Für Angriff auf Russland: Bundeswehr-General hält auch Patriot-Einsatz für „denkbar“
Das Patriot-System könnte den Verlauf des Krieges beeinflussen, glaubt General Christian Freuding. Aber nicht jeder teilt diese Auffassung.
Berlin – Die Ukraine darf seit Ende Mai deutsche Waffen auch gegen Ziele in Russland einsetzen. Zumindest im begrenzten Rahmen. Zuvor musste Kiew untätig zusehen, wie sich die russische Armee auf eigenem Gebiet für einen Vorstoß auf die ukrainische Großstadt Charkiw vorbereitete.
Die nun durch die USA und Deutschland erfolgte Erlaubnis ist eine direkte Reaktion auf das Kampfgeschehen im Nordosten des Landes. Laut eines deutschen Generals könnte dabei auch das Flugabwehrsystem Patriot eine Rolle spielen.

„In den letzten Wochen hat Russland insbesondere im Raum Charkiw von Stellungen aus dem unmittelbar angrenzenden russischen Grenzgebiet heraus Angriffe vorbereitet, koordiniert und ausgeführt“, teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Man sei der Überzeugung, dass die Ukraine das völkerrechtlich verbriefte Recht habe, sich gegen Angriffe zu wehren, sagte Hebestreit weiter. Das dürfe das Land auch mit deutschen Waffen.
Ukraine könnte Patriot-System für Angriffe auf russischem Gebiet nutzen
Bis zu dieser Erkenntnis sah Deutschland für über einen Monat keine Grundlage für einen Einsatz deutscher Waffen auf russischem Gebiet. Erst ein Kurswechsel der US-Amerikaner sorgte für Einlenken in Berlin. Begrenzt sei der Einsatz auch erstmal auf die russischen Gebiete nahe der Region Charkiw.
Welche deutschen Waffensysteme überhaupt eingesetzt werden können, ist dabei aber unklar. Neben der Panzerhaubitze 2000 und dem Mars-II-Mehrfachraketenwerfer wäre auch der Einsatz von Patriot-Raketen möglich. Diese seien laut dem deutschen Generalmajor Christian Freuding „sehr effizient“, um russische Raketen und Flugzeuge abzufangen. Daher sei aus seiner Sicht ein Einsatz des Waffensystems sinnvoll, wie der Militärangehörige der ARD im Bericht aus Berlin sagte.
Das Patriot-System könnte demnach für Angriffe auf russische Flugzeuge genutzt werden, die für den Abwurf von Gleitbomben auf die Region Charkiw verantwortlich sind – auch wenn sich diese Flugzeuge in russischem Luftraum befinden. Verteidigungsminister Boris Pistorius beteuerte am Freitag, dass das Ok für „alle Systeme, die wir geliefert haben“ gelte.
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Bis auf das Patriot-System scheinen deutsche Waffen aber keine wirkliche Rolle zu spielen. So jedenfalls die Aussage des Militärexperten Gustav Gressel gegenüber dem Bayrischen Rundfunk. Gressel ist im Europäischen Rat für Auswärtige Beziehungen tätig.
Waffen für die Ukraine – Experte sieht Gefahren bei Patriot-Einsatz in Charkiw
„Die Panzerhaubitze 2000 ist eins von vielen westlichen Artilleriesystemen“, erklärte Gressel. Wenn Deutschland die Waffen-Systeme nicht freigegeben hätte, hätte ein anderes Land geliefert, so der Experte. Das Gleiche gelte auch für das Raketensystem Mars-II.
Das Patriot-System sei aus Gressels Sicht zwar effektiv, werde aber nicht dort eingesetzt, wo es sein Potenzial voll ausschöpfen könne – wie etwa im Bereich Charkiw.
„Es ist aus ukrainischer Sicht zu gefährlich, diese Systeme dort einzusetzen aufgrund der regen russischen Aufklärungsdrohnen-Tätigkeit“, sagte Gressel. Ob Kiew bei dieser Einschätzung bleibe, ist aber nicht sicher.

Ukrainischer Botschafter und deutscher General kommentieren momentanen Waffeneinsatz nicht
Von zentraler Bedeutung sind nach Gressels Einschätzungen deutsche Waffen aber nicht. Das ändere auch nicht die Freigabe für Angriffe auf russisches Territorium für den Bereich Charkiw. Auch, weil Berlin keine Waffen mit großer Reichweite beisteuere. Die Lieferung der für weit entfernte Ziele geeigneten Taurus-Rakete hatte die Bundesregierung bereits abgelehnt.
Ob es bereits einen Einsatz deutscher Waffen auf oder über russischem Staatsgebiet gegeben hat, kommentierte Freuding nicht. Auch der ukrainische Botschafter für Deutschland, Oleksij Makejew, wollte dazu im Bericht aus Berlin keine Angaben machen.
Man setze aber die westlichen Waffensysteme „im Verbund mit unseren westlichen Partnern“ taktisch ein, sagte der Botschafter. Makejew erhalte in seiner Funktion aber keine Berichte darüber, wie Waffen an der Front eingesetzt werden.
Dahingegen begrüßte der Ukrainer den Kurswechsel des Westens sehr. Denn es sei wichtig, „die roten Linien nicht um sich herum zu zeichnen, sondern sie klar vor den Aggressor zu setzen“.