Bei Treffen vor einem Jahr - Wirre Vorwürfe, mysteriöser Zettel: So erlebte Journalist den Magdeburg-Täter Taleb A.

So grausam der Anschlag von Magdeburg mit mehreren Toten und hunderten Verletzten ist, so seltsam und bizarr ist das, was über den Attentäter Taleb A. nach und nach ans Licht kommt. Er ist ein Arzt, ein Islamkritiker, ein offenbar rastloser Aktivist für Flüchtlinge aus Saudi-Arabien. Ein Mann, der möglicherweise an Verfolgungswahn leidet, der überall Gegner, ja Feinde sah.

Ein Reporter der „ Zeit “ traf den heute 50-jährigen Mann aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebt,  gut ein Jahr vor der tödlichen Fahrt durch den Magdeburger Weihnachtsmarkt . Im Oktober 2023 habe er Taleb A. im Rahmen einer Recherche zu saudischen Flüchtlingen in Deutschland in einem Leipziger Hotel kennengelernt, schreibt der Journalist.

Attentäter von Magdeburg: Reporter traf Taleb A. vor gut einem Jahr

Bereits die Organisation des Treffens sei ungewöhnlich gewesen: Taleb A. änderte den Ort demnach kurzfristig „aus Sicherheitsgründen“, da er sich vor Beobachtungen fürchtete. Schon bei diesem ersten Kontakt wirkte er laut des Reporters sehr unruhig, habe die Situation kontrolliert und sich als selbstbewusster Erzähler gezeigt. Er habe eine Lebensgeschichte präsentiert, die geprägt ist von Fluchthilfe, islamkritischem Aktivismus und einem tiefen Misstrauen gegenüber den Behörden.

Während des Treffens überreichte Taleb A. dem Reporter einen handgeschriebenen Zettel – eine Mindmap, auf der er ein vermeintliches Netzwerk von 14 Personen skizzierte, darunter Asylaktivisten aus verschiedenen Ländern.  Aus dem Kopf habe er Notizen zu über 20 Strafanzeigen und Einstellungsbescheiden hinzugefügt. Taleb A. sei überzeugt gewesen, ein gefährliches Netzwerk in Deutschland aufgedeckt zu haben. Der Reporter erinnert sich daran, dass es dabei um sexuelle Abhängigkeiten unter Asylaktivisten, um Spendenbetrug und andere, von den USA finanzierte Saudis in Deutschland, gegangen sei.

Der Journalist der Zeit beschreibt Taleb A. als intelligenten und gebildeten Mann mit einem außergewöhnlichen Gedächtnis. Er habe rechtliche Prozesse sehr genau gekannt und mühelos diverse Paragrafen, Tweets und Zeitungsartikel zitiert.

Der geheimnisvolle Zettel, die Vielzahl der Vorwürfe, sein Verhalten, welches der „Zeit“-Reporter schildert, vermitteln das Bild eines Getriebenen, von jemandem, der unermüdlich gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten ankämpft und offenbar in einen fatalen Strudel geraten ist.

„Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland“

Das passt zu dem, was über andere Quellen über Taleb A. bekannt geworden ist. In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Auch hielt er ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: „Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland.“

Klar ist, dass auch den Behörden der Mann bekannt war.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat nach eigenen Angaben vor der Attacke auf dem Weihnachtsmarkt einen Hinweis zu Taleb A. erhalten. Der Hinweis sei im Spätsommer letzten Jahres über die Social-Media-Kanäle eingegangen, schrieb das Bamf am Samstag auf der Plattform X. „Dieser wurde, wie jeder andere der zahlreichen Hinweise auch, ernst genommen.“

Warnungen vor Taleb A. an das Bamf

Da das Bundesamt keine Ermittlungsbehörde sei, sei die hinweisgebende Person, wie in solchen Fällen üblich, direkt an die verantwortlichen Behörden verwiesen worden, hieß es. Im Netz kursieren derzeit Screenshots, die Nachrichten einer Person mit Warnungen vor Taleb A. an das Bamf zeigen sollen. Die Echtheit dieser Screenshots war zunächst nicht zu verifizieren. Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sagte am Samstagabend im ZDF-„heute journal“, das BKA habe im November 2023 einen Hinweis aus Saudi-Arabien zu dem Mann bekommen. „Hier ist auch ein Verfahren eingeleitet worden. Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat dann auch entsprechende Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen.“ Die Sache sei aber unspezifisch gewesen.

„Er hat auch verschiedene Behördenkontakte gehabt, Beleidigungen, auch mal Drohungen ausgesprochen. Er war aber nicht bekannt, was Gewalthandlungen angeht“, sagte Münch zu dem Verdächtigen. Diese Dinge müssten aber nochmal überprüft werden, um zu schauen, ob den Sicherheitsbehörden etwas durchgegangen sei. „Wir haben hier ein völlig untypisches Muster, und wir müssen das auch in Ruhe jetzt auch analysieren.“

Missbrauch von Notrufen durch Taleb A.

Nach dpa-Informationen lag gegen Taleb A. zudem ein Verfahren der Amtsanwaltschaft Berlin wegen des Missbrauchs von Notrufen vor. Zuerst hatte der "Spiegel" berichtet. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, im Februar im Dienstgebäude der Berliner Polizei den Notruf der Feuerwehr gewählt zu haben, ohne dass ein Notfall vorgelegen habe. Daher wurde beim Amtsgericht Tiergarten Strafbefehl beantragt, der mit 20 Tagessätzen zu je 30 Euro erlassen wurde. 

Der Angeklagte habe Einspruch eingelegt. Zum Hauptverhandlungstermin am vergangenen Donnerstag (19. Dezember) erschien der Angeklagte nicht, so die Berliner Staatsanwaltschaft. Der Einspruch wurde deshalb auf Antrag der Amtsanwaltschaft verworfen.