Bundesamt erhielt Warnung zu Taleb A.: „Hinweis wurde ernst genommen“

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Während das Motiv des Attentäters von Magdeburg weiterhin rätselhaft bleibt, wird immer deutlicher: Taleb A. war den deutschen Behörden bereits seit Jahren bekannt.

Magdeburg – Nach dem tödlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit, vor der Attacke bereits einen Hinweis zum mutmaßlichen Täter erhalten zu haben. Die Warnung sei im Spätsommer letzten Jahres über die Social-Media-Kanäle eingegangen, schrieb das Bamf am Samstag (21. Dezember) auf der Plattform X. „Dieser wurde, wie jeder andere der zahlreichen Hinweise auch, ernst genommen“.

Aber da das Bundesamt keine Ermittlungsbehörde sei, wurde die hinweisgebende Person direkt an die verantwortlichen Behörden verwiesen worden, hieß es. Das sei in solchen Fällen üblich. Im Netz kursieren derzeit Screenshots, die Nachrichten einer Person mit Warnungen vor dem mutmaßlichen Täter Taleb A. an das Bamf zeigen sollen. Die Echtheit dieser Screenshots lässt sich bisher nicht verifizieren.

Warnungen auch aus Saudi-Arabien: Verdächtige wurde von Behörden nicht als Gewalttäter eingestuft

Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sagte am Samstagabend im ZDF-heute journal, das BKA habe im November 2023 einen Hinweis aus Saudi-Arabien zu Taleb A. bekommen. „Hier ist auch ein Verfahren eingeleitet worden. Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat dann auch entsprechende Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen.“ Die Sache sei aber unspezifisch gewesen. 

„Er hat auch verschiedene Behördenkontakte gehabt, Beleidigungen, auch mal Drohungen ausgesprochen. Er war aber nicht bekannt, was Gewalthandlungen angeht“, sagte Münch über den Tatverdächtigen. Diese Dinge müssten aber nochmal überprüft werden, um zu schauen, ob den Sicherheitsbehörden etwas durchgegangen sei. „Wir haben hier ein völlig untypisches Muster, und wir müssen das auch in Ruhe jetzt auch analysieren.“

Der mutmaßliche Täter Taleb A. sprach 2019 mit der FR. Das Interview lesen Sie hier im Wortlaut.

Sicherheitsexperte kritisiert deutsche Behörden: Hinweise zu Taleb A. nur unzulänglich behandelt

Der bekannte Sicherheitsexperte Peter R. Neumann glaubt, dass deutsche Behörden Informationen über den Attentäter von Magdeburg in der Vergangenheit nur unzulänglich behandelt haben. „Gab es konkrete Hinweise, die man wusste und denen dann möglicherweise nicht nachgegangen wurde“, bezog sich der Professor für Sicherheitsstudien am Londoner Kings College im Fernsehsender phoenix auf Informationen, wonach es aus Saudi-Arabien entsprechende Berichte gegeben habe. 

Für noch problematischer halte er jedoch Warnungen von Freunden und Bekannten des Attentäters, die sich an das Bamf gewandt, aber keine Antwort erhalten hätten. „Das ist nicht gut genug. Man kann nicht das ganze Volk dazu animieren, achtsam zu sein und mögliche Fälle zu melden, und dann macht man mit diesen Hinweisen nichts. Das muss aufgeklärt werden“, forderte Neumann.

Innenministerin Faeser kündigt weitere Ermittlungen an: Taleb A. fiel der Justiz wiederholt auf

Bundesinnenministerien Nancy Faeser (SPD) hat nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg zusätzliche Ermittlungen angekündigt, um herauszufinden, welche Behörden zuvor Hinweise auf den Täter hatten. „Das Bundeskriminalamt unterstützt die Ermittlungen der Behörden in Sachsen-Anhalt“, sagte Faeser der Bild am Sonntag. „Die Ermittlungsbehörden werden alle Hintergründe aufklären. Dabei wird auch genau untersucht, welche Hinweise es in der Vergangenheit bereits gab und wie diesen nachgegangen wurde.“

Nach Todesfahrt auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg
Migrantenorganisationen warnen nach dem Anschlag von Magdeburg vor Hass und Hetze. © Sebastian Kahnert/dpa

Wie der Spiegel berichtete, fiel A. der Justiz wiederholt auf und hatte er immer wieder Probleme mit den Behörden. Im September 2013 habe ihn das Amtsgericht Rostock wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ zu einer Strafe von 90 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt.

In Berlin sei gegen A. wegen des Missbrauchs von Notrufen ermittelt worden, gegen ihn sei ein Strafbefehl über 20 Tagessätze zu je 30 Euro verhängt worden. Am Tag vor dem Magdeburger Anschlag sollte über einen Einspruch von A. dagegen verhandelt werden, bestätigte die Staatsanwaltschaft dem Spiegel. Er sei aber nicht erschienen und der Einspruch verworfen worden.

Hintergrund: Der mutmaßliche Täter Taleb A. stammt aus Saudi-Arabien und lebt seit 2006 in Deutschland

Der mutmaßliche Täter Taleb A. stammt aus Saudi-Arabien und war 2006 nach Deutschland gekommen. In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: „Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland.“

Dem tatverdächtigen Taleb A. wird vorgeworfen, am Freitagabend mit einem Mietwagen auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt durch eine Menschenmenge gerast zu sein. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben. Weitere 200 Menschen wurden teils schwerst verletzt. (bg/dpa)

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