvermeidbar ist", sagte Bieber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).