NATO-Land warnt vor erneutem Aufmarsch von Putin-Truppen an Grenze – „Wir können nicht warten“

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Greift Wladimir Putin schon bald ein NATO-Land an? Ein Außenminister warnt auf einem USA-Besuch vor einer erneuten Verlegung des russischen Militärs.

Washington – Der Ukraine-Krieg kommt Russland enorm teuer zu stehen. Weit teurer, als es sich Kreml-Chef Wladimir Putin bei seinem Invasions-Befehl wohl ausgemalt hat. Bis zum 5. November starben mindestens 145.258 Militärs, wie aus der Erhebung von Mediazona, dem russischen Dienst der BBC und weiteren Freiwilligen hervorgeht. Die Open-Source-Website Oryx listet die Verluste von unter anderem 4225 Kampfpanzern, 2326 gepanzerten Kampffahrzeugen und 6277 Schützenpanzern bis zum 1. November auf.

Was hat er noch für die NATO-Ostflanke übrig? Kreml-Chef Wladimir Putin beschäftigt auch andere russische Nachbarstaaten mit seinen Kriegsplänen. © IMAGO / ZUMA Press (2)

Putins Truppen scheinen sich also in der Ukraine aufzureiben und dort gebunden zu werden. In vielen anderen europäischen Ländern geht dennoch die Befürchtung um, Moskau würde sich auch auf einen Angriff auf NATO-Gebiet vorbereiten. Besonders die an Russland grenzende Ostflanke gerät dabei in den Fokus. Mit alarmierenden Worten warnte nun Margus Tsahkna während eines USA-Besuchs vor weiteren Aggressionen.

Putin und die NATO: Estland warnt vor russischem Aufmarsch an Grenze

Bei einer Anhörung vor der Kommission über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa des Senats – auch bekannt als Helsinki Commission – betonte der Außenminister Estlands, die russische Armee wachse trotz der Rückschläge in der Ukraine: „Als Konsequenz werden mehr Militärpersonal und mehr militärische Vermögenswerte an den finnischen und baltischen Grenzen stationiert werden.“

2016 seien etwa 125.000 russische Soldaten rund 40 Kilometer von der estnischen Grenze entfernt gewesen. Dazu erwähnte Tsahkna auch, dass in Estland rund 1,3 Millionen Menschen leben würden. „Um das Ausmaß zu verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, etwa 35 Millionen feindliche Truppen befänden sich 40 Kilometer tief in Kanada oder Mexiko“, gab der einstige Verteidigungsminister zu bedenken.

Margus Tsahkna spricht
Wichtiger USA-Besuch: Estlands Außenminister Margus Tsahkna spricht über die Bedrohung durch Russland. © Screenshot YouTube

Der estnische Geheimdienst gehe davon aus, dass Russland „binnen zwei oder drei Jahren oder weniger an die baltischen Grenzen zurückkehren“ werde. Dabei werde Putin mehr Einheiten und Material schicken als zuvor. Für das kleine Estland sei das eine Gefahr. „Wir können nicht warten, bis die Invasion startet“, stellt Tsahkna klar: „Wir haben in der Ukraine gesehen, was passiert. In Estland gäbe es dann keine Nation mehr.“

NATO-Staat fürchtet Putin-Invasion: „Feindseligkeit kennt keine Grenzen und Limits“

Wichtig seien entschlossene Reaktionen der NATO, die sich nicht einschüchtern lassen dürfe. Denn Putin wolle den Westen auseinandertreiben und die USA aus Europa vertreiben, wie er auf X ergänzte.

Dort schrieb Tsahkna auch: „Die russische Feindseligkeit kennt keine Grenzen und Limits. Ihre hybride Kampagne nimmt zu.“ Die Gefahr sei real. Die Antwort müsse daher umso deutlicher sein: „Jede russische Provokation sollte die NATO stärken, den Westen entschlossener machen und die Ukraine enger in die euro-atlantische Familie einbinden.“

Seit 2003 habe Russland 83 Mal den estnischen Luftraum verletzt. So auch im September, als drei MiG-31-Jets kurzzeitig in diesen eingedrungen waren. Danach hatte Tallinn Artikel 4 des NATO-Vertrags aktiviert, der Beratungen der Partner zur Folge hat.

Putin vor Nuklearschlag? „Das wäre für ihn politischer Selbstmord“

Bei einem Gespräch mit Vivian Salama von The Atlantic beim Thinktank Atlantic Council stellte Tsahkna zudem klar, dass künftig mit einer entschlossenen Reaktion zu rechnen sei. Künftige Bedrohungen würden in der ersten Sekunde abgeschossen.

Zu den russischen Drohgebärden eines Nuklearschlags hat er auch eine klare Meinung. „Wir leben neben Russland und wir glauben nicht, dass Putin die Nuklearwaffen jemals nutzen wird“, sagte der 48-Jährige: „Er geht taktisch vor. Das wäre für ihn politischer Selbstmord und er ist ein sehr rationaler Typ.“ Moskaus Machthaber spiele lediglich mit den Ängsten des Westens.

Pistorius über Gefahr durch Russland: Angriff auf NATO vielleicht schon vor 2029

Über diese sprach auch Boris Pistorius in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Darin sagte der SPD-Verteidigungsminister über einen möglichen Angriff Russlands auf ein NATO-Land im Osten: „Wir haben immer gesagt, das könnte ab 2029 der Fall sein. Jetzt gibt es allerdings andere, die sagen, dies sei schon ab 2028 denkbar, und manche Militärhistoriker meinen sogar, wir hätten schon den letzten Sommer im Frieden gehabt.“

Russische Soldaten mit Waffen
Vorbereitung auf den Ernstfall: Russische Soldaten trainieren für ihren Einsatz in der Ukraine. © IMAGO / SNA

Pistorius setzt dabei auf das „beachtliche Abschreckungspotenzial“ des transatlantischen Verteidigungsbündnisses. Für die Bundeswehr nennt er den Plan, „2030 eine Reserve von mehr als 200.000 Soldatinnen und Soldaten“ zur Verfügung zu haben. Die aktive Truppe soll bis dahin 210.000 bis 220.000 Soldaten umfassen. In den USA lobte Tsahkna auch das deutsche Engagement, um die Truppe wieder auszuweiten.

Polen warnt vor Russland: „Gegner hat mit Kriegsvorbereitungen begonnen“

Besonders laut dröhnen die Alarmsirenen derzeit in Polen, das eine Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad, zu Moskaus Partner Belarus und zur überfallenen Ukraine hat. Denn Warschau hat den russischen Geheimdienst im Verdacht, hinter den Zwischenfällen an Eisenbahnstrecken zu stecken.

„Der Gegner hat mit den Kriegsvorbereitungen begonnen. Er schafft hier ein Klima, das darauf abzielt, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung und Institutionen wie die Streitkräfte und die Polizei zu untergraben“, wird Wieslaw Kukula, Generalstabschef der polnischen Streitkräfte, vom öffentlich-rechtlichen Sender TVP zitiert.

So wolle Russland „Bedingungen schaffen, die einen möglichen Angriff auf polnisches Territorium begünstigen“. Allerdings gab der General demnach auch zu, dass solche Aktionen nicht zwangsläufig bewaffneten Konflikten vorausgingen. (Quellen: Mediazona, Oryx, Helsinki Commission, Atlantic Council, X, FAZ, TVP) (mg)