Das Auto war nur der Anfang: Wie China weite Teile der deutschen Industrie bedroht – und was dagegen zu tun ist

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Peking hat sein Wirtschaftsmodell radikal umgestellt und trifft die hiesige Wirtschaft bis ins Mark. Eine Studie zeigt, wie Deutschland zu neuer Stärke zurückfinden könnte.

Deutschland hat durch die stark steigenden Industrieexporte Chinas weltweit am meisten zu verlieren. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der britischen proeuropäischen Denkfabrik Centre for European Reform. Darin werden vor allem zwei Herausforderungen genannt, die aus Sicht Deutschlands ein Umdenken erfordern: Zum einen die Wettbewerbsstärke Chinas in Industriezweigen, in denen die heimische Wirtschaft bislang führend war, wie der Autoindustrie. Zum anderen die schwache Binnennachfrage in China selbst, die das Land veranlasst, seine Produkte in die Weltmärkte zu drücken, heißt es in der Studie: „Wenn der Inlandsverbrauch stagniert und die Produktionskapazitäten steigen, sind die Exporte das einzige Mittel, um Wachstum zu erzielen.“

Seit 2023 ist China der weltweit größte Nettoexporteur von Autos

Chinas Handelsüberschuss bei Industriegütern ist laut Studie inzwischen weitaus größer als die Produktionsüberschüsse Deutschlands und Japans zusammen. Im Jahr 2019 importierte China rund eine Million, meist hochwertige Verbrenner-Fahrzeuge. Diese Importe übertrafen Chinas Exporte bei weitem. Im Jahr 2023, also nur vier Jahre später, war China bereits der weltweit größte Nettoexporteur von Autos.

Solar- und Windanlagen in China
Windräder drehen sich auf einem riesigen Solarpark in China. (Archivbild) © Ng Han Guan/AP/dpa

Kaum ein Jahr später exportierte China bereits etwa 5 Millionen Pkw mehr, als es importierte. Und einigen Berichten zufolge nähert sich Chinas Produktionskapazität – sowohl bei E-Fahrzeugen als auch bei Verbrennungsmotoren – der Marke von 50 Millionen Fahrzeugen an. Das entspräche etwa der Hälfte der weltweiten Fahrzeugnachfrage. Währenddessen exportiert Deutschland eine Million Fahrzeuge pro Jahr weniger als zu Zeiten des Höhepunkts vor der Pandemie.

China ist auch bei grünen Technologien vorne

Noch dominanter ist China bei der Produktion von Solarzellen, Batterien für Elektrofahrzeuge und deren chemischen Vorprodukten sowie den Schlüsselkomponenten für Windturbinen. Es ist gut möglich, dass sich der chinesische Markt im Solarsektor konsolidiert. Doch von einem Kapazitätsabbau kann keine Rede sein. Angeführt von Deutschland verfügt Europa zwar weiterhin über eine starke Produktion von sauberen Energietechnologien – insbesondere für alle Arten von Maschinen. Doch auch hier zeigt sich das gleiche Bild wie bei der Autoindustrie: Während der globale Handel mit grünen Technologien schnell wächst, drosselt China die Importe, während seine Exporte stark ansteigen.

Der langfristige wirtschaftliche Schaden für Deutschland wird ohne Eingreifen erheblich sein

Der Anteil der deutschen Exporte nach China am deutschen BIP ist laut der Studie in den letzten zwei bis drei Jahren zurückgegangen, was für die deutsche Wirtschaft bereits einen Verlust von etwa 0,5 Prozent bedeutet, und dieser Rückgang wird sich laut der Untersuchung fortsetzen. Der Trend bei Fahrzeugen und Maschinen sei bereits deutlich abzulesen. Gleichzeitig haben es deutsche Unternehmen schwer, im Wettbewerb zu bestehen. Sie stehen vor gesättigten Weltmärkten, eingeschränkten Exportmöglichkeiten nach China und einem härteren Wettbewerb durch chinesische Anbieter auf ihren heimischen Märkten. Doch ohne Gewinne, die neue Investitionen ermöglichen, laufen sie Gefahr, im technologischen Wettlauf zurückzufallen. Chinesische Firmen sind in einer staatlich gelenkten Wirtschaft hingegen nicht auf Gewinne angewiesen.

Vor der Finanzkrise hatte Chinas Volkswirtschaft einen Anteil von weniger als 15 Prozent an der weltweiten Produktion; heute ist es mehr als ein Drittel. In vielen wichtigen Sektoren hat China sogar einen Anteil von weit über 50 Prozent an der gesamten globalen Produktionskapazität. Die EU-Zölle auf Elektro-Autos werden dazu beitragen, die europäische Automobilproduktion vor chinesischen Importen zu schützen, heißt es in der Studie. Die Zölle seien aber kein Allheilmittel: „Selbst wenn sie Chinas Anteil am EU-Markt begrenzen, werden sie den Verlust von Exportmärkten nicht ausgleichen.“ Der langfristige wirtschaftliche Schaden für Deutschland werde ohne Eingreifen erheblich sein, halten die Autoren der Studie fest.

Deutschland sollte sich im Wettbewerb mit China neue Verbündete suchen

Das Selbstverständnis von Deutschland als Exportweltmeister, der für seinen Handelsüberschuss von anderen Ländern entsprechend kritisiert werde, müsse sich ändern: „China hat einen sechsmal so hohen Überschuss im verarbeitenden Gewerbe wie Deutschland und weist in seinen Zolldaten einen Warenüberschuss von insgesamt 1 Billion Dollar aus.“ Es sei Zeit, sich neue Verbündete zu suchen, heißt es in der Studie. Als Partner kämen die G7-Staaten, aber auch die Türkei oder Brasilien in Frage.

Des Weiteren müsse es darum gehen, dass europäische Verbraucher auch europäische Produkte kauften. So würden beispielsweise in China hergestellte Batterien für Elektroautos, die aufgrund der kohleintensiven Stromnetze häufig höhere Kohlenstoffemissionen aufweisen, nur schwer die EU-Normen erfüllen, was einen Wettbewerbsvorteil für europäische Hersteller bedeuten würde. Subventionsregelungen und Vorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen könnten diese Effekte noch verstärken: Steuererleichterungen oder Zuschüsse könnten an die Verwendung von Komponenten geknüpft werden, die den EU-Normen entsprechen, so dass die finanzielle Unterstützung die europäischen Lieferketten ankurbeln würde, anstatt Chinas Importe zu finanzieren.

Der europäische Flickenteppich an Vorschriften ist ein Hemmnis

Deutschland sei in vielen Sektoren noch immer wettbewerbsfähig und müsse gegenüber China selbstbewusster auftreten: „Als Nettoimporteur ist die EU auch in einer starken Position, da ein Konflikt der chinesischen Wirtschaft eher schaden wird als der europäischen.“ Einige Mitgliedsstaaten gewährten Verbrauchersubventionen für Elektroautos oder Wärmepumpen und unterstützen damit die chinesischen Produkte. Besser sei es, derlei Subventionen innerhalb der EU unter ein gemeinsames, regulatorischen Dach zu bringen und besser zu koordinieren.

Deutschland müsse mehr Führung bei der Gestaltung der europäischen Industriepolitik übernehmen. Die Mitgliedstaaten handelten oft uneinheitlich, halten die Autoren der Studie fest: „In der Zwischenzeit erlässt die EU immer mehr Vorschriften, die oft nicht mit der nationalen Politik übereinstimmen. Das Ergebnis ist ein teurer, ineffizienter Flickenteppich, der keine Politik- und Planungssicherheit bietet.“ Es sei wichtig zu entscheiden, welche Branchen von strategischer Bedeutung seien und diese gezielt zu fördern, einschließlich gezielter finanzieller Unterstützung. Ein gemeinsamer Fonds würde in diesem Zusammenhang die Umsetzung einer EU-weiten Industriepolitik erleichtern.

Für Deutschland gäbe es viel zu gewinnen

Die Chancen für Deutschland aufgrund dieser Maßnahmen seien enorm: Es ist wertmäßig der zweitgrößte Exporteur von kohlenstoffarmen Technologien innerhalb der G7-Staaten. Viele westliche Staaten wollten sich aus der Abhängigkeit von chinesischen Technologien lösen und suchten nach Alternativen, heißt es in der Studie: „Damit wird die Nachfrage nach deutschen Produkten steigen.“

Daran würde auch die neue Trump-Administration wenig ändern. Erneuerbare Energien seien zunehmend wettbewerbsfähig: Die US-Bundesstaaten könnten die Ökologisierung ihrer Wirtschaft eigenständig weiter vorantreiben, ohne dabei auf Washington angewiesen zu sein. „Dies dürfte die amerikanische Nachfrage nach deutschen Cleantech-Produkten ankurbeln, solange die Trump-Administration keine übermäßig hohen Zölle auf europäische Importe erhebt.“ Deutschland sei noch immer stark aufgestellt, dürfe sich nun aber nicht zurücklehnen. Ohne Gegen-Maßnahmen würden seine derzeitigen Vorteile genauso verschwinden wie die bei den Batterien für Elektrofahrzeuge und den Solarpanelen, halten die britischen Volkswirte fest.

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