„Kleinen Tyrann großgezogen“ - Experten warnen vor Erziehungstrend

Eine Mutter hat Schwierigkeiten mit ihrem vierjährigen Sohn. Wie sie auf Reddit schildert, habe sie sich bei der Erziehung stark an Tipps aus den sozialen Medien orientiert. Inzwischen ziehe sie diese Ratschläge in Zweifel.

Mutter: „Ich möchte, dass er mich respektiert“

Mit ihrer bedürfnisorientierten Erziehung habe die Reddit-Nutzerin eigentlich alles richtig machen wollen. Sie habe ihr Kind als Baby liebevoll begleitet: lange gestillt, viel getragen und bei sich schlafen lassen. Ihr Ziel sei es gewesen, ihrem Sohn Liebe, Halt und Sicherheit zu geben. Heute muss sie mit den Konsequenzen leben. „Ich habe einen kleinen Tyrannen großgezogen“, schreibt die Mutter.

Der Junge verhalte sich ausschließlich ihr gegenüber respektlos, schreie sie an, kommandiere sie herum und trete sogar nach ihr. „Ich möchte, dass er mich respektiert - nicht aus Angst, sondern aus Vertrauen“, so die Nutzerin. Doch wie sie das ohne Schreien und mit klaren Grenzen erreichen kann, wisse sie nicht.

Experten sehen in einer übermäßigen Bedürfnisorientierung mögliche Risiken. So erklärt Kindheitspädagogin Christina Schwer gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ), dass Kinder dadurch verlernen könnten, mit anderen zu kooperieren. Wichtig sei daher, dass die Kleinen lernen, die Perspektiven anderer zu berücksichtigen. Dies sei ein Schlüssel zur Entwicklung sozialer Kompetenzen.

Eine bedürfnisorientierte Erziehung kann bei Kindern negative Folgen haben. (Symbolbild)
Eine bedürfnisorientierte Erziehung kann bei Kindern negative Folgen haben. (Symbolbild) Westend61 via Getty Images

Millennial-Eltern lehnen Gehorsam ab, um Kinder zu schützen

Auch wenn die Reddit-Nutzerin mit dem Verhalten ihres Kindes hadert, verfolgen viele Millennial-Eltern laut einer aktuellen These einen anderen Ansatz: Sie fordern keinen Gehorsam mehr, sondern stellen die körperliche Selbstbestimmung ihres Kindes in den Mittelpunkt. Die zentrale Botschaft lautet: „Nein heißt nein“. Eine Erziehungsmethode, durch die Kinder frühzeitig vor sexuellem Missbrauch geschützt werden sollen. 

Reiner Gehorsam könne dazu führen, dass Kinder nicht lernen, Handlungen und Forderungen von Erwachsenen zu hinterfragen. Vor dem Hintergrund der #MeToo-Bewegung ist körperliche Autonomie für viele Eltern der Millennial-Generation besonders wichtig. Wer als Kind früh lernt, eigene Grenzen zu erkennen und zu wahren, tritt auch gegenüber Erwachsenen selbstbewusst auf.

3 Erziehungstipps

  • Bildhafte Anweisungen: Statt Kindern ständig dieselben Warnungen zu wiederholen, ist es wirksamer, ihr kognitives Denken zu fördern und klare Anweisungen zu geben. Allgemeine Appelle wie „Sei vorsichtig!“ verpuffen oft, während konkrete Fragen oder bildhafte Anweisungen - etwa „Wie eine Schnecke auf der Mauer balancieren“ - besser verstanden und beachtet werden.
  • Ruhiges Sprechen: Statt lautes Verhalten mit Schreien zu begegnen, wirkt es oft besser, selbst ruhig zu sprechen und das Kind zum Flüstern aufzufordern. Mit sanfter Stimme, Augenkontakt und Berührung lässt sich viel erreichen. Gleichzeitig brauchen lautere Kinder klare, aber liebevoll formulierte Regeln, wann und wo lautes Verhalten angebracht ist.
  • „Bitte“ sagen: Das Wort „Bitte“ wirkt oft wie ein Zauberwort. Freundlich formulierte Bitten wie „Bitte stell deine Schuhe in den Schrank“ werden von Kindern eher angenommen als schroffe Aufforderungen. Eine ruhige, positive Sprache fördert nicht nur das Verständnis, sondern stärkt auch die Beziehung zwischen Eltern und Kind.