„Nie wieder einen völkischen braunen Sumpf“: Größte Demo gegen Rechtsextreme in Regensburg seit Jahrzehnten
Tausende Menschen gingen am Sonntag in Regensburg auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus und dessen fortschreitende Normalisierung zu demonstrieren.
Regensburg - Zwischen 10.000 und 13.000 Menschen haben nach Angaben von Polizei und Veranstalter am vergangenen Sonntag an einer Demonstration gegen rechtsextreme Umtriebe in Regensburg teilgenommen. Anlass war das durch die Recherchen von Correctiv bekannt gewordene Geheimtreffen von von Neonazis, AfD-Funktionären, Mitgliedern der Werteunion und Unternehmern in der Nähe von Potsdam.
Theater Regensburg bringt Recherchen zur Geheimtreffen von Rechtsextremen auf die Bühne
Die Pläne zur Vertreibung von bis zu 25 Millionen Menschen aus Deutschland wühlen Regensburg auch abseits der größten Kundgebung gegen Rechts seit Jahrzehnten auf. Später, am Sonntagabend, bringt das Theater Regensburg die Recherchen in einer szenischen Lesung am Spielort Haidplatz auf die Bühne. Als erstes Theater nach der Uraufführung am Berliner Ensemble.
Man müsse jetzt ein paar Dinge „etwas klarer auszusprechen“, begründet Intendant Sebastian Ritschel diese Entscheidung. Als politische Veranstaltung verstanden wissen will er die Lesung aber ausdrücklich nicht. Es sei ein Debattenbeitrag aus der Mitte der Gesellschaft.
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Geheimtreffen von Rechtsextremen: AfD und Werteunion, Gewalttäter, Neonazis und Mitglieder der besseren Gesellschaft
Komprimiert auf eine Stunde, gespickt mit Erläuterungen zum journalistischen Arbeiten und zu rechtlichen Problemen, die sich ergeben könnten, werden die zentralen Inhalte des „Düsseldorfer Forums“, das Ende November im Hotel Adlon in Potsdam stattfand, dem Publikum nahegebracht. „Düsseldorfer Forum“ wohl deshalb, weil Organisator Gernot Mörig, pensionierter Zahnarzt und Oberhaupt einer rechtsextremen Dynastie, einst in Düsseldorf lehrte.
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Auf Mörigs Einladung tauschten sich bei der Zusammenkunft Rechtsextremen wie der Identitäre Martin Sellner oder der Gewalttäter (und AfD-Mitarbeiter) Mario Müller mit AfD-Führungspersonal, Mitgliedern der Werteunion, Unternehmern und Juristen aus. Gesponsert wurde all dies von vermeintlichen Stützen der Gesellschaft.
Regensburgs OB zu Geheimtreffen: „Das ist nicht unser Deutschland und das darf es nie wieder geben“
Bei den Gesprächen, die durch Correctiv kolportiert wurden, ging es unter anderem darum, den Glauben in die Demokratie zu zersetzen und auf vorgeblich legalem Weg einen völkischen Staat zu etablieren. Ausländer und „nicht assimilierte Staatsbürger“ sollen nach den Vorstellungen der in Potsdam Anwesenden aus Deutschland vertrieben/deportiert werden.
Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer bringt bei der Kundgebung am Sonntag Vormittag die gemeinsame Klammer auf den Punkt, die wohl alle Anwesenden eint – trotz unterschiedlichster Positionen von CSU bis zur Roten Hilfe. Man wolle „nie wieder zurück“ in einen „völkischen braunen Sumpf“. Die Inhalte des Treffens hätten sie „angewidert“, so Maltz-Schwarzfischer. „Das ist nicht mein Deutschland. Das ist nicht unser Deutschland und das darf es nie wieder geben.“
Trotz Aiwanger-Spitzen: In Regensburg demonstriert auch der Bürgermeister der Freien Wähler
Mit Maltz-Schwarzfischer gekommen ist auch der Rest der Stadtspitze. Bürgermeisterin Astrid Freudenstein (CSU) und Bürgermeister Ludwig Artinger von den Freien Wählern. Er vertritt offenbar eine andere Haltung als Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger.
Aiwanger war vor und nach den bundesweiten Demonstrationen vor allem damit beschäftigt, vor womöglich teilnehmenden Linksextremisten zu warnen, die „Zurückweisung illegaler Einwanderer“ zu fordern und die Bauern-Proteste anzuheizen.
Holocaustüberlebender Ernst Grube: „Entsetzt und aufgewühlt“ durch Correctiv-Recherchen
Am bewegendsten am Sonntag ist die Rede von Ernst Grube, 91 Jahre alt, Überlebender des Konzentrationslagers Theresienstadt und seit Jahrzehnten in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) aktiv.
„Entsetzt und aufgewühlt“ hätten ihn die Correctiv-Recherchen, sagt er. Als Kind einer jüdischen Mutter habe er selbst Ausgrenzung, Entrechtung und Deportation während der Nazi-Herrschaft erlebt. Jetzt werde so etwas erneut geplant. Wenngleich unter der Bezeichnung „Remigration“.
Holocaustüberlebender sieht Parallelen zwischen aktuellem „Masterplan“ der Rechtsextremen und der NSDAP
Den in Potsdam besprochene „Masterplan“, um Geflüchtete, Menschen mit Aufenthaltsstatus und Deutsche mit Migrationsgeschichte aus Deutschland zu vertreiben, bezeichnet Grube als „Angriff auf Millionen Menschen“ und „auf die Grundaussagen unserer wichtigsten Verfassungsartikel“. Alles in vorgeblich legalem Gewande – und da unterschieden sich die völkischen Rassisten von heute nicht sonderlich von der NSDAP. Auch deren Führung sei der legale Anschein wichtig gewesen, denn:
„So konnten sie die vorhandene Bürokratie besser für sich nutzen. Das Gewissen sollte nicht stören. Gesetzeswillkür und Ordnung sollten das moralische Ruhekissen sein. Der Spielraum und die Effektivität für unmenschliche Handlungen in einer arbeitsteiligen Kette des gesamten Verbrechens wurden so ausgeweitet.“
„Parlamentarischer Arm und Zentrum des Rechtsextremismus“: AfD-Verbot gefordert
Auch wenn Grube Kritik an den etablierten Parteien äußert, die das Grundrecht auf Asyl zunehmend aushöhlen würden und sich im Diskurs im weiter nach Rechts treiben ließen, benennt er doch den klaren Gegner: die AfD.
Diese sei „parlamentarischer Arm und Zentrum des Rechtsextremismus“. Man dürfe nicht mehr zulassen, dass dieser Partei politische Macht und Steuergelder zur Verfügung stünden. Folgerichtig fordert Grube am Ende seiner Rede und unter viel Beifall dann auch ein AfD-Verbot,. Dafür sollten die Anwesenden Druck auf die Politik machen, um sein solches Verbot „mit entschlossener Sorgfalt“ voranzubringen.
Theater Regensburg ruft Zivilgesellschaft zur Wachsamkeit auf
Die Aufforderung bei der szenischen Lesung am Abend im Theater im Haidplatz richtet sich ebenfalls an die Zivilgesellschaft. „Wir wissen, dass dieser Abend keiner ist, aus dem man fröhlich herausgeht“, heißt es zum Abschluss von der Bühne. Dem Düsseldorfer Forum gehe es um „nichts weniger als die Zerstörung unserer Demokratie“. Und diese Zerstörung sei gerade jetzt im Gange, aber:
„Vielleicht wird dieser Abend auch Teil einer neuen Erzählung: Einer Erzählung, die damit beginnt, dass wir uns gegen die faschistischen Kräfte in unserem Land wehren. Es könnte eine Erzählung sein, die zeigt, dass wir viele sind. Dass wir laut sind. Dass wir als Zivilgesellschaft nicht pennen. Sondern dass wir hellwach sind. Und dass wir uns unsere Demokratie nicht kaputt machen lassen.“
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