„Wird Generationenwechsel geben“: Wie es mit SPD und Scholz nach der Wahlpleite weitergeht

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Olaf Scholz betont, dass er in der neuen Regierung keine prominente Rolle spielen wird. Derweil positioniert sich SPD-Chef Klingbeil – und kündigt „personelle Veränderungen“ an.

Berlin – Fast wirkt es so, als würde Willy Brandt dem Kanzler stumm zum Abschied winken: Olaf Scholz steht direkt unterhalb der berühmten Statue seines Vorgängers im Atrium der SPD-Parteizentrale auf der Bühne, als er sagt, was er an diesem Abend nicht anders sagen kann: „Das war eine bittere Niederlage.“ 16 Prozent für die SPD. Es ist das schlechteste Ergebnis der Partei bei einer Bundestagswahl. Er trage Verantwortung für das schlechte Ergebnis, „das muss ich klar sagen.“

SPD mit schlechtestem Ergebnis einer Bundestagswahl – warme Worte für Scholz

Von SPD-Co-Chefin Saskia Esken gab es warme Worte für den Kanzler: „Du hast gekämpft wie ein Löwe“. Freundlicher, lauter Beifall im Saal – praktisch zum ersten Mal an diesem Abend. Knapp 30 Minuten vorher noch: Totenstille im Atrium des Willy-Brandt-Hauses, als die ersten Hochrechnungen über die riesigen Bildschirme flimmern. In diesem Moment ist klar, dass die SPD es nicht noch überraschend aus dem Umfrage-Tal der letzten Wochen herausgeschafft hat. Mehrere Hundert SPD-Mitglieder stehen da, mit versteinerter Miene.

Wie geht es für Olaf Scholz nach der Bundestagswahl weiter?

Klar, dass dieses Debakel Konsequenzen in der Partei haben wird. Olaf Scholz wird in der neuen Bundesregierung keine Rolle mehr spielen. Er machte deutlich: „Ich werde bis zum Ende Kanzler bleiben, danach müssen andere entscheiden und verhandeln, wie die Regierung aussehen kann.“

Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus am Abend der Bundestagswahl
Kanzler Olaf Scholz am Abend der Bundestagswahl: „Ich werde bis zum Ende Kanzler bleiben, danach müssen andere entscheiden und verhandeln, wie die Regierung aussehen kann.“ © Peter Sieben

Zu denen wird SPD-Chef Lars Klingbeil gehören, der in den nächsten Wochen bei Koalitionsverhandlungen mit der Union mit am Tisch sitzen wird. Er ließ keinen Zweifel daran, dass einschneidende Veränderungen in der Partei nötig seien – auch personeller Art, sagte Klingbeil: „Es wird einen Generationswechsel in der SPD geben. Wir müssen jetzt die Partei wieder aufbauen.“

SPD-Chef Lars Klingbeil kündigt Generationswechsel in der Partei an

Womöglich wäre seine Partei mit einem anderen Kandidaten ins Rennen gegangen, wenn es nach ihm gegangen wäre. Zuletzt hieß es in Medienberichten, Lars Klingbeil habe Scholz mehrfach zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur gedrängt, um dem deutlich beliebteren Boris Pistorius den Weg freizumachen. Aus der SPD-Parteispitze gab es dazu ein Dementi.

Aber schon Mitte November reagierte Klingbeil im Interview mit dieser Redaktion auf die Frage, ob nicht Boris Pistorius als beliebterer Politiker der bessere Kanzlerkandidat sei, vielsagend. Er erklärte nicht etwa, dass Olaf Scholz der richtige Mann sei. Stattdessen wich er aus: „Es ist ein Trugschluss zu sagen: Wir tauschen jetzt den einen gegen den anderen aus, dann wird alles besser.“ Es gehe um inhaltliche Fragen. Deshalb sei er „in diesen Tagen im Land unterwegs, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, was ihnen wichtig ist“.

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Klingbeil hat sich längst in Stellung gebracht. Der Politiker, dessen Karriere in der Partei seit 2017 immer steiler bergauf ging, wurde zuletzt neben Pistorius als heißer Kandidat für das Amt des Vizekanzlers gehandelt. So sagte noch wenige Wochen vor der Bundestagswahl der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke unserer Redaktion: „Auf den ersten Blick spricht sehr viel für Klingbeil als nächsten Vizekanzler.“ Anderes denkbares Szenario laut von Lucke: Klingbeil wird Fraktionsvorsitzender – genau so wird es jetzt wohl tatsächlich kommen.

Kein Ministeramt für Scholz in schwarz-roter Koalition unter Merz

So oder so dürften nicht wenige in der SPD den Moment auch als eine Art Befreiungsschlag wahrnehmen: Ja, mit Scholz war die SPD 2021 zur Regierungspartei geworden – zuletzt hatte der Kanzler, dem der Malus der gescheiterten Ampel anhing und der trotzdem nicht abtreten wollte, eher wie ein Klotz am Bein der Partei gewirkt. Gut anderthalb Wochen zuvor hatte er im Interview mit dieser Redaktion einen angespannten, fast trotzigen Eindruck gemacht.

Jetzt, am Wahlabend, wirkt Scholz gelöst, als er noch einmal in die Menge winkt und dann die Bühne Richtung Ausgang verlässt. Ein Ministeramt strebt er nicht, das hatte er schon vor Wochen erklärt und am Sonntagabend noch einmal unterstrichen – Unionschef Friedrich Merz hätte ihm in einer etwaigen SPD-Unions-Koalition sicher auch keins angeboten. Im Bundestag wird Scholz aber wahrscheinlich bleiben: als gewöhnlicher Abgeordneter.

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