„Armutszeugnis“? Die Rentner-Realität in Bayern: Wie viel Geld gibt es – und wie viel ist es wert?

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Fast die Hälfte der Rentner haben nur 1.250 Euro Netto-Einkommen pro Monat. Diese Statistik löste vor Kurzem Entsetzen aus. Wie ist die Lage in Bayern?

München – Viele Rentner in Deutschland leben in Armut, müssen mit einem niedrigen Nettorenteneinkommen auskommen. Die Inflation verstärkte diesen Trend zuletzt noch. Kürzlich hatte Linken-Bundestagsabgeordneter Dietmar Bartsch eine Statistik vom Statistischen Bundesamt angefordert, wie viel Netto-Rente Seniorinnen und Senioren in Deutschland bekommen. Die Antwort hatte für Aufregung gesorgt.

1.250 Euro Netto im Monat – wie aussagekräftig ist diese Statistik?

Das Ergebnis der Statistik-Anfrage von Barsch: Vier von zehn Rentnern in Deutschland bekommen weniger als 1.250 Euro Netto pro Monat. Bartsch nannte diese Zahlen ein „Armutszeugnis“, forderte, dass die Renten dringend angepasst werden müssten, zumindest inflationsbedingt. Der BR hat nun einen genaueren Blick auf dieses Geld geworfen – und gefragt: Wie aussagekräftig sind diese Angaben des Statistischen Bundesamtes überhaupt?

Wie geht es den Rentnern in Bayern? Bundesweit sei das Netto-Einkommen hier ein „Armutszeugnis“, hatte Linken-Abgeordneter Bartsch gesagt. Stimmt das so? (Symbolbild)
Wie geht es den Rentnern in Bayern? Bundesweit sei das Netto-Einkommen hier ein „Armutszeugnis“, hatte Linken-Abgeordneter Bartsch gesagt. Stimmt das so? (Symbolbild) © Wolfgang Maria Weber / IMAGO

Zunächst stellt sich da die Frage der Repräsentativität: Dem BR zufolge ist der Blick allein auf die Netto-Arbeitsrente unzulänglich, da er zum Beispiel die Witwe, die in ihrem Leben nur wenig oder gar nicht gearbeitet hat, aber in der Villa des verstorbenen Ehemanns wohnt, auch mit einbezieht. Auch die Beamten, die im öffentlichen Dienst ihre Karriere starteten, dort Rentenbeiträge zahlten, nun aber stattliche Pensionen erhalten – aber eben auch sehr geringe Renten. Diese und viele weitere Gruppen verfälschen das Bild des durchschnittlichen Netto-Renteneinkommens.

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Aspekt der Rente: Die regionale Kaufkraft – und die lässt in Bayern zu wünschen übrig

Heißt das nun: alles halb so wild? Nein. Ein gutes Beispiel, warum das Netto-Renteneinkommen in Bayern durchaus problematisch ist, ist die regionale Kaufkraft, beziehgungsweise deren Unterschiede. Wie viel hat man von 1.000 Euro Rente? Dies ermittelte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft für 401 Kreise in Deutschland. Heraus kam: In München beträgt die reale Kaufkraft bei 1.000 Euro Rente nur 763 – während sie im Landkreis Lüchow-Dannenberg (dem günstigsten Kreis) 1.145 Euro beträgt.

Dies ist nun jeweils das obere und untere Ende der Liste, zeigt jedoch, wie groß die Unterschiede sein können und was die Kaufkraft ausmacht. Als Fazit könnte ein Rentner mit 1.500 Euro Netto-Renteneinkommen also sagen, dass er lieber von 1.717 Euro realer Kaufkraft im Monat in Lüchow-Dannenberg lebt, als von 1.144 Euro in München.

Die Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik zur Rente 2022

2022 wurden Rentenleistungen in Höhe von insgesamt 46,19 Milliarden Euro an 2,72 Millionen Bürgerinnen und Bürger ab 65 Jahren ausgezahlt

Männer erhielten durchschnittlich 19.241 Euro pro Person und pro Jahr. Frauen erhielten 15.250 Euro.

Ausgezahlte Bruttojahresleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung: Männer 17.068 Euro, Frauen 13.561 Euro.

Frauen stärker betroffen, als Männer – Ungleichheit in Bayern besonders hoch

Ein weiteres Problem: Die Ungleichheit bei den Geschlechtern. Laut BR ist diese im Bund schon vorhanden – dort liegen Frauen um 53,5 Prozent stärker unter der 1.250-Euro-Schwelle, als Männer. In Bayern sind es sogar 56,9 Prozent.

Ein etwas besseres Bild gibt das Problem Altersarmut ab, wenn man nicht das Netto-Renteneinkommen Einzelner betrachtet, sondern das Haushaltseinkommen, schreibt der BR. Da zeige sich aber, dass alleinstehende Rentnerinnen am gefährdetsten sind.

Rentner-Realität in Bayern – ist es ein „Armutszeugnis“?

Viele Rentner in Bayern leben in prekären finanziellen Situationen. Das zeigt sich anhand der Statistiken, die Kaufkraft in Bayern, vor allem in München, tut ihr Übriges. Allerdings ist der Blick allein in die Statistik der Netto-Renteneinkommen unzureichend und kann die Politik dazu verleiten, an den falschen Stellschrauben anzusetzen. Wichtig ist, zu überprüfen, wer aus welchem Sicherungssystem wie viele Hilfen bezieht, fasst der BR zusammen. Unter Einbezug der Steuern und Abgaben könnte man hier ansetzen – so fordert zum Beispiel der Sozialverband Deutschland einen steuerfreien Inflationsausgleich für Rentner. (fhz)

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