Wirtschaftsweiser fordert: Keine Verbeamtung mehr für Lehrer

In dem Gespräch mit dem „Handelsblatt“ fordert der Experte, dass etwas an den Anreizstrukturen geändert werden muss. „Ich frage mich oft: Wen ziehen wir mit dieser Struktur im öffentlichen Dienst eigentlich an? Wer möchte in einem System arbeiten, in dem er unkündbar ist, lange mit relativ wenig Gehalt zufrieden sein muss – aber im Alter dann sehr gut versorgt ist?“ Werdings beantwortet die Frage selbst: „Überspitzt gesagt: risikoscheue Menschen, die oft weniger anpassungsfähig und mobil sind als andere.“ 

Das Beamtentum sei in vielen unattraktiv für hoch qualifizierte Leistungsträger wie etwa in der IT, so Werding. „Es wäre klüger, man würde kurzfristig mehr Geld ausgeben und die besten Leute zu konkurrenzfähigen Gehältern einstellen. Heute passiert das nicht, dafür verschiebt der Staat seine Versorgungslasten in die Zukunft. Wenn Menschen zu verhältnismäßig niedrigen Gehältern eingestellt und verbeamtet werden, ist das für die kommenden dreißig, vierzig Jahre die billigere Lösung. Aber danach muss die großzügige Pension gezahlt werden.“

Was sich bei Beamten noch ändern sollte

Werding ist Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum und damit selbst Beamter. Seit September 2022 ist er Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Werdings Reformvorschläge gehen aber noch über die Vergütung hinaus:

Keine Verbeamtung mehr für Lehrer 

Aus Sicht von Werding sollte es Verbeamtung nur noch für Berufsgruppen geben, die „hoheitliche Aufgaben“ wahrnehmen: „Wo staatliche Zwangsgewalt ausgeübt wird, sollten Beamte sitzen, also bei der Polizei, in der Justiz, in der Finanzverwaltung. Menschen Steuern aufzuerlegen, Straftäter festzunehmen – das sind Kernaufgaben des Staates, bei denen ich sicher sein möchte, dass die Funktionsträger sie mit einer gewissen Unabhängigkeit ausüben können.“ Eine Verbeamtung für Lehrer an Schulen und Hochschulen hält Werding dagegen nicht für nötig. „Hier sehe ich eigentlich keine hoheitliche Aufgabe.“

Reform der Pensionen 

Beamten sollten genau wie andere Beschäftigte eine gesetzliche Rente erhalten. Alle Rentenreformen werden dann eins zu eins auf sie übertragen. „Wer nicht über Einschnitte beim Beamtentum redet, bekommt auch Reformen der gesetzlichen Rente politisch nicht durchgesetzt – dabei wären sie dringend notwendig“, sagt Werding. Allerdings sollten die Beamten nicht einfach in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden, wie häufig gefordert, sondern es soll zwei Rentenkassen geben. Der Grund: Zwar würde es eine kurzfristige Entlastung bedeuten, die Beamten mit aufzunehmen. Aber da ihre Lebenserwartung höher ist, wären die langfristigen Kosten größer. Zwei Rentenkassen würden dagegen für ein „ordentliches und transparenten Versorgungssystem“ sorgen. 

Gleichstellung von Beamten und Angestellten im Krankheitsfall 

Momentan erhalten Beamte auch bei Krankheit ihren Lohn unbegrenzt wetterbezahlt. Werding: „Ich fände es angebracht, darüber nachzudenken, hier die gleichen Regelungen einzuführen wie bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Ich erlebe oft, dass keine Vertretungsstellen ausgeschrieben werden können, wenn Beamte langfristig erkranken, weil weiter die vollen Bezüge der erkrankten Person anfallen. Das ist ungünstig.“